ANNIHILATOR, ARCHER NATION / 18.10.2019 – Kiel, Pumpe

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Philipp: Nagelt mich nicht fest, aber ich denke, dass ich ANNIHILATOR bis auf eine Ausnahme (als in Hamburg zeitgleich ENFORCER spielten) bei jeder Deutschland-/Europatour erwischen konnte. Darunter waren viele denkwürdige Konzerte, es seien nur die erste Tour mit ONSLAUGHT 1989 (in Hamburg auch dabei: EROSION), die JUDAS PRIEST/ANNIHILATOR/PANTERA-Tour 1991 oder die „Criteria For A Black Widow“-Shows 2000 genannt, als ANNIHILATOR erneut mit Randy Rampage unterwegs waren und sogar OVERKILL (und DISMEMBER) an die Wand gedrückt haben. Immer noch gut waren die jeweiligen Phasen mit Joe Comeau und Dave Padden am Gesang. Letztes Jahr war die Vorfreude groß, als Jeff Waters eine erneute Tour mit Randy Rampage ankündigte, der wohl mit seiner eigenen Band als Support spielen und natürlich diverse Songs bei ANNIHILATOR singen sollte. Doch dann verstarb Randy Rampage am 14.08.2018 (R.I.P.!) und die gesamte Chose wurde mit neuem Konzept auf 2019 verschoben. Und nun ist es endlich soweit: ANNIHILATOR in Kiel!

 

Doppelbericht von Vincent Heinecke und Philipp Wolter, Fotos von Jan ML folgen!

 

Vincent: ANNIHILATOR-Ersatztermin in der Landeshauptstadt, ziemlich genau ein Jahr später in der beliebten Kieler Pumpe. Die Konzertkarten behielten ihre Gültigkeit und so konnte der Spaß mit den kanadischen Thrash-Metal-Giganten losgehen. 1984 in Ottawa - Kanada von Jeff Waters ins Leben gerufen, können die Urgesteine heute glänzen. An mir waren ANNIHILATOR Jahre lang vorbei gezogen, ohne einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, das sollte sich an diesem Abend ändern.

 

Philipp: Bevor ich mich zu ARCHER NATION in die erste Reihe drängen kann, treffe ich noch unzählige Bekannte. Heute scheint wirklich jede*r am Start zu sein. Mit Humpelfuß, Krücke und einem Sack Flyer bewaffnet habe ich allerdings keine Hand frei. Kollege Tamer begrüßt mich mit ein paar Faustschlägen auf den Kopf. Eigentlich völliger Standard, nur drückt er mir dabei etwas ungeschickt einen Knöchel ins linke Auge, so dass glatt eine Kontaktlinse rausspringt und auf dem Boden landet – und das genau vorm vielfrequentierten Merchstand. Doch mit der Hilfe einer Smartphone-Lampe (wenigstens eine sinnvolle Funktion haben die Dinger also) finden wir das Ding und es ist sogar noch heil. Jo, meine Krücke verschafft mir einen Frontrow-Platz, Mitleid und jede Menge mitgebrachtes oder in meinen Becher geschüttetes Bier. Nicht schlecht, vielleicht sollte ich die Gehhilfe beibehalten! Oder… bekommt man mit Rollator etwa noch mehr Bier? Anyway, ARCHER NATION sind wie schon als Support für QUEENSRYCHE 2016 nur so halb gut. Gitarrist und Sänger Dylan Rose macht auf der Bühne wirklich etwas her und schreddert wie ein Großer, Assoziationen zu Randy Rhoads oder Dave Mustaine erweckend. Aber es fehlen die Killersongs und überhaupt die klare, eigene Linie. Beeindruckend gespielt, aber zu geschliffen und zu poliert.

Vincent: Die Pumpe war gut gefüllt als ich zu ACHER NATION ankam, von alt bis ganz jung war alles vertreten, Metal-Oma und -Opa mit grünen Haaren konnte ich unter den Zuschauern auch entdecken, die Kuttenliga an diesem Abend war vertreten. ACHER NATION zockten dann gegen 20:30 Uhr los. Es erwartete uns eine motivierte Thrash-Metal-Truppe jüngeren Datums, die ihr Haupthaar ordentlich schüttelte. Die Burschen waren auch nicht auf den Mund gefallen und machten kurze Ansagen, um den Hexenkessel anzuheizen, ein kurzes Set, um die Latte nun höher zu legen.

 

Philipp: Ja, geil, Pumpe voll, everybody gut drauf. Jeff Waters, Aaron Homma (g, seit 2015 dabei), Rich Hinks (b, seit 2017) und Fabio Alessandrino (d, seit 2017) wirken von Anfang an extrem motiviert und strahlen die Spielfreude einer echten Band aus. Jeff Waters‘ Lebensumstände haben sich ja sehr verändert (Umzug nach England, der Liebe wegen, wenn ich hier mal InTouch-mäßig abgehen darf) und dies scheint sich positiv auf das Bandgefüge auszuwirken. So versichert Jeff im Laufe des Sets mehrfach, dass die Band auf der kommenden Scheibe an den Spirit der Anfangstage anzuknüpfen gedenke, was hoffentlich auch endlich wieder die Produktion betrifft (Stichwort: Schlagzeug). Der neue Song „Psycho Ward“, den ANNIHILATOR heute spielen, klingt tatsächlich so und überzeugt mit deutlichen „Stonewall“-Vibes, wie Waters selbst sagt. Überhaupt bringen die typischen ANNIHILATOR-Elemente jede*n Banger*in um den Verstand: Die ganze Band spielt unfasslich präzise, auf fieseste Fingerverknotriffs folgen akustische Passagen und alles klingt harmonisch und fließend. Zu den Stakkatoriffs lässt es sich herrlich headbangen oder mit der Krücke herumrandalieren. Die Setlist fokussiert sich auf die frühen Scheiben (30 Jahre „Alice In Hell“!) und Songs der drei, vier letzten Alben, leider fehlen somit jegliche Smasher aus den Jahren 1999 bis 2007. Dafür gibt es ein paar Überraschungen, zum Beispiel das instrumental gezockte „The Trend“ vom selbstbetitelten 2010er Album, „Tricks And Traps“ von der ungeliebten „Remains“-LP (1997) – und „Crystal Ann“ wird dieses Mal nicht einfach von Band eingespielt, sondern richtig cremig live gezockt. Der Sound ist dick und transparent und du siehst überall Pommesgabeln und fliegende Haare. Das fällt auch Jeff Waters auf: „This is so great! Everybody is smiling! When I was 16 and going to a SLAYER show I just wanted to beat up everybody!” Die Ansagen kommen sowieso sehr sympathisch, so gedenkt Jeff mehrfach Randy Rampage und macht deutlich, dass er genau wisse, dass “Alice In Hell“ und „Never, Neverland“ seine stärksten Scheiben seien: „And I know that I will never record an album that will top these two – but this guys convinced me that we have to try this at least!” Das ist ebenso entwaffnend ehrlich wie seine Bemerkung zur Tour mit JUDAS PRIEST und einer damals unbekannten Supportband – PANTERA: “After this they went to get big, one of the biggest metalbands – and I went straight to rehab!” Am Schluss des Sets packen ANNIHILATOR die ganz fiesen Nackenbrecher aus, nämlich “Phantasmagoria“, „Burns Like A Buzzaw Blade“, „W.T.Y.D.“ und  „Crystal Ann“/“Alison Hell“. Zu meckern gibt es eigentlich nur, dass noch gern „Human Insecticide“ und eigentlich die ganze zweite Scheibe hätten gespielt werden können. Aber für letzteres besteht Hoffnung für die nächste Tour, denn für diese wolle Jeff den damaligen Sänger Coburn Pharr reaktivieren. Das wäre doch mal was!

Vincent: Nun eine Umbaupause und die große Halle der Pumpe füllte sich immer mehr, Alex Beh konnte ich neben mir noch entdecken. ANNIHILATOR enterten die Bühne, Sänger Jeff Waters mit coolen Irokesen-Schnitt legt los. Der Schlagzeuger, ein Italiener, war auch neu dabei. Frischer rifflastiger Thrash Metal mit kreativen Ideen und Spielfreude erwartet uns. Viele Klassiker der Bandgeschichte wurden zum Besten gegeben… Jeff Waters konnte durch Stand Up Comedy glänzen und führte uns sicher durchs Sets. So wurden alle Musiker vorgestellt, auch JUDAS PRIEST, PANTERA und SLAYER wurden gehuldigt…. Nach einigen Zugaben war Schluss und das Licht ging an. Fazit: ANNIHILATOR waren eine positive Überraschung für mich, der Ersatztermin war keine Enttäuschung und so haben sich die 29,00 Euro gelohnt, frischer Wind mit Fahrt nach vorn.

 

Philipp: Bleibt abschließend festzuhalten, dass es natürlich toll ist, dass die Bookingagenturen Kiel wiederentdeckt haben. Und dass diese „größeren“ Konzerte so gut angenommen werden. Wenn die Leute jetzt auch noch mehr zu Undergroundveranstaltungen gingen! SUPPORT YOUR LOCAL SCENE, es gibt da ein paar Konzertgruppen wie STEEL CRAWLER, die INFERNAL CRUST BRIGADE oder POSER 667 PRODUCTIONS…

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