METAL ASSAULT VIII / 17.02.2018 – Würzburg, Posthalle

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Jedes Jahr lockt das METAL ASSAULT mit einem gierigen Billing, präsentiert in der perfekt proportionierten Posthalle, in der parallel zu den Bands wie früher beim KEEP IT TRUE ein Metal Market abgehalten wird. Die krankheitsbedingte Absage von ASHBURY ist zwar schade, kann uns aber im Gegensatz zu ein paar trollenden Keyboard-Warriors nicht vom Besuch abhalten. Und im Nachhinein scheint es so, als hätten die neun auftretenden Bands alle noch ‘ne Schippe mehr Power draufgelegt. Weil wegen Verachtung und so. Ein äußerst gelungenes Festival, ein 30-Stunden-Ritt nahezu ohne Schlaf – there’s a Heavy Metal story to tell!


VISIGOTH



Fotos von Florian Hille

 

BOOZE CONTROLBOOZE CONTROL


Die ersten Einkäufe sind bereits an der Garderobe abgegeben, da eröffnen BOOZE CONTROL das Fest. Es ist mittlerweile schon Tradition, dass ein amtlicher Hallo-wach-Hammer zu Beginn spielt. BOOZE CONTROL knüpfen in Sachen Energie, Rotzigkeit und Arschtrittfaktor durchaus an frühere Opener wie SPACE CHASER, BLACKSLASH oder STALLION an. Die Braunschweiger zocken eine Mischung aus NWoBHM, MOTÖRHEAD und frühen IRON MAIDEN, und zwar auf eine angenehm ungestüme und schnörkellose Art. Gerade denke ich noch, dass mich manche der Gitarrenharmonien etwas an WARLORD erinnern, da covern BOOZE CONTROL auch schon selbige Truppe in einer gelungenen Version von „Child Of The Damned“. Falls der Bandname heute übrigens als Tagesmotto geplant war, dann ist dieses Motto grandios gescheitert: Gefühlt hat jede*r Anwesende einen Humpen in der Hand und am Ende des Tages sind wirklich unzählige Alkleichen zu zählen. BOOZE CONTROL überzeugen mich auf ganzer Linie und so ernte ich flugs deren „Lizard Rider“-Album ab, welches hiermit auch warm empfohlen sei.


BOOZE CONTROLMYSTIK

MYSTIKMYSTIK
  

Malebacked Heavy Metal aus Schweden steht nun auf dem Programm. Das einzige männliche Mitglied sitzt nämlich am Schlagzeug, und so sollte es doch in einer gerechten Welt viel häufiger sein. MYSTIK erfreuen mit totaler Metal-Optik und einer Mucke, die mich an schnellere ACID erinnert. Julia von Krusenstjerna und Co. haben erst ein Demo-Tape draußen (super!) und existieren seit 2016, können also noch nicht allzu viele Shows gespielt haben. Man merkt den Schwed*innen an, dass sie mit der großen Bühne noch etwas überfordert sind. Alle drei Frontfrauen halten sich bewegungstechnisch sehr zurück, kommunizieren in den etwas zu langen Pausen auch kaum mit dem Publikum. Das sei ihnen aber angesichts der noch jungen Bandexistenz verziehen, denn wer so feine Heavy/Speed Metal-Songperlen wie „Ancient Majesty“, „Nightmares“ oder „Mystik“ kreiert, der hat erst mal einen gut. Bin auf einen Longplayer der Band gespannt!  


MYSTIKMYSTIK


CRYSTAL VIPERCRYSTAL VIPER
 

CRYSTAL VIPER gehören zu den Bands, die ich live immer wieder gerne sehe, die mich aber vom Songwriting her nicht so umhauen, dass ich mir eine Platte von ihnen kaufen müsste. Der Auftritt heute fällt besonders überzeugend aus. Gerade nach der etwas statischen Performance von MYSTIK macht es Spaß, der pausenlos umherwirbelnden Marta Gabriel zuzusehen. Wobei alle Bandmitglieder energisch agieren und an ihre Instrumente in die Luft reißen (ja, ja, bis auf den Schlagzeuger). Auch stimmlich ist Marta souverän, ihre Stimme schneidet sich mühelos durch meine Ohrproppen und hinterlässt so ein beglückendes Bimmeln. Spätestens mit der superben Version von AGENT STEELs „Agents Of Steel“ zwingen CRYSTAL VIPER die letzten Zweifler*innen auf die Knie. Hm, vielleicht sollte ich doch mal in die Alben reinhören…?


CRYSTAL VIPERCRYSTAL VIPER
 


EMERALD



Es begab sich Mitte der Achtziger, dass ich als junge Schüttelrübe das EMERALD-Debut „Down Town“ für wenig Kohle abernten konnte – weil es bei WOM als Cut-Out in einer Grabbelkiste verramscht wurde. Im Nachhinein unglaublich. Da meine Plattensammlung damals noch vergleichsweise überschaubar war, rotierte das Biest unzählige Male auf meinem Dreher. Umso bitterer für mich, dass ich die Niederländer 2010 auf dem KEEP IT TRUE wegen eigener Bandaktivitäten nicht sehen konnte (natürlich bin ich damals noch nachts nach unserem Gig mit dem Zug nach Lauda-Königshofen gedonnert, um den zweiten Tag mitzunehmen). Aber manchmal bekommt man eine zweite Chance. EMERALD, boah! Wir haben das Glück, eine Band sehen zu können, deren Fähigkeiten sich locker auf Profilevel bewegen, die aber selten die Chance für so ‘nen Abriss bekommen, somit vor Spielbock fast platzen. Voller Power und Glorie wuchten EMERALD alte und neue Kracher in die Posthalle. Bert Kivits ist richtig geil bei Stimme und singt sowohl in mittleren als auch hohen, nein höchsten Lagen äußerst kraftvoll. 32 Jahre (!) nach dem oben erwähnten 85er Debut haben die Haudegen jetzt ihr zweites Album veröffentlicht. „Voice For The Silent“ ist ein Killer geworden, auf Metal On Metal erschienen und mit Jowita-Kaminska-Cover versehen. Artwork und Texte beziehen sich auf häusliche Gewalt, ein Thema, welches viel zu selten im Fokus steht. Die Band räumt auf ganzer Linie ab, Kivits springt in den Fotograben und schmettert dem kochenden Mob Perlen wie „Iron On Iron“, „Johnny’s On The Run“ oder „Mechanical Wars“ in die Fratzen. Geil!


VISIGOTHVISIGOTH
 

Nur wenige Bands könnten auf einen derartigen Adrenalinrausch noch einen draufsetzen. VISIGOTH gehören dazu. Auf dem letztjährigen KIT hatten sie bereits begeistert und gehörten zu den Überraschungssiegern, heute singen bereits viele bereits die Songs mit. Das gilt sogar für die Stücke des gerade erst erschienen „Conquerer’s Oath“. VISIGOTH haben eben gleich mehrere Stärken: Dazu zählt die Eingängigkeit ihrer Songs, „Steel And Silver“ etwa kann man im Grunde beim ersten Mal mitsingen, dazu zählt aber auch Jake Rogers, der eine derartige Präsenz besitzt, dass ein Ruck durchs Publikum geht und sich Hunderte Fäuste heben. Der Kerl scheint um sein Leben zu singen. Wobei alle Bandmitglieder grandios und blitzsauber abliefern. „Dungeon Master“, „Steel And Silver“, „Warrior Queen“, „Outlive Them All“, “Traitor’s Gate”, “Blades In The Night”, “The Conqueror’s Oath”, “Mammoth Rider” und “The Revenant King” heißen die Stationen dieses quicklebendigen Höllenritts. Wie bei fast allen Bands heute übrigens bei glasklarem Sound. Ich bin geflasht und freue mich schon aufs nächste Mal auf’m HELL OVER HAMMABURG.


VISIGOTHVISIGOTH
 

AIR RAIDAIR RAID


Mit dem wievielten Sänger sehe ich AIR RAID heute eigentlich? Am besten fand ich, glaube ich, den Kerl, der auf „Night Of The Axe“ gesungen hat. Aber „Across The Line“ ist auch wieder ein gelungenes Album und mit Neusänger Fredrik Werner können sich die Schweden hören und sehen lassen. Ich habe ja eine Schwäche für den early YNGWIE MALMSTEEN-Touch, den AIR RAID in ihre schön zwischen Hardrock und Heavy Metal ausbalancierte Mische einweben. Die Posen der Saitenfraktion sitzen ebenso wie die Refrains von „Midnight Burner“, „Aiming For The Sky“, „A Blade In The Dark“, „Night Of The Axe“, „Line Of Danger“ oder „Hold The Flame“. Das läuft alles gut rein, ist astrein gespielt und unterhaltsam dargeboten. Fazit: Von AIR RAID werde ich auch die nächsten Alben kaufen.


AIR RAIDAIR RAID 

PICTUREPICTURE


Für PICTURE gilt im Grunde dasselbe wie für EMERALD – altgediente Recken, die hart Bock haben! Nur dass diese Niederländer aus einem richtig feisten Fundus schöpfen können (acht Alben). In der Urbesetzung gibbet „40 Jahre Heavy Metal Ears“ auf die Glocke. Wie schon auf dem Headbangers Open Air 2017 knien sich PICTURE richtig rein und zelebrieren ihre Songs voller Charme. In der Setlist befinden sich Songs, die es mit der Qualität großer Metalklassiker aufnehmen können, zum Beispiel „Eternal Dark“, „Heavy Metal Ears“, „Diamond Dreamer“, „Unemployed“ oder „Lady Lightning“. Und das Publikum zieht ordentlich mit! Ich bin selbst erstaunt, wie fit ich bin, aber wenn eine gute Band nach der anderen spielt, kommt erst gar keine Müdigkeit auf. Ronald van Prooijen besitzt offenbar rostfreie Stimmbänder aus Stahl, an denen der Zahn der Zeit vergeblich nagt. Das war jetzt schön zu sehen, dass die Underground Old School Helden aus den Achtzigern EMERALD und PICTURE von der Qualität und auch von der Rezeption her mit den jungen Wilden von VISIGOTH oder AIR RAID mithalten konnten.


PICTUREPICTURE
 

AT WARAT WAR


Bei AT WAR stellen sich dann aber doch Ermüdungszustände ein. Nach vier derart geilen und vitalen Bands wirken die Thrasher zu stumpf. Ich besitze zwar sowohl die 80er Werke „Ordered To Kill“ und „Retaliatory Strike“ als auch das 2090er Comebackalbum „Infidel“, aber heute holen mich AT WAR nicht richtig ab. Ruppig und rabiat hobelt das Trio seine Stücke runter und könnte somit eigentlich für musikalische Abwechslung sorgen. Es spricht wohl für die Qualität des restlichen Billings, dass die Amis jedoch nicht mithalten können. Ich muss auch sagen, dass ich Texte und Attitüde nicht sonderlich sympathisch finde. Ist halt ziemliches Macho-/Militär-Gewichse, wenn man mal einen näheren Blick auf „Rapechase“, „Eat Lead“ oder „Ordered To Kill“ wirft. Ist sicherlich nicht mit dem Fanatismus bestimmter NSBM-Wirrköpfe gleichzusetzen, aber schockt halt auch nicht. Das MOTÖRHEAD-Cover „The Hammer“ gelingt AT WAR allerdings tadellos.

AT WAR

 

TITAN FORCETITAN FORCE


Eigentlich dürfte ich nicht überrascht sein, habe ich TITAN FORCE doch auf der legendären Tour mit ANVIL 1993 und auf dem KEEP IT TRUE XVIII gesehen. Und dennoch klappt mein Unterkiefer wiederholt nach unten! Bei wirklich exzellentem Sound zaubern TITAN FORCE mit trippigen Gitarren und Gänsehautmelodien. Harry Conklin beweist einmal mehr, dass er zu den besten Metalsängern überhaupt gehört. Fast möchte ich sagen, dass ich ihn noch nie SO GUT erlebt habe. Beeindruckend auch, mit welcher Leichtigkeit der Tyrant singt. Es erscheint selbst bei schwierigsten Passagen nie gepresst. Auch die Körpersprache und die Mimik Harrys unterstreichen: Der Kerl hat die Zeit seines Lebens, grinst entweder übers ganze Gesicht oder zieht alberne Grimassen, während er einen entspannten Heavy Metal Ausdruckstanz vollzieht. Unglaublich auch, was die Gitarristen abziehen. Und für zwei Alben können TITAN FORCE auch auf erstaunlich viele „Hits“ verweisen, es seien allein „New Age Rebels“, „Eyes Of The Young“, „Winner / Loser“, „Chase Your Dreams“ und „Fields Of Valor“ genannt. Und an DIO/BLACK SABBATH haben sich schon viele Bands bzw. Sänger versucht, aber die beiden heute dargebotenen Versionen von „Falling Off The Edge Of The World“ und „Over And Over“ kommen in schlicht sensationell zu nennender Qualität. Woah! Ein Kollege sagt danach zu mir: „Wir haben gerade einen der besten fünf lebenden Heavy Metal-Sänger gesehen!“


TITAN FORCETITAN FORCE
 

Die Aftershowparty macht auch noch Laune, endet aber viel zu früh, sodass wir noch ein paar Stunden in der Kälte überrücken müssen. Als wir dann im Zug sitzen und endlich pennen wollen, steigt eine Station weiter eine Gruppe betagter Damen ein, setzt sich original neben uns und beginnt Sekt zu trinken. Schlaf ist nach wenigen Minuten unmöglich, aber die Ladys sind nett, beziehen uns in ihr Gespräch mit ein und bieten uns Schoki und Getränke an. Onward to METAL ASSAULT MAYHEM 2019!

Kommentare   

+1 #1 Philipp 2018-03-08 14:11
Mehr Bilder von Hille in der Galerie:

http://www.dremufuestias.de/index.php?view=category&catid=636&option=com_joomgallery&Itemid=191

Danke, Hille!
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