B-S-T, THE HIDDEN SPIRIT, WELTPUNK / 17.01.2020 – Hamburg, Bar 227
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Dienstag, 21. Januar 2020 18:57
- Geschrieben von Philipp Wolter
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„Over The Years… Under The Radar“ haben die Hamburger Hardrocker DEVIL’S DAY OFF ihr bisher einziges Album genannt (bald erscheint übrigens der Nachfolger, auf den ich mich schon sehr freue). Dieses Motto passt auch auf die Hamburger Kollegen B-S-T, die bereits seit unfasslichen 25 (!) Jahren im Untergrund wühlen. Der Vergleich kommt mir nicht nur aufgrund der Hamburg-Parallele in den Sinn, sondern auch wegen der krassen Diskrepanz zwischen musikalischer Qualität und dem jeweiligen (eben viel zu geringen) Bekanntheitsgrad. Vielleicht sind manche Bands einfach zu gut für die breite Masse, möglicherweise fallen B-S-T bei einigen Doom Metal Hörer*innen durchs Raster, weil sie deutsche Texte haben, was in diesem Genre eher selten ist. Dass es bei Dremu erst ein Live-Review von B-S-T gibt (Support für PENTAGRAM 2015), ist jedenfalls ein Skandal, der hiermit aus der Welt geschafft oder zumindest relativiert wird – „25 Jahre Hamburg City Doom“ sind ein Anlass, um eine kleine Reisegruppe zusammenzustellen.
Seltsam ist übrigens auch, dass die meisten von uns vor dem heutigen Termin noch nie in der Bar 227 waren. Endlich lerne ich nun auch den dritten Schuppen der Dreieckskonstellation Fundbureau – Astra Stube – Bar 227 kennen. Das Ding gefällt mir auf Anhieb – wie erwartet recht klein, aber gemütlich sowie mit gut bestückter Bar und der Sound ist auch okay.
Zum 25-jährigen Jubiläum haben B-S-T offenbar alte Freunde eingeladen, die zur selben Zeit wie sie 1994 ein Bandprojekt begonnen hatten („aka die große Glinder Schule Revival Show“, B-S-T in ihrer Veranstaltungseinladung). WELTPUNK erklären, dass sie aber nach ihrer Gründung vor 25 Jahren nichts mehr gemacht haben… Also auch nicht geprobt… Für die Angehörigen und Freunde dürfte die Chose ein großer Spaß sein, für uns als Nichteingeweihte kommt das etwas schräg rüber. Das planlose Geschepper dürfte eher als Insidergag durchgehen, eine tiefgründige Analyse spare ich mir hier also…
THE HIDDEN SPIRIT schlagen in eine andere Kerbe, nämlich die des leicht metallischen Stonerrock. Ein mitgereistes Individuum und ich kommen zu recht unterschiedlichen Einschätzungen: Sie bezeichnet die Musik als „guten Stoner mit zu knödeligem Gesang“, während ich von schön knödeligem Gesang zu eher durchschnittlichem Stoner spreche. Die Schönheit des Geknödels liegt eben im Gehör des Betrachters (bzw. der Zuhörerin).
Volle Hütte, derb drückender Sound – B-S-T könnten zufrieden sein, müsste nicht Sänger und Gitarrist Heiko Wenck heute im Sitzen zocken. Offensichtlich ist ein Unfall die Ursache, also gute Besserung an dieser Stelle. Der musikalischen Qualität tut das ja sowieso keinen Abbruch, der showtechnischen auch nicht, erwartet man bei einer Doomband schließlich in der Regel keinen wild herumspringenden Sänger. Monströse CROWBAR’sche Klangwände türmen sich auf, als B.S.T. mit „Stimmen“, dem Opener der genialen „Unter Deck“-Scheibe, loslegen. Kirk Windsteins leidendes Organ ist ein passender Vergleich, wenngleich Wenck in den ruhigen Passagen auch mal klar trällert. Riffs und Harmonien können ebenfalls begeistern, Vergleiche mit ISOLE, WARNING oder MIRROR OF DECEPTION sind durchaus gerechtfertigt. Während ich zeitlupig bangend schwelge, wird mir wieder mal klar, was mich an Doom Metal so fasziniert – es ist die Antithese zu einer von Streaming dominierten Wegklick-Welt. In einen B.S.T.-Song „mal kurz reinzuhören“, das wäre das Verhalten eines Schwachsinnigen, gönnen sich die Hamburg City Doomer doch Songungetüme in Überlänge. „Die Moral“ und „Die Hoffnung“ knacken zum Beispiel die Neun-Minuten-Grenze, das erwähnte „Stimmen“ baut sich über zehn Minuten lang auf. Short-Attention-Span? Biste hier falsch, Kollege. In selten erlebter Perfektion verschmelzen B-S-T heute brachial-sludgige Passagen mit ruhig-melancholischen Akustik-Kontrasten. Ein Höhepunkt ist die Coverversion der Irish Singer/Songwriter Christy Moore & Jimmy MacCarthy „Ride On“, das B-S-T stimmungsvoll und schwermütig bringen, sodass es nahtlos in den eigenen Bandkosmos passt. Unterstützt wird der Auftritt gleich bei mehreren Stücken vom THE-HIDDEN-SPIRIT-Sänger Marcus, was den familiären Charakter des Abends nochmal unterstreicht.
Keep on dooming in a free world! Auf die nächsten 25!
Kommentare
Was mir hier im Kommentar viel zu kurz kommt: BST! Ich verfolge die Jungs ja schon länger und muss sagen, wenn einer wuchtige Romantik kann, dann BST! Ride on, Jungs!
das Wissen, dass Weltpunk vor 25 Jahren gegründet wurde hast Du exklusiv. Wir haben uns erstmals im Mai darüber unterhalten, zusammen mal 'n büschen Musik zu machen. Im Juni haben wir dann erstmals zusammen geprobt. Zieht man nun noch die Sommer-, Herbst- und Weihnachtsferien ab, haben wir in gut 5 Monaten 7 Lieder auf die Beine gestellt. Ja, wir wussten von Anfang an, dass wir Fehler machen werden, aber hey, dat is Punk! Als Nichteingeweihter sollte man sich vor seiner Kritik noch einweihen lassen, dann könnte sogar so ein oberflächlicher Artikel etwas tiefgründiger und nicht so billig dahergeplappert rüberkommen und man würde sich mit dem planlosen Geschepper besser anfreunden können.
Gruß
Michael
Herzliche Grüße,
Nils Pelster (ein Drittel Weltpunk -> kleingeschrieben) Montaigne: "Anmaßung ist die einzig angeborene Krankheit des Menschen.")
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