SCHWACH, ESTRELLA ROCHEN / 16.04.2022 – Flensburg, Senffabrik

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Wie schön, dass es ihn wieder häufiger gibt: Diesen Moment, in dem du plötzlich und unerwartet im Netz auf eine Konzertankündigung stößt, bei der du einfach nur elektrisiert bist und einen Begeisterungsschrei ausstößt. So erging es mir letzte Woche beim Anblick des Flyers: SCHWACH, LOSER YOUTH und die mir noch unbekannten ESTRELLA ROCHEN in der Flensburger Senffabrik! Überhaupt, Senffabrik. Bei meinem letzten Besuch war ich so begeistert von diesem Wohnprojekt, dass ich mir schwor, möglichst bald wiederzukommen. Nu, das war 2012 und es sind flugs mal zehn Jährchen vergangen… Umso schöner das Wiedersehen mit der herrlichen Senffabrik, einigen bekannten Gesichtern und das Kennenlernen neuer Loite. Schnell wird es voll, eine bunte Punkerzusammenrottung versammelt sich. LOSER YOUTH mussten leider krankheitsbedingt absagen (Corona, gute Besserung und milden Verlauf an dieser Stelle), aber so haben wir mehr Zeit zum Sabbeln.

 

SCHWACH

Bilder von MJ

 

Einziger Negativpunkt: Ganz schön kalt in den Kellerkatakomben der Senffabrik! Aber da fangen ESTRELLA ROCHEN auch schon an und die Meute heizt den lütten Zockraum auf. „Wir haben uns vor zwei Jahren gegründet, sind also eine reine Pandemieband“, verkündet der Sänger zu Beginn. Weiterhin ungewöhnlich: Keiner der fünf Rochen hat bisher in einer anderen Band gespielt. Und das in Flensburg! Es handelt sich erst um den dritten Auftritt und auch das kann nur gelten, wenn man einen spontanen Unplugged-Gig auf einer Hochzeit mitzählt. Egal, ESTRELLA ROCHEN haben schnell die Sympathien auf ihrer Seite. Punkrock, ab und zu mit Mini-Orgel, aber immer mit Spielfreude und kritischen Texten. Mehrfach findet der Sänger die richtigen Worte zu bewegenden Themen wie dem Sterben auf dem Mittelmeer, dem Ausbau der Festung Europa. Und wie gut ist die Zeile „Es ist nicht alles Bert, was glänzt“ im Song „Hafermarkt“. Am Schluss rügt der Gitarrist noch seinen Kollegen: „Du hast eben gar nicht gesagt, dass das gerade unser letzter Song war.“ – „Ach, kündigt man das vorher an? Ja, also, das war’s.“ Prognose: Die wird man wiedersehen.

 

ESTRELLA ROCHENESTRELLA ROCHEN

 

SCHWACH zeigen genau den Spirit, den ich liebe: Der Sänger hat keine Stimme mehr, die Band spielt trotzdem! Genau so! Der Schlagzeuger erklärt, dass zunächst halt der Bassist singen werde und man später noch ein wenig die Instrumente tausche. Wer textsicher sei, möge gern mitschmettern. Und ab. Ich hatte SCHWACH bei Erstkontakt (Hafenklang 2017) in mein Herz geschlossen, Martina hatte damals leider keine Zeit, aber das Debut “Kein Bock“ und die 7“ „Schwach“ haben wir unfasslich oft zusammen gehört. Aufgrund der schwierigen Bedingungen – zusätzlich zum fehlenden Sänger fällt auch das Hauptmikro streckenweise aus – ist schwer zu sagen, ob Songs dieser Scheiben in der Setlist sind („Vegan“ und „Mittelmeer“ meine ich zu erkennen), aber dennoch sorgen SCHWACH für einen Wirbelsturm im Senfkeller. Die Punker zucken und springen herum, als müssten sie eklige Insekten abschütteln, verschwitzte Leiber klatschen aufeinander, Haupthaare fliegen durch die Luft. Vieles wird im Hyperspeed geprügelt, aber immer wieder kommen diese langsamen Schleifparts und auch Ansätze von Gitarrenmelodien. Das pumpt, das peitscht, das hat Druck und Energie und stets eine spürbare Punkkante. Herrlicherweise hat die Band zwei (für mich) neue Singles mit dabei, die natürlich danach abgeerntet werden. „Gegeneinander“ heißt eine von 2018, die zweite ist eine Split von 2019 mit DESARRAIGO aus Kolumbien. Beide natürlich super, der Song „Gegeneinander“ ist ein schönes Beispiel für die tollen Texte der Berliner: „Angekommen im spießigen Leben / Jeden Tag aufs Neue die Augen verdrehen / Kann das alles nicht verstehen / Kann keinen Sinn darin sehen / Nach oben streben, nach unten treten / Eine Gesellschaft, die gibt es nicht / Es gibt nur dich und mich / Einzelkämpfer Thatcher Weg, mir egal, wie’s dir geht…“

 

SCHWACHSCHWACH

                

Leider ist gefühlt viel zu früh Schluss, davon hätte ich gern mehr genossen. Aber dann beim nächsten Mal! Jetzt könnte man noch das Set von DJ Bert genießen, aber wir wollen den Hund befreien und rollen lieber los. Tschü-hüs!

Fazit: Geil, endlich mal wieder zum Lachen in den Keller gegangen. 

 

Flieger

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