KEEP IT TRUE XXII / 26.04.2019 – Lauda-Königshofen, Tauberfrankenhalle, Tag 1

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Die Erwartungen der Menschen steigen, gleichzeitig auch ein Egoismus, der darin gipfelt, dass z.B. Ärzte angespuckt oder körperlich bedroht bzw. tatsächlich angegriffen werden. Leider ist das (typisch deutsche?) Gejammer schon lange auch im Heavy Metal und besonders bei Festivalbesucher*innen angekommen. Ich bin ja mit diesem Bericht spät dran und habe bereits diverse Kommentare sowie Reviews gelesen. Meist wird sich gleich am Anfang darüber beschwert, dass man irgendwo zu lange angestanden habe, auf den Pommes zu wenig Majo war oder/und Band XY abgesagt habe. Leute, wir konnten GRANDIOSE Auftritte von SORTILÈGE, ARIA, SACRED RITE, ANTHEM, TRAVELER, SOLSTICE, VICIOUS RUMORS, SABIRE oder den MERK SHELTON TRIBUT sehen, einige Bands davon waren zum ersten Mal in Deutschland, z.T. hatten sie sogar ihr Europalivedebut! Das sollte meiner Meinung nach im Vordergrund stehen, vor allem dann, wenn man über die Hintergründe einer Absage im Grunde lediglich Gerüchte kennt. Negative Aspekte müssen natürlich kritisch betrachtet werden, aber mit der Lupe ein Haar in der Suppe zu suchen, ist echt nicht mein Ding. Der Hauptaugenmerk dieses KIT-Reviews liegt auf den Auftritten der erwähnten Bands. Haters gonna hate…

 

ANTHEM

Killer-Pics von Florian Hille

 

SABIRE

 

SABIRESABIRE

 

Holy shit, wenn hier nichts schiefgeht, wird diese Band einmal groß werden! Sänger/Gitarrist Scarlett Monastyrski hat dafür das nötige Charisma und die passenden Moves. Im gewagten Blacky-Lawless-Outfit und mit wiegendem Hüftschwung präsentieren er und seine Mitstreiter Knaller von der „Gates Ajar“-EP sowie bisher unveröffentlichte Songs, welche die Meute sofort in Wallung bringen. Mich erinnern die Riffs von „One For The Road“, „Rise To The Top“ oder „Black Widow“ vor allem an TANK, während der Gesang tatsächlich leicht an rauhere W.A.S.P. denken lässt. Jaja, das mag man vielleicht nicht als innovativ bezeichnen können, aber es knallt so herrlich rein und die Refrains sind schlicht unwiderstehlich. Ich liebe SABIRE schon jetzt für ihre EP und für diesen Auftritt, der noch von einem cool runtergerotzten ROSE-TATTOO Cover („Bad Boy For Love“) abgerundet wird.

 

 SABIRE

 

TRAVELER

 

TRAVELERTRAVELER

 

Die Stimmung bleibt im oberen Bereich, als TRAVELER beweisen, dass sie zu Recht als einer der besten Newcomer der NWOTHM angesehen werden. JP Abboud wirkt deutlich souveräner als bei den GATEKEEPER-Shows, die ich gesehen habe (KIT und HELL OVER HAMMABURG) und singt fantastisch. Insgesamt sind TRAVELER auch ein wenig eingängiger als GATEKEEPER, wobei ich beide Bands sehr mag. Einen Heavy Metal-Volltreffer wie „Behind The Iron“ schreibt man auch nicht alle Tage, bei dem Ding sind wirklich alle Fäuste oben. Die Kanadier zocken bis auf das Instrumental die gesamte Debut-LP, die bekanntlich keinen schwachen Ton enthält und streuen als Überraschung noch MAIDENs „Be Qiuck Or Be Dead“ ein (gute Wahl, da eher selten gecovert). Super!

 

TRAVELERTRAVELER

 

JUGGERNAUT       

 

JUGGERNAUTJUGGERNAUT

 

Aah, JUGGERNAUT, ich bin schon sehr gespannt! Das Debut „Baptism Under Fire“ hatte ich mir 1986 einfach wegen des Covers gekauft, das mich irgendwie ansprach. Ich sollte den Kauf nie bereuen und habe die Scheibe seitdem unzählige Male gehört (der Nachfolger „Trouble Within“ ist auch gut, hat mich aber emotional nie ganz so gekriegt). Jetzt also endlich die Europapremiere der Texaner! Im Nachhinein gerät die Performance der TEXAS METAL LEGION am nächsten Tag spritziger und energischer, während JUGGERNAUT „nur“ ein befriedigend erhalten. Das Zusammenspiel ist tight, aber das Quäntchen Wahnsinn und Wildheit, das zum Texas Metal eigentlich dazugehört, fehlt für mich etwas. Zudem singt Harlan Glenn mittlerweile etwas tiefer, was mich anfänglich etwas irritiert. Er liefert aber dennoch gut ab, man muss sich nur erst mal an den etwas veränderten Stil gewöhnen. Und die Setlist ist 1A – so kommt u.a. die gesamte A-Seite des Debuts zum Zuge! Einfach geil, Texas Metal-Perlen wie „Impaler“, „Slow Death“, „Rains Of Death“, „Cast The First Stone“, “Cut Throat” und – yeah! – “All Hallow’s Eve” mal live genießen zu können. Soo technisch kommen mir diese Songs übrigens gar nicht mehr vor. Krasse Aktion: Harlan Glenn hält plötzlich eine Urne hoch und erklärt uns, dass sich darin die Asche seines verstorbenen Vaters befinde – um diese dann plötzlich von der Bühne aus zu verstreuen! Mit dem überraschenden SEX-PISTOLS-Cover „Holidays In The Sun“ endet das Set (Bonuspunkt von mir)!

 

JUGGERNAUTJUGGERNAUT

 

CITIES

 

CITIESCITIES

 

Ein ähnlicher Fall liegt bei CITIES vor, denn auch die Amerikaner spielen ihr erstes Konzert in Europa. Und auch hier ist es für mich besonders interessant, denn ein Kumpel überspielte mir 1985 die „Annihilation Absolute“-EP, die gleichnamige LP erntete ich 1986 dann auf Vinyl ab. Im Vorfeld hatte Veranstalter Oliver Weinsheimer die Besucher*innen darüber abstimmen lassen, ob wir die Band auch sehen wollten, wenn nur ein einziges Originalmitglied dabei sein würde, nämlich Bassist Sal Italiano (ursprünglich war es anders geplant). Ich war wie viele andere dafür, man war allerdings gespannt, ob gerade der Sänger an die charismatische Leistung Ron Angells‘ heranreichen würde. Die Antwort: nicht ganz. Aber „der Neue“, der laut KIT-Programmheft Michael Power heißt, ist ein Supersänger, der an Ronnie James Dio erinnert, was er beim äußerst gelungenen BLACK SABBATH-Cover von „Heaven And Hell“ eindringlich unterstreicht. Wobei bandeigene Hits wie „In The Still Of The Night“, „Stop The Race“ oder “Not Alone In The Dark” gar keine Fremdverstärkung nötig gehabt hätten.

 

CITIESCITIES 

 

ANTHEM

 

ANTHEMANTHEM

                        

Die Japaner hatte ich zwar auf dem Zettel, aber ich muss zugeben, dass ich sie unterschätzt hatte! Vor dem Festival hatte ich mir nochmal „Bound To Break“ angehört (bis jetzt meine einzige Scheibe der Band) und gedacht, dass das schon ganz geil werden könnte, aber ANTHEM ziehen dermaßen vom Leder, dass mir der Atem stockt. Bei einem hämmernden Killersound feiert die Legende ihr Europadebut und gleichzeitig 30 Jahre Bandexistenz. Abgefahren, dass ANTHEM nicht schon früher mal nach Europa gekommen sind. Denn die Band wirkt total motiviert und handwerklich absolut auf Augenhöhe mit LOUDNESS. Dazu besitzen sie Charisma und bespielen die KIT-Bühne mit einer abgefahrenen Mischung aus Routine und Spielfreude. Durch seine Mütze erinnert Yukio Morikawa (v) an Klaus Meine und kann diesem Vergleich auch stimmlich locker standhalten. Da mir nicht nur „Bound To Break“, „Empty Eyes“ und „Headstrong“ (alle vom erwähnten ‘87er Album) gefallen, sondern alle Nummern reinknallen, MUSS ich hier noch nachrüsten. Kiler!

 

ANTHEMANTHEM

 

Zeit für ein Zwischenfazit. Der Sound ist mittlerweile durchgehend brillant. Im letzten Jahr gab es diesbezüglich ab und zu Schwankungen, jetzt hat der neue Soundmensch den Bogen wirklich raus. Zum ersten Mal werden die meisten Auftritte übrigens auch im Livestream gezeigt. Häufig werden lange Wartezeiten am Eingang oder am Tresen kritisiert. Vielleicht hatte ich Glück, aber ich hab nicht ein einziges Mal irgendwo lange angestanden (außer beim Metal Market, wenn vor mir irgendein Typ unendlich langsam durch die Platten blättert. Dabei könnte ich übrigens durchdrehen!). Das Essensangebot ist leicht erweitert worden (Fressbuden vor der Halle), aber gerade für Vegetarier immer noch sehr überschaubar. Egal, man kann sich ja vorher was beim Bäcker holen. Das System der bargeldlosen Bezahlung („Keep It Cashless“-Karte) stört nicht, bringt aber für die Besucher*innen auch keine merklichen Vorteile.  Deutlich besser ist die sanitäre Situation geworden, hier wurde mit zahlreichen Dixies aufgestockt. An einem Aspekt könnte allerdings tatsächlich noch gearbeitet werden, und zwar an der Kommunikation mit den Fans. Sowohl bezüglich der Verspätung von John Cyriis als auch der Absage von CANDLEMASS gab es kaum Informationen. Hier könnte doch ziemlich einfach gehandelt werden, indem ein Mitglied des Teams in solchen Situationen immer mal ans Mikro tritt und eine Ansage macht. (Zwei kurze Ansagen gab es immerhin vor AGENT STEEL.) Auch hätte man das wartende Publikum mit Metal-Klassikern in fetter Lautstärke bei Laune halten können. Stattdessen lief erst der Conan-Soundtrack in Dauerschleife, dann irgendwann nichts mehr. Natürlich muss die Situation für die Orga auch sehr hektisch gewesen sein, da offenbar zeitgleich mit der Warterei auf Cyriis die CANDLEMASS-Absage eintrudelte… Ach ja, und bei den Bierbechern ist dieses Jahr offenbar bei der Produktion etwas schiefgegangen – die Dinger stanken ganz fürchterlich nach Plastik, sodass man nach ein paar Schlucken das Gefühl hatte, Plastiksuppe zu schlucken. Zum Glück gab es an den Bierständen auch alte Becher aus den Vorjahren, die auf Anfrage auch stets befüllt wurden.

 

ANTHEM

 

AGENT STEEL

 

AGENT STEELAGENT STEEL

 

Nach einem kurzen Bier an der Karre eile ich zurück zur Halle, um ja nichts von den Stahlagenten zu verpassen. Ein Bekannter informiert mich allerdings am Hintereingang, dass John Cyriis noch nicht mal da sei. Oha, gleichzeitig steht aber seine Backing Band ratlos auf der Bühne, wie ich kurze Zeit später in der Halle feststelle. Kein gutes Zeichen. Noch ist der Mob gut gelaunt, ja, es liegt sogar eine regelrechte Spannung in der Luft. Wäre Cyriis jetzt gekommen und hätte die Band geliefert, wäre das wohl ein magischer Moment geworden! Es zieht sich aber endlos hin, bis der Kerl dann doch noch erscheint. Leider wirkt er völlig unsicher, verpasst einen Einsatz nach dem anderen und bewirkt ein regelrechtes Chaos im Spielfluss. Ob die „Band“ überhaupt zusammen geprobt hat? Alles, was man über John Cyriis weiß, deutet darauf hin, dass er mentale Probleme hat. Bisher dachte ich immer, dass er halt nur harmlos über Ufos und Außerirdische rumspinnt, aber heute zeigt sich, dass er wohl doch schwerer gestört ist. Wer nun sagt, dass man das hätte vorher wissen können und AGENT STEEL gar nicht erst hätte buchen sollen, dem muss entgegnet werden, dass bisher alle AGENT-STEEL-Versionen live super waren. Sowohl die Originalbesetzung (ich sah sie damals in der Hamburger Markthalle mit OVERKILL und ANTHRAX und fand sie echt am besten), als auch die Phase mit Bruce Hall am Mikro, ebenso MASTERS OF METAL (KIT) und auch das S.E.T.I.-Ding auf dem HEADBANGERS OPEN AIR vor ein paar Jahren. Schade drum! Das gekürzte Set ist leider für’n Arsch, einzig die Bandhymne „Agents Of Steel“ gelingt in gewohnter Qualität. Die Stimme an sich klingt gut, was man in den Momenten hört, wenn Cyriis mal sicher und kraftvoll schmettert. Trotzdem war’s das wohl mit der Band und ich wundere mich, dass sie überhaupt noch auf dem Billing vom  nächstjährigen UP THE HAMMERS stehen. Bis jetzt sind alle nachfolgenden Shows abgesagt worden… Stoppable Force…

 

AGENT STEEL 

 

ARIA

 

ARIAARIA

 

Die Russen sind vielleicht DIE Überraschung des Wochenendes! Die AGENT-STEEL-Enttäuschung wird von einem fulminanten Auftritt hinweggefegt. ARIA hatten bereits Auftritte in Deutschland, zum Beispiel in der DDR und kurz nach der Wiedervereinigung, waren aber noch auf keinem deutschen Metalfestival. Ich kenne bisher kein einziges Album der Band und bin von den Socken, wie GUT sie live klingen. Sowohl das Songmaterial als auch die Darbietung sind auf Augenhöhe mit den ganz großen Namen. Wer sich kurz die Mühe macht und recherchiert, der entdeckt online schnell, dass ARIA in Russland Arenen füllen – sie haben z.B. kurz nach dem KIT in Moskau vor einer fünfstelligen Menschenmenge gespielt. Der gut gelaunte Sänger Mikhail Zhitnyakov ist seit 2011 dabei und passt hervorragend zum melodischen und zum Teil epischen Heavy Metal der Band. Er hat es drauf, die Maniacs ähnlich zu dirigieren wie Bruce Dickinson. Witzig ist auch, dass wohl nur die wenigsten Fans die Texte verstehen dürften (bis auf diverse aus Russland angereiste Besucher*innen natürlich) und viele dennoch mitsingen. Ich mochte es schon immer, Metalscheiben zu hören, die in mir unverständlichen Sprachen eingesungen sind, weil dadurch eine spezielle Atmosphäre entstehen kann. ARIA räumen nach allen Regeln der Kunst ab und gehen gar als Höhepunkt in die reiche KIT-Festivalgeschichte ein. Wie komme ich allerdings jetzt an die 16 ARIA-Longplayer, ohne dafür einen Kredit aufnehmen zu müssen…?

 

ARIAARIA 

 

A TRIBUTE TO MARK SHELTON

 

MS TRIBUTEMS TRIBUTE

 

Ein grandioses Ding wird auch der Trbut für Mark Shelton. Ganze 24 Songs umfasst dieser Auftritt, nein, diese Feier zu Ehren des MANILLA-ROAD-Bandkopfes. Ich merke erst im Zugabenblock, dass ich eigentlich seit Ewigkeiten zur Toilette müsste, kann mich aber nicht vom Fleck rühren, weil ich Angst habe, den nächsten Gastauftritt oder den nächsten Gänsehautmoment zu verpassen. (Jan geht einmal pissen und verpasst komplett den Moment, als Mark Sheltons Mutter auf die Bühne kommt und sich bei den Fans bedankt.) Mit „Necropolis“ erzeugt man gleich beste KEEP IT TRUE-Stimmung, die natürlich in dieser Form nicht ständig im rotglühenden Bereich gehalten werden kann. Nicht wenige Leute sind mittlerweile einfach durch und verlassen die Halle im Laufe der Darbietung. Und verpassen Gastauftritte von Jarvis Leatherby (Night Demon), Jake Rogers (Visigoth), Alexx Stahl (Roxxcalibur, Masters Of Disguise), Kalli Coldsmith (siehe Alexx Stahl), Leif Edling (entschuldigt sich nebenbei für die CANDLEMASS-Absage, die durch einen Flugstreik nicht zu verhindern gewesen sei), Marta Gabriel (Crystal Viper), Deathmaster (Doomsword), Gianluca Silvi (Battle Ram) und weiteren Musikern. Hellroadie Bryan Patrick moderiert das Geschehen, welches erstaunlicherweise keine Längen aufweist, obwohl ständig Instrumente getauscht werden müssen. Die musikalische Qualität macht dieses Ereignis zu einer gelungenen Ehrung für das Werk Mark Sheltons. Meine persönlichen Höhepunkte: „Open The Gates“, „The Ninth Wave“, „The Veils Of Negative Existance“ sowie das Showdown-Triple “Crystal Logic”, “Dreams Of Eschaton” und “Heavy Metal To The World”. Ich hoffe darauf, dass dieses Konzert irgendwann als Vinyl-Livealbum verewigt wird.

 

MS TRIBUTEMS TRIBUTE 

 

Was für ein Tag! Teil II:

http://www.dremufuestias.de/index.php?option=com_content&view=article&id=5795:keep-it-true-xxii-27-04-2019-lauda-koenigshofen-tauberfrankenhalle-tag-2&catid=15:berichte-aus-dem-pit&Itemid=520

 

MS TRIBUTE

 

Kommentare   

0 #2 Philipp 2019-07-17 10:21
Der MetalSon hat ARIA übrigens bereits 2012 in Hamburg gesehen und hier reviewt:

http://www.dremufuestias.de/index.php?option=com_content&view=article&id=3725%3A-aria-04042012-hamburg-docks&catid=15&Itemid=520&fbclid=IwAR1RXFqaHQpj8V8xInHHSFJQlWQsoGPakUeinncsqZYxorA9HM_AR0UyUXE
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0 #1 Philipp 2019-07-14 22:15
Mehr Bilder in der Galerie:

http://www.dremufuestias.de/index.php?view=category&catid=749&option=com_joomgallery&Itemid=516
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