NOTGEMEINSCHAFT PETER PAN, KV12, RESISTENZ ´32, KLEYMO / 16.10.2021 – Hamburg, Fabrique Gängeviertel

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 „Komm in die Gänge!“ - leider folgen diesem Ruf heute Abend nicht alle. Einer ist krank, ein anderer hat keine Kohle und wiederum ein anderer sitzt vermutlich vor einem Computer Spiel. Egal, immerhin noch zu zweit trinken wir an dem etwas abgelegenen Platz neben der Toilette im Regional Express nach Hamburg Bier. „Diese Drecksw*chser! Und dann streiken sie auch noch in einer Tour!“, schimpft der Fan eines Hamburger Vereins, welcher sich selbst anscheinend ´Die Rothosen´ nennt, wegen einer eben erfolgten Durchsage. Bereits in Neumünster, so ließ diese verlauten, liegen wir bereits 30 Minuten hinter dem Fahrplan zurück. Grund für die Verspätung: Wir haben irgendwo auf der zurückliegenden Strecke den letzten Waggon verloren. Zu blöd auch, dass der Triebwagen vorne keine Rückspiegel hat…

 

Uns stört das wenig. Wir verstehen die Aufregung des Fußballfans nicht und amüsieren uns eher darüber. Die Bahn ist doch absolut super. Und günstig dazu! Außerdem haben wir mehr als genug Zeit und erreichen ohne Hektik gegen 1900 den Innenhof des Gängeviertels. Dort staunen wir nicht schlecht über die bereits wartende Menschenmenge. Die Veranstaltung ist heute „2G“ und dieses wird auch dementsprechend geprüft. Es bedeutet jedoch nicht, dass nur 2 Geschlechter zugelassen sind, es besteht (wie noch nicht alle wissen) Zutritt ausschließlich für Geimpfte oder Genesene. Eintritt ist in der Höhe frei wählbar, die Empfehlung liegt bei 10 Kröten – was wir auch gerne bezahlen. (Diese Idee mit der „Empfehlung“ muss ich noch an Herb und seine Chaos-Brigade weitergeben…)

 

KV12

 

 

Kleymo first! Die Band aus Hamburg bezeichnet sich selbst als „Immigrant Hardcore Punk“ und besteht seit 2018. Ich habe keinen Plan, was der Name bedeutet, aber der Bolzenschneider im Logo sieht schon mal super aus. Aber was kommt da aus den Boxen? Zuerst zucke ich zusammen und frage mich, ob das noch abgefuckter Crust oder schon zugekokster D-Beat ist? Disharmonien verstecken sich in einer kalten, brachialen Gitarrenwand, wobei einzelne Dissonanzen als Septime Intervall dann doch wieder eisige Harmonien erzeugen – so könnte es mit einem gewissen Anspruch vielleicht beschrieben werden - oder kurzum: Zusammen mit dem Brüllgesang klingt es, als würde dir eben genannter Bolzenschneider pausenlos in die Fresse knallen. Mir gefällt es, da die Geschwindigkeit nicht jenseits der Schallgrenze liegt und durch das – also wirklich – brachiale Gebrüll das Gefühl erzeugt wird, dass gerade dieses Lied für uns alle sehr wichtig ist und eine Message enthält. Ok, getreu dieser Gesangstechnik könnte ich natürlich nicht sagen, um was es da gerade eben ging, aber das ist ausnahmsweise auch mal wieder egal. Ich verweise dann lieber auf Bandcamp. Und falls noch jemand passende Musik für die Weihnachtsfeier in der Firma oder auch für die Taufe seiner Nichte Werner sucht, der sollte definitiv ein Kleymo Tape abgreifen (oder von mir aus auch abernten…).

 

KLEYMO

 

Yuk, denke ich beim Anblick des Gitarristen der nächsten Band. Der junge Mann hat hoffentlich nicht nur die letzten Jahre in der Mucki Bude verbracht, sondern auch mal in den Proberaum der Band reingeschnuppert und sich da ein paar geile Akkorde abgeschaut. Und ja, das hat er! Sofern es überhaupt möglich ist, im Punk Rock mal ein kurzes Solo zu zocken, so ist dies hier der Fall. Resistenz ´32 aus Leipzig zeigen uns als nächstes, weshalb sich selbst die Bullen in Connewitz Killernieten auf die Lederjacken ihrer Dienstuniform schrauben. Sauberer, schneller Street-Punk mit deutschen Texten, die man dank oder trotz der rotzigen, aggressiven Stimme der Sängerin stets versteht. Während der Lieder geht es mit ihr ab ins Publikum der inzwischen prall gefüllten Fabrique und die Energie springt sofort auf dieses über. Pogo ist angesagt! Aber wie auch zuvor schon auf anderen Konzerten bemerkt, kommen nicht alle mit der – nach 1,5 Jahren Corona - neu gewonnen Freiheit zurecht. Von einer Konzertbesucherin erfahre ich, dass sie Angst um ihr Piercing hat, da nicht alle Fanatics vorne Rücksicht nehmen. Damit ist sie nicht allein, plötzlich ist es totenstill und die Band macht eine erzwungene Pause. Nachdem 2 Ordner die Chose geklärt und einen Besucher belehrt (oder raus eskortiert) haben, geht es mit noch mehr Druck und gleichsam etwas mehr Rücksicht weiter. „Widerstand“, „Frauen. Leben. Freiheit.“ oder auch „Beschissene Frage“ sind Selbstläufer und werden begeistert aufgenommen. Jene angesprochene Frage – Wo kommst du her? – braucht man der Sängerin (und allen anderen sowieso…) ohnehin nicht stellen. In schönstem sächsisch überbrückt sie die Pausen zwischen den einzelnen Liedern. Klasse! Der Gesang ist nebenbei natööölisch oooooohnä Aggsendd. Ich finde immer toll, wenn man/frau das so Umschalten kann.

 

RESISTENZ 32RESISTENZ 32

 

Es bleibt nur zu sagen, Resistenz ´32 sind der passende Soundtrack für die nächste Straßenschlacht! Scheinbar gibt es erst ein Album, welches beim Kieler(!) Fire and Flames Label erschienen ist, aber das wird durchgezockt. Da können wir alle nur hoffen, dass da in Zukunft noch mehr kommt, sonst braucht sich keiner wundern, wenn es hier bald eskaliert.

 

RESISTENZ 32

 

Sehr geiler (von mir aus: Old School) Streetpunk mit passendem heiser-angepisstem Gesang und routiniert sägender Gitarre. Vermutlich hat der Gitarrist Kraft- und Proberaum einfach verbunden und spielt ein Instrument aus Blei. Oder Zement. Wir wollen Resistenz!!!!!! Bass und Schlagzeug der Band waren selbstredend auch super! 

 

KV12

 

Hamburgs Finest next! Damit meine ich ausnahmsweise mal nicht die Franzbrötchen von Bäckerei Lohse an der Sternschanze, nein, KV12 schließen Gitarren und Bass an die Verstärker an. Vor der Bühne füllt es sich wieder und mit den ersten Takten beginnt sofort der Pogo. Ok, ich glaube, ein kleiner Verspieler unterbricht den wieder, aber auch das wird gekonnt überbrückt. Textsicher begleitet fortan das schwitzende Publikum Lied um Lied und auch die eine andere Faust geht nach oben.

Alles Wichtige über die Band habe ich hier beim letzten Konzert vor 4 oder 6 Wochen mit Alarmsignal schon geschrieben und ich könnte es unverändert mit copy+paste wieder einfügen, aber das macht wohl wenig Sinn. Natürlich ist das Ganze mit 2G jetzt noch um einiges geiler als aufm Hocker. Neue Lieder gibt es glaube ich noch nicht, aber dafür gibt es wieder Reihenweise Cover von Ichsucht, die alle ihre Berechtigung in dem klasse Set haben. Das Lied ´Nicht mit uns´ (oder war es das davor…notfalls einfach verbessern…irgendein Fehler ist ja immer drin) wird heute zum letzten Mal gespielt. Irgendwann reicht es ja auch mal, ist die Begründung – mir reicht es natürlich noch nicht.

„Zugabe! Zugabe!“, fordert das Publikum. Aber Sängerin Anni winkt ab. „Wir haben alles gespielt, was wir geprobt haben und mehr Texte kann ich nicht auswendig.“ Von mir aus hätten sie das Set auch einfach noch mal wiederholen können… Super! Die für mich zur Zeit mit Abstand beste (Punk) Band Hamburgs oder - neben mighty Pascow - Deutschlands!

Irgendwie beschleicht mich am Ende eines schweißtreibenden Sets auch der Verdacht, hier hat eben der heimliche Headliner gespielt – die Fabrique leert sich leider doch etwas.

 

KV12KV12

 

Aber davon lässt sich die Notgemeinschaft Peter Pan nicht abschrecken. Der Name verfolgt mich glaube ich schon seit Jahren, aber gesehen habe ich die Hamburger Band bisher noch nicht. Beim Publikum ist inzwischen auch etwas die Luft raus, aber auch das bringt die Notgemeinschaft nicht davon ab, routiniert Lied um Lied abzuliefern. Beim Gesang wird sich abgewechselt, und auch der Schlagzeuger übernimmt seinen Teil – ich frag mich immer, wie man sowas wohl gleichzeitig kann. Dafür erkenne ich aber noch ein Cover, Police State von Agnostic Front, welches von NY auf Hamburg umgeschrieben ist. Super Abend bisher, leider müssen wir nach eben genannten Lied aufbrechen, aber den Rest holen wir an einem anderen Abend definitiv nach.

 

NGPP

 

Bei der Bahn ist wie so oft Schienenersatzverkehr angesagt. Und es klappt natürlich wieder gar nichts. „Diese Drecksw*chser! Und dann streiken sie auch noch in einer Tour!“, schimpfe ich mehrfach auf dieser 4-stündigen Odyssee. Von Dammtor geht es über den Hauptbahnhof zum ZOB und anschließend mit einem Bus nach Pinneberg. Von dort nimmt dann irgendwann ein Zug Kurs in Richtung Kiel und vor Bordesholm treffen wir den Waggon wieder, den der Regionalexpress auf der Hinfahrt verloren hat...

 

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