GRIFT / 24.05.2022 – Kiel, Hansa 48

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Die Konzertgruppe INFERNAL CRUST BRIGADE steht für misanthropisches Geschrote. Da erscheint die Ankündigung eines Folk-Konzerts auf den ersten Blick möglicherweise widersprüchlich. Doch guckt man genauer, entdeckt man durchaus Verbindungen zum Black Metal. Schließlich lassen nicht wenige Bands dieses Genres Nordic-Folk-Einflüsse in ihrer Musik vorkommen. Letztendlich hat spätestens Quorthon damit begonnen und mit BATHORY zahllose Hörer:innen erreicht. Einsamer Mensch steht auf Gletscher und ruft seine Seelenqualen in den Eisnebel – da findet sich doch fast jede:r wieder.

Ich kenne keinen Ton von GRIFT und weiß nicht, was mich erwartet. Das ist reizvoll. Die erste Überraschung: Es handelt sich um einen einzelnen Musiker, der Gitarre spielt und dazu singt. Ich bin gespannt.

 

GRIFT

Bilder von MJ 

 

Der nächste Ü-Hammer: Das Konzert findet gar nicht im Saal der Hansa 48 statt, sondern im bestuhlten Café. Ich sitze eigentlich nicht so gern auf Konzerten, aber in diesem Rahmen ergibt das natürlich Sinn. Es sind auch alle Plätze belegt, man kennt so ziemlich jede:n Besucher:in mindestens vom Sehen, wenn nicht gar mit Namen. Auf der kleinen Bühne steht ein Mikro mit Pflanze, seitlich im Hintergrund wird gerade eine Leinwand eingerichtet.

 

Der GRIFT-Typ heißt übrigens Erik Gärdefors und spielt auch in diversen Death und Black Metal Bands. Bei GRIFT geht es offensichtlich intimer zu: Zu der mal gezupften, mal sphärisch mahlenden amplifizierten Klampfe singt der Schwede mit gequälter Stimme. Ab und zu beendet er die Strophen mit einem schrillen Schrei. Überhaupt ist die Atmosphäre Black Metal-kompatibel, auch wenn Blastbeats und andere typische Elemente hier nicht vorkommen. Diese Musik transportiert Melancholie und Agonie auf ihre Art. Sehr cineastisch wirkt das auf mich, wozu die Bilder und Filme auf der Leinwand perfekt passen. Meist sieht man einsame Winterlandschaften, von denen man sich gut vorstellen kann, dass Gärdefors selbst sie aufgenommen hat. Ab und zu tauchen Tierschädel auf, Klangschalen, aber meist Eis, Schnee und Bäume. Dürre, junge Birkenwälder. Äste mit Tau oder Regentropfen. Entwurzelte Bäume, dessen Wurzelstränge schon vom Regen lehmfrei gewaschen sind. Ein selbstgebauter Naturaltar vor steiniger Küste am Wasser.
Kurze Videofrequenz mit altem Mann, der beschwerlich durchs Bild geht. Alte Frau vor bescheidener Hofkulisse. Baumallee. Sandwege. Wiesen. Verschwommene unscharfe Aufnahmen, sodass man Fratzen in Baumrinde zu erkennen vermag. Knochen. Oder Orte, die mal bewohnt, aber nun verlassen und verfallen sind. Immer wieder Regen. Regen in Pfützen, auf Blättern, auf einem Sandweg. Tropfen aus zu einem Gefäß geformten Männerhänden. Wer möchte, kann da richtig eintauchen. Nach jedem Stück gibt’s Applaus und der Meister verneigt sich höflich.

 

GRIFT

 

Ich habe gern zugehört und zugesehen, ernte danach aber keinen Tonträger ab. Obwohl ich mir GRIFT live wieder angucken würde, höre ich zu Hause dann doch eher andere Sachen. Ein sehr schöner Abend mit vielen netten Gesprächen!   

 

GRIFT

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