ENTOMBED A.D., VOIVOD, LORD DYING, MORBID EVILS / 21.11.2016 – Hamburg, Markthalle
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Donnerstag, 01. Dezember 2016 18:10
- Geschrieben von Philipp Wolter
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Skandalöserweise ist es auch schon wieder sechs Jahre her, dass ich VOIVOD zum letzten Mal live gesehen habe. Die beiden Gastspiele im Hafenklang habe ich irgendwie nicht sehen können. Somit durfte ich mir diese erneute Chance nicht entgehen lassen, zumal das Tourbilling sehr stark schien. Zwei bekannte Bands und zwei, die es zu entdecken gilt – mag ich.
Fotos von Jan ML
Egal wie sehr wir uns beeilen (zwischen Knüppeln und Abfahrt ist grad mal Umziehen und eine Stulle auffen Weg drin) – es ist unmöglich, vor Beginn der ersten Band da zu sein. Immerhin haben MORBID EVILS jedoch erst begonnen und wir sehen im Gegensatz zu einem Großteil der Besucher*innen immerhin überhaupt etwas von der Band.
Ich hatte vorher nur gehört, dass Keijo Niinimaa von ROTTEN SOUND die Band gegründet hat und die bei Svart was veröffentlicht haben. Das weckt natürlich beides mein Interesse. MORBID EVILS klingen völlig anders als ROTTEN SOUND, nämlich doomig und sludgig. Die Drums klatschen schön langsam Dellen in die Gesichter der Anwesenden, die Riffs kriechen förmlich aus der P.A. und scheinen einen Pesthauch vor sich her zu treiben. Keijo growlt dazu passend, vergisst aber auch nicht, ab und zu Laute von sich zu geben, die klingen, als wenn ihm gerade jemand mit einem rostigen Messer die Kehle durchschneidet. Auf ihrer Facebook-Seite erklären die Finnen: „We have a desolate worldview, and our aim is to create soundscapes that suck the listener into fiery sewers in which there is no hope for a future." Joah, dieses Ziel ist schon mal erreicht.
Auch LORD DYING kenne ich bisher lediglich vom Namen her. Darüber bin ich nach wenigen Stücken richtig erstaunt, denn die Band ist voll mein Ding!
Ab und zu werden LORD DYING in Reviews oder Ankündigungen stilistisch in die Stoner-/Sludge-Ecke gestellt, was eher irreführend ist. Tatsächlich klingen sie ziemlich eigenständig und ein klarer Stil ist nicht zu greifen. Vielleicht könnte man sie als thrashigere Version von KYLESA bezeichnen. Jedenfalls sind LORD DYING verdammt heavy, fahren übelst mitreißende Grooves und der kehlige Gesang hat was geil Gequältes im Sinne von Kirk Windstein.
Der Sound in der Markthalle ist heute okay und bringt die Qualitäten der Portlandfreaks zur Geltung. Es ist immer noch sehr überschaubar in der Markthalle, aber nahezu alle Anwesenden wenden sich interessiert der Bühne zu und beginnen nach wenigen Takten zu bangen. Gut!
Und dann nehmen uns VOIVOD mit auf eine Reise, deren Intensität so manchen Fan der ersten Stunde überrascht! Los geht es gleich mit „Killing Technology“, einem meiner absoluten Lieblingssongs der SciFi-Metaller. Der Sound ist am Anfang noch etwas verwaschen, dennoch treten die Qualitäten der Musiker sofort hervor.
Daniel „Chewy“ Mongrain ist ein klasse Gitarrist, das weiß man seit den ersten Konzerten (für mich Wacken 2010) und spätestens seit der „Target Earth“. Doch mittlerweile ist der Nachfolger von Piggy (R.I.P.!) richtig tief ins Bandgefüge hineingewachsen und spielt die typisch dissonanten Tritoni-Akkorde mit viel Gefühl, Respekt und Können. Das Publikum rückt dicht zur Bühne auf und zeigt, wie laut 190 Leute sein können. Diese Euphorie steckt wiederum die Band an – Snake tänzelt grinsend und unter spackigen Moves über die Bühne. Diese Typen lieben, was sie tun, nehmen sich dabei aber nicht als den Mittelpunkt des Universums wahr.
Mit „Tribal Convictions“, „The Unknown Knows“, „Overreaction“, „Korgüll The Exterminator“ oder “Psychic Vacuum” können die Frankokanadier tief in den Klassikersack greifen. Doch es gibt auch echte Überraschungen wie das selten gezockte „The Lost Machine“ vom „Outer Limits“-Album. Und restlos begeistert lassen mich die neuen Songs „Fall“ und „Post Society“ zurück, welche alle Stärken der Band bündeln und auf den Punkt bringen. Ich pack mir danach selbst an den Kopp, dass ich die Serie von Split-7“s mit NAPALM DEATH, ENTOMBED A.D. und AT THE GATES bisher ignoriert hatte. Am Merch gibt es eine EP mit allen vier Songs plus dem HAWKWIND-Cover „Silver Machine“, welche ich gleich abernte.
Die erwähnten Singles bekommt man zum Glück auch noch ganz gut, das Ding mit ENTOMBED A.D. hab ich mittlerweile, kann ich nur empfehlen, ist von sensationeller Qualität. Letzteres gilt auch für das gesamte Konzert, das einfach den Flair des Besonderen versprüht. VOIVOD lassen sich zurück auf die Bühne brüllen und krönen die Setlist mit dem raspelnden Überhit „Voivod“.
Der Abend steckt voller Überraschungen. Ich hatte ehrlich gesagt nicht so viel von ENTOMBED A.D. erwartet, fand ich doch die beiden bisherigen Alben höchstens mittelmäßig. Zudem sind ja Nicke Andersson, Uffe Cederlund und Alex Hellid gerade wieder mit ENTOMBED zurück, von denen ich mir ein Album mit dem Esprit der Anfangstage erhoffe. Aber man sollte nie die Wirkung eines gut gelaunten L.G. Petrov unterschätzen. Denn die ist ansteckend.
Der Typ hat es drauf, mit dem Publikum zu kommunizieren, stapft wie ein aufs Headbangen dressierter Tanzbär über die Bühne und röhrt die Klassiker angenehm asozial heraus. Und davon gibt es mit „Stranger Aeons“, „Eyemaster“, „Living Dead“, „Out Of Hand“, „Revel In Flesh“ (argh!), „Wolverine Blues“ und natürlich „Left Hand Path“ (uff!) so einige. Der Sound ist recht fett, die Band gut eingespielt. Ich mag ja die ersten beiden ENTOMBED-Alben am liebsten, von den späteren Sachen sticht meiner Meinung nach die „Morning Star“-LP (2001) positiv heraus. Und genau von der gibt’s den Knaller „Chief Rebel Angel“ – coole Wahl. Ein weitere clevere Setlist-Entscheidung ist das Roky-Erickson-Cover „Night Of The Vampire“. Starker Auftritt!
Danach lungern viele Bekannte im Foyer rum und halten begeistert Smalltalk. Ein Kollege ist gar mit einer ausschließlich dem VOIVOD-Thema gewidmeten Kutte da. Patches aus allen Phasen der Band sind auf dem Biest zu bestaunen. Michel „Away“ Langevin steht entspannt lächelnd auch dazwischen und lässt sich weder von Autogrammwünschen noch Fotoattacken aus der Ruhe bringen. Rrröööaaarrr!
Kommentare
Gut, dass man sich nochmal "zurücklesen" kann.
Rest Easy L.G.!
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