EMPIRESFALL, WARLUST, WARHAMMER, RAYDER / 08.10.2016 – Hamburg, Punkbar im Gängeviertel

1 Dislike0

Klemsen hat es unlängst hier in einem Konzertbericht auf den Punkt gebracht: Die beste Aktivität, welche die Menschheit jemals erfunden hat, ist der Konzertbesuch: „Du gehst in eine dunkle Halle, aus den Boxen kommt superlauter infernalischer Krach, es gibt so richtig was auf die Ohren und du kannst deine Rübe schütteln.“ Aber ganz genau! Doch wo, an welchen Orten, kann mensch diesem Genuss am intensivsten frönen? Natürlich in einem ranzigen autonomen Zentrum voller euphorischer Headbanger! Die Punkbar im Gängeviertel kennt keine kapitalistische Verwertungslogik – du zahlst, was du willst, kannst oder was es dir wert ist. Das gilt für Kasse und Tresen. Das Schöne: Das Prinzip funktioniert, Veranstalter Hannes kann nach dieser infernalischen Sause verkünden, den Abend mit Plus/Minus Null abhaken zu können. TRIUMPH OF DEATH!


WARHAMMER




Nach der erbaulichen Zugfahrt (wir hatten diesen geilen Schaffner, der zu jeder Station seine Ansage singt. „Ausstieg in Fahrtrichtung reeeechts!“) kommen wir pünktlich im Gängeviertel an und begrüßen die ersten Bekannten durch die üblichen Rituale wie Stirnlecken, Lästern über Dritte oder den Erfahrungsabgleich der letzten Konzerte (Y&T, EVIL INVADERS/SKULL FIST…).


Früh beginnen RAYDER, die ich beim PROTECTOR-Konzi leider verpasst hatte. Aber heute ist meine zweite Chance und ich sach mal gleich, dass sämtliche potenziellen TWYX-Kalauer für’n Arsch sind, denn RAYDER liefern ab! 80er Speed Metal läuft durch die Lauscher wie Kaffee durch die Kehlen eines Lehrerkollegiums – schnell und genussvoll. Anfänglich schwächelt der Sound noch, denn fiese Feedbacks schmerzen besonders beim Gesang, doch der unermüdliche Mischer gibt und gibt nicht auf, sodass es im letzten Drittel des Sets sogar recht fett klingt. Besonders hervorzuheben ist das LIVING DEATH-Cover „Heavy Metal Hurricane“. Besser haben LIVING DEATH themself das Ding in den Achtzigern auch nicht gezockt, bei der KIT-Reunion definitiv deutlich schlechter. Besonders der Gesang von Warp Michi klingt verblüffend nach dem jungen Toto. Beim nächsten Mal bitte auch noch „You And Me“ covern!


„Wat, wir sollen als letztes spielen? Sowat ham wir noch nie gemacht und damit fangen wir heute auch nicht an!“ So soll die Reaktion von Volker „Iron Lung“ Frerich gelautet haben, als Hannes diesbezüglich fragte. Also donnern WARHAMMER bereits als zweite Band durch die Druckerei, wie die Punkbar auch genannt wird. Die Band ist ja ein Phänomen. Seit 22 Jahren sind sie auf den Spuren des originalen HELLHAMMER-Sounds, haben dabei auf ihren fünf Alben und diversen Splits & Singles deutlich mehr Stoff veröffentlicht als die Schweizer Legende. Und sie haben massive Hits geschrieben, die dir so brutal das Hirn zerschroten! Hemmungslos wird diese Hitkiste geplündert und so propellern Dutzende von Rüben zu „Remorseless Wargrinder“, „Hell Is Open“, „Strike Of The Infernal Adversary“ oder „Total Maniac“. Frerich hält dabei immer wieder das Mikro zu den eingehärteten Refrains in den Mob, welcher die Chance des Mitbölkens nur zu willig ergreift. Auch ein neuer Song namens "Bestial Torment" wird vorgestellt, dessen Tital ein Typ neben mir grinsend mit den Worten "möglichst zwei böse Wörter aneinanderreihen!" kommentiert. Immer wieder walzen lavaartige Doom-Passagen alles platt, zu HELLHAMMER als Einfluss müssen unbedingt auch POISON, VENOM, frühe BATHORY, generell Neandertal-Metal und eine große Prise Anarchie & Punk gezählt werden. Letzteres bestätigt sich nachdrücklich im GG ALLIN-Cover „Bite It, You Scum“, zu dem der Pöbel endgültig die guten Sitten fallen lässt und bierspritzend durch die Punkbar randaliert. Ein völlig rücksichtsloser und vehementer Auftritt. HEAVY METAL! Eeeee!


Gar nicht auf der Kette hatte ich WARLUST. Umso größer die Überraschung, dass hier ein regelrecht fanatisch zu nennendes Geprügel durch die Punkbar rauscht, eine Mischung Black, Thrash und Death Metal. Viele Metalbands klingen ja oft etwas sauber und ordentlich, aber WARLUST schaffen es tatsächlich, den rohen Charme früher KREATOR, DARKTHRONE oder POSSESSED einzufangen. Der Schlagzeuger gibt konstant Gas, Gitarren und Bass sägen und das fiese Gebell klingt nach einsamer Kindheit im Keller, die sich jetzt in Hass auf die gesamte Menschheit entlädt. Bemerkenswert: Es ist kein Arsch nach WARHAMMER gegangen, die Stimmung bleibt auf sehr hohem Level. Auch WARLUST zeigen mit einer Coverversion, wo ihre Einflüsse liegen – bei SLAYER und „Black Magic“. Wo andere Bands das melodische Element dieses Songs (die Gitarrenmelodie!) betonen, hämmern WARLUST eine dichte und schwarze Version raus, wie ich sie selten so intensiv gehört habe. Einziger Dämpfer dieser überraschend coolen Show ist das GOSPEL OF THE HORNS-Shirt eines Bandmitglieds. Diese Australier haben sich durch fragwürdige Statements im besten Besorgte-Bürger-Stil ins Aus geschossen. Aber gut, das muss man auch erst mal wissen, ich selbst besitze einen GOTH-Tonträger. Titus spricht den betreffenden Musiker nach dem Auftritt an und der zeigt sich wohl recht reflektiert.


Leider kann ich von EMPIRESFALL nicht mehr viel berichten, da wir nach zwei Songs dat Etablissement verlassen, um unseren letzten Zug zu erwischen. Der erste Zug am Sonntag wär natürlich eine Alternative gewesen, aber nachts kommt gerade Schienenersatz auf die Fahrzeit druff und wir haben außerdem den Kanal mittlerweile auch ganz schön voll. Die zwei Stücke haben es aber in sich. Der Sound ist richtig gut und so zuckt der Old School Thrash der Hamburger effektiv ins Hirn. Sänger/Gitarrist Franky strahlt zudem ein gewisses Charisma aus, sodass ich mir die Band sicher wieder ansehen werde.



Die Rückfahrt verläuft dann trotz diverser Getränke, sinnentleerter Dialoge, durch Schienenersatzverkehr bedingten Aufenthalt in Neumünster, Holstein-Hools im Bus und dem ein oder anderen Powernap recht ereignisarm. Gut gelaunt ziehen wir somit das Resümeh: Geil, ey! Hannes, super Sache!

Stern inaktivStern inaktivStern inaktivStern inaktivStern inaktiv