UFOMAMMUT / 04.10.2022 – Kiel, Schaubude

3 Dislike0

Philipp: Zahlenfreaks freuen sich: Hätte dieses Konzert nur elf Tage später stattgefunden, dann wären exakt zehn Jahre seit dem letzten Kielbesuch von UFOMAMMUT vergangen. Damals resümierte ich bei DreMu: „Die sehr gut gefüllte Meierei (und das an einem Montag) wogt benebelt hin und her, gibt sich den Riffwogen hin und lässt sich in diesen anderen Kosmos entführen, in dem es ausschließlich Liebe, Doom und den mächtigen Oroborus gibt… Und man fühlt: ‘Allem Zukünftigen beißt das Vergangene in den Schwanz.‘“

Doom Fränk: Ufomammut in die Schaubude? Gleich der nächste Kracher nach Swan Valley Heights und Weddings? Das wäre ja wie ein zweites Weihnachten nur eine Woche nach dem ersten!

 

UFOMAMMUT 

 

Bericht von Doom Fränk und Philipp Wolter, Fotos von Doom Fränk und Torsten Matzat (Kundenstopper und Setlist).

 

Doom Fränk: Aufgeregt diskutieren wir bereits Tage zuvor im Büro, wie der typische Doom/Stoner Schlagzeug Rhythmus ist. Ok, nach 2 Stunden haben wir uns schon mal darauf geeinigt, dass es sich meist um einen molligen 4/4 Takt handelt.  Ein Arbeitskollege besteht anschließend aber darauf, dass wir den Klang lautmalerisch auf unserem Whiteboard festhalten. „Tschack“-„Baboom“-Tschack“, schlägt er vor und lässt zwischen den einzelnen Lauten lange Pausen. „TschaBooom“ – „TschaBooom“ – „TschaBooom“, wirft ein anderer ein und verlängert die Stille zwischen den Silben um ein Vielfaches. „Tschack“-„Pschsch“-„Pschsch“-„Pschsch“, schlage ich nach einer weiteren Stunde heißer Diskussionen vor und mache mich so langsam bereit für den Feierabend – immerhin sammeln wir alle bereits Überstunden an.

Ufomammut sind eine italienische Band aus der nördlich gelegenen Region Piemont und wenn mich nicht alles täuscht, kommt auch die zerkleinerte Nuss im Hanuta daher. In ihrer Musik vermischen sich Elemente aus dem Stoner Doom, dem Doom Metal, dem Drone Doom und dem Doom Doom.

 

UFOMAMMUTUFOMAMMUT

 

Philipp: Vieles ist heute ähnlich wie 2012. So haben die Italiener abermals imposantes Merch dabei, neben unzähligen Tonträgern auch wieder Kunstdrucke des Künstlerkollektivs MALLEUS, die sich offenbar zum Teil mit UFOMAMMUT personell überschneiden. Ich selbst widerstehe der süßen Verlockung, aber es bereitet beim Herumlungern Freude, in dem großformatigen Ordner zu blättern, in welchem die Poster präsentiert werden. Trotz zum Teil stolzer Preise von 50,- bis 70,- Euro sind diverse Motive bereits ausverkauft.

Doom Fränk: Wie immer schmückt ein toll designter Klappaufsteller den Eingangsbereich der Bude, aber leider habe ich heute kein Foto davon gemacht. Vielleicht kann jemand aushelfen? Nichtsdestotrotz ist es um 20:30 Uhr schon gut gefüllt und es lässt sich erahnen, dass der Zuspruch heute mehr als akzeptabel sein wird. Am Eingang erfahre ich, dass im Vorverkauf bummelig 50 Karten verkauft wurden (Riccis` Dank sicherlich dafür) und bisher noch mal 20 an der Abendkasse. Mal ehrlich, ich denke, das ist für unter der Woche in Kiel schon ganz gut. Ufomammut ist ja wirklich leider Sparten- oder Randgruppenmusik. Die 64-jährige Minna Pötter, die mit flinken Bewegungen und so einer Holzzange die Bratwurst auf´m Rost da vor dem Citti-Park umdreht, bekommst damit sicherlich nicht vom Fernseher und der Arztserie „Dr Martin Martell und seine Diagnosen“ weggelockt. 

 

UFOMAMMUTUFOMAMMUT

 

Philipp: Irgendwann landet das Mammut und brummt los, dass der Boden vibriert. Legenden zufolge ist einem der Redaktion namentlich bekannte Konzertbesucher durch die Bassfrequenzen mal der Mageninhalt hochgekommen (Schauplatz war das Desertfest in Berlin). Ein weiterer Freak berichtet, ihm sei auf eben jenem Desertfest innerhalb von Minuten das Bier schal gespielt worden, da die Kohlensäure durch bestimmte Vibrationen entwichen sei. Wir wissen nicht, ob ersteres Erlebnis durch letzteres bedingt war und ob das alles überhaupt physikalisch möglich ist, aber Fakt ist: UFOMAMMUT brummen wirklich alles weg. Wie viele Effektgeräte befinden sich insgesamt wohl in den Boards? Ich zähle nicht nach, aber zwischen dreißig oder vierzig dürften es sein. Dennoch wirkt der Sound nicht überladen, sondern das gesamte Konzert über eher homogen. Ganz selten kommt Gesang hinzu, der eher wie ein zusätzliches Instrument eingesetzt wird, weniger wie klassische Rockvocals. Zu den Riffwänden lässt sich bestens headbangen oder doomdancen. Die Schaubude ist endlich mal super gefüllt und viele Besucher:innen tun genau das, heben dabei ihre Fäuste oder/und ihre hoffentlich nicht schalen Biere.

Doom Fränk: Eine Vorband gibt es heute nicht, aber im Nachhinein ist die auch nicht nötig gewesen. Ufomammut heizen selbst für sich ein. Schon ab der ersten Sekunde, da Sänger und Bassist Urlo (das ist italienisch und bedeutet „Harke“) über die Saiten seines Instruments streicht, brodelt es im Publikum. Sodann setzt auch Levre ein. Dieser ist erst seit einem Jahr dabei und am Schlagzeug im Einsatz, aber er macht seinen Job so gut, dass er auch schon seit der Gründung vor fast 25 Jahren in der Band sein könnte. Zuletzt ist da noch Poia, der bärtige Gitarrist. Aber zuerst verweigert seine 6-Saitige ihren Dienst und diverse Kabeln müssen getauscht werden. Ist auch nicht schlimm, dauert nicht lange und jetzt weiß auch der Letzte, dass die Musik heute live gespielt wird.

 

UFOMAMMUTUFOMAMMUT

 

Was jetzt folgt, ist ein wahrhafter Orkan des Dooooooom! Mit stoischer Gelassenheit und ohne die Rübe zu schüttlen, bearbeiten die 3 Italiener ihre Instrumente. Die Abmischung ist zumindest da, wo ich stehe, super. Der Sound brettert tonnenschwer und zäh wie ein halbes Hähnchen vom Hühner Hugo aus den ächzenden und stöhnenden Boxen. Selten – aber nicht zu selten – erhebt sich die Stimme Urlos über diesen finsteren Malstrom, der sich aus dronischen, repetitiven Riffs zusammensetzt.

„It´s the Riff, Stupid“, erklärten mighty Bolt Thrower mal in einem Interview für die Zeitung „Familie mit Hund“ und hatten damit alles abschließend gesagt. Auch heute Abend ist der Riff König - oder sogar Gott - und unentwegt wiederholt er sich drückend und fordernd. Gebieterisch zwingt er die anwesenden Doom Maniacs zu ekstatischen Bewegungen oder irrem Gebange. Mein Lieblings-Zagreber Zlatko schafft nebenbei tatsächlich 4 oder 5 Bier nach vorne und sorgt so dafür, dass ich mich ganz – ohne stechenden Durst – auf dieses Monster mitreißender Musik konzentrieren kann. Da die Lieder ohne große Ansagen oder Pausen fließend ineinander über gehen, kann es inzwischen das 5te oder 10te Lied sein – ich weiß es nicht und es ist irgendwie auch egal, da alles geiler Scheiß ist.

Auf einen Schlag auf die Snare folgen immer drei weitere auf die Becken und so scheppern sich Ufomammut durch ein erdiges Set doomender Musik. Viel besser kannst das nicht machen und es ist mal wieder ein äußerst gelungener Abend in der Bude. Wer heute da war, muss (!) sich richtig ärgern, wenn er/sie Swan Valley Heights und Weddings letzte Woche verpasst hat.

Auf dem Rückweg stellen wir uns komischerweise die Frage, ob dies heute tatsächlich ein Konzert im klassischen Sinne war – oder doch eher geniale Kunst oder verrücktes Happening oder was-auch-immer?

Für mich war es der perfekte Soundtrack für ein bisher noch nicht geschriebenes, epochales  Drehbuch mit genialem Inhalt:

Eine Gruppe Urmenschen hat Hunger, da es auch schon vor einer Millionen Jahren Lieferengpässe gab. So beschließen sie am Lagerfeuer das Unmögliche: Ein Mammut zu jagen! Derweil das Mammut rhythmisch und grollend durch den hüfthohen Schnee stampft und stampft ( „Tschack“-„Pschsch“-„Pschsch“-„Pschsch“), schleichen sich die Urmenschen mit ihren Speeren und Keulen an. Bevor aber die Jagd überhaupt beginnt, erscheint über ihnen ein UFO vom Planeten Istban IV und vernichtet sie mit einer weit überlegenen Waffe – einer Strahlenkanone zB. Danach laden die Istbanianer das Mammut in das UFO ein und hören gemeinsam Doom. Oder Crust – der ist ja auch nicht schlecht und auch vor einer Million Jahren entstanden.

Philipp: Einzig ein Aspekt ist aus meiner Sicht zu kritisieren: Der Auftritt hätte gern länger ausfallen dürfen! Gerade so eine Musik wie die von UFOMAMMUT lässt sich über eine längere Dauer hin genießen, die Stücke bauen sich über einen längeren Zeitraum auf und entfalten so ihre Wirkung. Das gilt auch für das gesamte Konzert, das für meinen Geschmack etwas plötzlich beendet wird. Oder bin ich derart in Trance versetzt worden, dass mir das Vergehen der Zeit nicht mehr bewusst war?

 

UFOMAMMUT-Setlist

 

Bewertung: 5 / 5

Stern aktivStern aktivStern aktivStern aktivStern aktiv