HELL OVER HAMMABURG V / 04.03.2017 – Hamburg, Markthalle & Marx. Tag 2

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Der zweite Tag ist eine ungleich größere Ansage, spielen heute doch sage und schreibe elf Bands, allerdings nicht wie gestern alle schön nacheinander in der großen Halle, sondern im Wechsel und zum Teil mit starken Überlappungen oder sogar völlig parallel im Marx und in der Markthalle. Sowas überfordert mich immer etwas, wie überhaupt alle Festivals mit mehr als einer Bühne. In den guten, alten Monsters-Of-Rock-Zeiten konntest du noch Biertrinken und Menschen kennenlernen zwischen den Bands und hast trotzdem nichts verpasst (außer wenn man sich sehr gut kennengelernt hat), jetzt hast du immer das Gefühl im Hinterkopf, gerade etwas zu versäumen, hetzt von einer Halle zur anderen und kommst vielleicht wegen Überfüllung nicht mehr hinein, haha. Okay, letztendlich hab ich trotzdem Bier getrunken und mit Leuten gelabert – Multitasking macht's möglich! Und erstaunlicherweise klappt es mit dem Marx dieses Jahr recht gut. Ich hätte zum Beispiel gedacht, dass ich nach DOOL keine Chance mehr habe, noch einen Platz bei VULTURE zu ergattern. Tatsächlich muss ich nicht mal anstehen und stehe wenig später direkt neben der Bühne. Aber der Reihe nach:

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Bilder von Jan ML. SLAEGT-Pics von Rüdiger Abend.




DOOL haben mich schnell im Sack. Tatsächlich ergreift mich bereits beim ersten Song eine feiste Gänsehaut. Denn wie fragil die drei Gitarren sich hier aufbauen und packende Harmonien übereinander schachteln, das ist schon ganz große Kunst. Natürlich gibt es immer mal wieder einen Deja-Vu-Effekt und der Gedanke an THE DEVIL'S BLOOD ist nicht von der Hand zu weisen, schließlich zockt deren Rhythmusfraktion Micha Haring (Schlagzeug) und Job van de Zande (Bass) bei DOOL und einige Grooves erinnern an die legendäre Band.

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Dennoch stehen DOOL keineswegs im Schatten von TDB, im direkten Vergleich sind sie weniger verspielt, dafür teilweise catchy, aber gleichzeitig düster und schwermütig. Mit Ryanne Van Dorst punkten die Niederländer (DOOL ist Holländisch und heißt übrigens so viel wie „Herumwandern ohne Ziel“) mit einer Bühnenpersönlichkeit, deren Stimme berührt. Das Publikum honoriert die Darbietung immer wieder mit Szenenapplaus und nach jedem Song mit einem euphorischen Kollektivgrunzer. Aus dieser Band könnte was Großes werden, das Debut „Here Now, There Then“ (was für ein Titel!) hält den hohen Erwartungen jedenfalls locker stand und der Auftritt unterstreicht das zusätzlich.
 

Schnell rüber zu VULTURE, die ich gerade erst vor zwei Wochen auf dem METAL ASSAULT gesehen habe. Dort empfand ich sie als etwas mächtiger, obwohl so ein durchgedrehter Speed Metal ja im Grunde perfekt auf kleine Bühnen wie die des Marx passt. Nach ein paar Stücken bin ich aber im Groove und bange mit. VULTURE dreschen wieder heftig auf „Rapid Fire“ ein, was nicht jedem Old Schooler schmeckt, so räudig wie diese Version ist. Dafür wird „Metal Militia“ von der ganzen Hütte gefeiert – in der VULTURE-Version klingt das Ding eher nach EXODUS als nach METALLICA, hier passt der hysterische Gesang wie Arsch auf Gesicht. Ich finde es cool, dass VULTURE nicht dieselbe Setlist wie in Würzburg zocken, wo es statt „Metal Militia“ den DARK-ANGEL-Hammer „We Have Arrived“ zwischen die Augen gab. Ach ja, bei all dem Covergefasel sollte nicht vergessen werden, dass die bandeigenen Songs total killen. Victim to the blade!

 
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QRIXKUOR (gut, dass ich diesen Artikel schreibe und nicht vorlesen muss!) gehören zu den Bands, die ich nur ausschnittweise mitbekomme. Optisch sieht das aus wie bei UADA gestern – blaues Licht, Kapuzen, Masken. Aber diese UK-Brutalos können qualitativ nicht mithalten. Black Metal muss gewiss nicht immer ultratight sein, aber der monotone und zum Teil unsicher vorgetragene Krächzgesang hat nicht die nötige Power.
 


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Interessanter wirken da zunächst YEAR OF THE COBRA, ein Stoner/Doom-Duo aus Seattle, das sich ausschließlich auf Drums, Gesang und Bass verlässt. Mit abgepfiffenen Effekten auf dem Bass erwischt die Band einen ganz geilen Start. Doch auf Dauer fehlt hier der Punch und auch die Gesangslinien packen mich nicht.

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In Erinnerung beinhalte ich auf der anderen Seite einen hohen Sympathiefaktor, ohne dass ich den an etwas anderem als dem entwaffnenden Lächeln von Amy Tung Barrysmith festmachen könnte.



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Nun kann ich eine gewisse Aufregung nicht verhehlen, habe ich DARK FOREST doch mit ihrem vierten Album „Beyond The Veil“ in mein Herz geschlossen. Was für eine geile Mischung! Hier treffen folkige THIN-LIZZY-Harmonien auf NWOBHM-Einflüsse und US-Metal-Arrangements (SLOUGH FEG!). Ohne Intro-Gedöns vom Band geht es gleich mit dem Doppel „Ellylldan“/“Blackthorn“ in die Vollen – die Doppel-Lead-Gitarren singen geradezu. Die Basis steht vor der Bühne und reckt begeistert die Fäuste, als DARK FOREST mit „On The Edge Of Twilight“, „The Batlle Of Badon Hill“ und „Where The Arrow Falls“ weitere, leicht kauzige Underground-Hymnen auspacken. Es macht unfasslich viel Spaß, der Band zuzusehen, die allerdings ihre Möglichkeiten live noch nicht voll ausschöpft: Josh Winnard hat eine tolle Stimme, agiert aber auf der Bühne recht zurückhaltend.

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Überhaupt könnten DARK FOREST mehr zupacken. Aber unter uns: Ich freue mich total darüber, die Band noch in diesem frühen Stadium zu sehen, in der sie offenbar noch nicht aus abgebrühten Bühnenprofis besteht, sondern eine gewisse Schüchternheit ausstrahlt. Und wer Stücke wie „Sons Of England“, „Autumn’s Crown“ (Hit!) oder „Under The Greenwood Tree“ zu komponieren vermag, die alle episch, aber noch diesseits der Kitschgrenze liegen, der ist sich meiner Liebe sicher. Kleiner Schock im Gespräch danach, als ich meine Begeisterung einem sonst eigentlich recht geschmackssicheren Kollegen mitteile, der mich mit der Replik „Ich stehe nicht auf Mittelalter-Metal“ sprachlos zurücklässt. WTF?
 



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Zum Runterkommen etwas Doom? Hört sich gut an. Die Beschreibung und der Bandname sowie das Artwork mit Comicgruselflair von LASER DRACUL klangen allerdings spannender, als die Band letztlich abliefert. Iommi-Worshipping geht natürlich immer, aber die Schweden finden nicht so richtig in den Spielfluss. Ihr Ansatz, SABBATH mit extremeren Vocals im Sinne einer dreckigeren und aggressiveren Stimme als good old Ozzy) zu verknüpfen, ist darüber hinaus natürlich auch nicht mehr sonderlich originell.

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Später sollen LASER DRACUL zu einem fluffigeren Spiel gefunden haben, sodass die ersten Stücke möglicherweise noch unter einer gewissen Verkrampfung gelitten haben mögen, aber da bin ich schon wieder entfleucht.

 
SORTILEGIA sorgen für gespaltene Meinungen. Und zwar allein durch die Tatsache, dass die Band auf die komplette Lichtanlage der Markthalle verzichtet und lediglich bei Kerzenlicht zockt, wodurch die Musiker auf der Bühne komplett im Dunkel verschwinden. Darüber erregen sich einige Besucher*innen noch Stunden später – ich finde diese Art der Entindividualisierung eigentlich ganz cool anti. Muss mensch erst mal bringen, sich derart zu verweigern. Möglicherweise bin ich aber auch gerade voll am Überinterpretieren und SORTILEGA sind in Wirklichkeit total davon überzeugt, dass ihr Satansquatsch nur im Dunkeln funktioniert… Musikalisch handelt es sich um typisch rituellen Black Metal, der an mir heute komplett vorbeirauscht. Vielleicht haben UADA in dem Bereich jegliches Verlangen befriedigt…



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Bei HIGH SPIRITS stimmt heute einfach alles. Der MOTIVATOR hebt ab und durchbricht die Schallmauer. Was für eine Stimmung! Der Mob singt jeden Song begeistert mit und erreicht bei „Another Night In The City“ und „High Spirits“ unfassliche Dezibelzahlen. Noch Stunden nach dem Auftritt erheben sich immer wieder Chöre mit dem Refrain – „Hiiiiiigh Spirits – Hiiiiiiiiiigh Spirits!“ Chris Black und seine Jungs haben ja schon so manche Ballnacht veredelt, aber mittlerweile haben sie noch die letzten kleinen Stellschrauben justiert.

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Das rollt und rockt so tight, wie es nur geht, Chris ist als Sänger noch souveräner geworden, auf der Bühne herrscht ordentlich Action (Bassist Bob Scott fliegt nur so durch die Luft) und sogar an die Bühnenklamotten (alle Bandmitglieder tragen weiße Hosen und schwarze Shirts) habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Es gibt kaum Pausen zwischen den Songs – wenn eine Ansage kommt, dann ist die kurz und knackig und auf den Punkt formuliert. Totale Upbeat-Gute-Laune-Attacke, der einfach niemand widerstehen kann! Die Setlist unterstreicht, dass alle bisherigen Alben jeweils mehrere Überhits abgeworfen haben (ja, auch „You Are Here“, ich sage nur: „When The Lights Go Down“).

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Da die letzte Band im Marx, KHTHONIIK VERVIIKS zeitgleich mit HIGH SPRITS gespielt hat (was übrigens schade ist, scheint ganz geiler, von VOIVOD beeinflusster Death/Thrash zu sein), tritt jetzt zum ersten Mal eine Pause ein, welche ganz gut tut. Ich verlängere das Ding glatt etwas und schaue nur kurz bei MISTHYRMING rein. Die Isländer kommen kraftvoll und erinnern mich leicht an BEHEMOTH, allerdings klingt ihr Sound etwas unterkühlt und erreicht mich persönlich nicht wirklich.

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Optisch beeindruckend – zerfetzte Klamotten, Körper und Gesichter mit Dreck, Rotze, Blut und Kot beschmiert – sind die Isländer aber definitiv. Einer der Typen stellt sich uns später aufs Höflichste in der Raucherecke vor, ein sanfter Riese, der den Namen Magnus Thor Magnussen trägt, herrlich.



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SLAEGT sind mir bis jetzt vollständig unbekannt, reißen mich aber auf Anhieb mit. Das Tempo ist durchgehend hock und die Band ackert sich konstant headbangend durch ihr Set. Stilistisch sind SLAEGT schwer zu greifen, ihre Ursprünge liegen wohl im Black Metal, der sich aber mittlerweile nur noch als rudimentärer Einfluss niederschlägt, und mittlerweile in thrashigen Heavy Metal transformiert wurde. Konsequenter bezeichnen die jungen Dänen ihren Stil selbst als Black Heavy Metal. Obwohl die Gitarren permanent rattern und der Schlagzeuger hart auf die Doublebass kickt, schälen sich aus jedem Song hochmelodische Strukturen. Beindruckend ist das hohe Energielevel, welches die ganze Zeit über gehalten wird. Tipp!



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Hoppla, schon kommt mit ANGEL WITCH die letzte Band auf die Bühne. Das Publikum hat auch nach einem ganzen Tag voller Lärm Bock auf die NWOBHM-Legende. Und ANGEL WITCH legen einen sehr guten Auftritt hin. Etwas druckvoller und energischer als zuletzt, bietet die Band eine würdige 2017er Version ihres Sounds. Immerhin drei Stücke des 2012er Albums „As Above, So Below“ finden den Weg in die Setlist, nämlich „Into The Dark“, „Dead Sea Scrolls“ und „Guillotine“, ansonsten hagelt es Klassiker wie „Gorgon“, „Confused“, „White Witch“, „Extermination Day“, „Angel Of Death“ oder „Baphomet“.

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Kevin Heybourne ist gut bei Stimme, die ganze Band top eingespielt. So steuert alles auf den Höhepunkt jedes ANGEL WITCH-Konzertes zu – den Song mit dem Bandnamen als Titel, dem Opus Eponymous. „You’re an Angel Witch, you’re an Angel Witch“, dazu dieses Riff = derber Klassiker, und man fragt sich mal wieder, was für eine Inspiration die Band damals 1980 (!) zu ihrem Debutalbum und zu ihrem Sound hat finden lassen. Würdiger Abschluss!

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Fazit: Ein rundum gelungenes Festival mit einer abwechslungsreichen Mischung aus Bands, übrigens bei durchweg überdurchschnittlichem Sound! Mit den Worten „Enthroned In Clouds Of Fire Trance Of Death The Sleeping Tyrant Madame Psychosis Evil Like A Knife!” entlassen uns die Veranstalter in ein fröhliches Ratespiel darüber, welche Bands bereits für 2018 bestätigt sind.

Kommentare   

0 #1 Philipp 2017-04-23 12:05
Jetzt mit Fotos von Jan. Geil!
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