IRON MAIDEN, GHOST, THE RAVEN AGE / 31.05.2016 – Berlin, Waldbühne

0 Dislike0

Wenn man über MAIDEN schreibt, kommt man nicht ohne Superlative aus. Befinden sich andere Bands dieser Größenordnung (oder mit ähnlich langer Bandhistorie) auf ihren jeweiligen Abschiedstourneen oder schänden durch fragwürdige Aktionen ihr eigenes Denkmal (TWISTED SISTER spielen für Trump, AC/DC… ach, hör uff!), so setzen Steve Harris und Co. eher weitere Rekorde und Höhepunkte obendrauf. Da fliegt der Sänger die bandeigene Boeing um die Welt (Dickinson: „Das Singen mach ich nur als Hobby – eigentlich bin ich Pilot“), das neue Album schafft in mindestens zehn Ländern die jeweilige Nr. 1 der Albumcharts, die Band tourt erstmals in China - und in Berlin gelingt es sogar noch, besorgte Eltern zu provozieren, welche Eddie mit irgendwelchen Warn-/Protestzetteln überkleben... Und welche andere Band, die Mitte der Siebziger gegründet wurde, kann es konstitutionell oder qualitativ mit den Eisernen Jungfrauen aufnehmen? Also ab nach Berlin zur Waldbühne, auch wenn MAIDEN dieses Jahr noch in Wacken spielen!


MAIDEN


Bilder von Jan ML




Es ist schon etwas unheimlich, wenn man direkt vor dem Haupteingang der Waldbühne steht. Denn der Schatten eines riesigen NS-Monumentes verdeutlicht, dass die 1933 – 1936 gebaute Freilichtbühne ganz im Zeichen der Nazi-Ästhetik steht. Aber drinnen kann man die ganzen Reliefs mit nackten Arierspackos vergessen, ist die Waldbühne doch nach antiken Idealen eines Amphitheaters erbaut worden. Das sieht schon ziemlich amtlich aus, wenn 22.000 Menschen die steil abfallenden Ränge füllen!


WaldbühneWaldbühne


Seit einiger Zeit ist es Tradition bei MAIDEN, dass mindestens eine Band den Supportpolt erhält, in der Kinder der Maidenmusiker spielen. THE RAVEN AGE sind keine Ausnahme, George Harris heißt einer der beiden Gitarristen und der Nachname ist kein Zufall. Die Musik ist belangloser 90er Jahre Melodic Metal mit stark getriggerten Drums. Aber die Freude über die Ankunft, sehr gute Plätze und kühle Biere in den Pranken könnte durch noch viel schlechtere Musik nicht getrübt werden.


GHOST



Ein ganz anderer Schnack sind natürlich GHOST. Auch wenn die Schweden bei strahlendem Sonnenschein auftreten, ist ihre Bühne geschmackvoll dekoriert. Die sakralen Motive erzielen in Kombination mit den Masken der Nameless Ghouls und Papas Mütze die typische GHOST-Atmophäre, der Sound kommt monströs. Da recken sich doch etliche Köpfe gen Bühne, denn auch beim ersten Hörkontakt machen Stücke wie „Spirit“, „From The Pinnacle To The Pit“, „Ritual“ oder „Prime Mover“ Eindruck. Jede Geste sitzt – GHOST beherrschen also auch die ganz großen Bühnen. Wie viel Liebe zum Detail bereits in der optischen Präsentation steckt, zeigt sich, als Papa seine Kostümierung in das von der letzten Tour bekannte reduzierte Erscheinungsbild umwandelt: Die weißen Handschuhe und die sparsam, aber äußerst effektiv eingesetzten Gesten sieht man sicherlich bis in die obersten Ränge. Von den versteckten musikalischen Details gar nicht zu reden. GHOST knüpfen hier an die große Kunst von Bands wie RUSH oder BLUE ÖYSTER CULT an, eingängige Songs mit technischen Schweinereien zu schreiben, die den melodischen Fluss nie beeinträchtigen. Die Band gewinnt hier und heute gewiss viele neue Anhänger_innen, auch wenn ein Ultra-MAIDEN-Hool hinter mir mit leidend-klagevoller Stimme immer lauter „MAIDEN!“ skandiert. Ruhig, Junge, die kommen doch gleich.


Setlist:

Spirit
From the Pinnacle to the Pit
Ritual
Prime Mover
Devil Church
Cirice
Year Zero
Spöksonat
He Is
Absolution
Mummy Dust


MAIDENMAIDEN


Beim MAIDEN-Konzert hake ich mir dann vor lauter Dauergrinsen fast den Kiefer aus. Das Ding kann nur als Hochgenuss bezeichnet werden. Licht, Show, Sound und die Kulisse von 22.000 Fans, welche selbst die Gitarrenmelodien mitsingen, sind perfekt und flashen hart! Dabei bräuchte es für mich nicht mal die Show-Elemete und zahlreichen Eddie-Erscheinungen (geil is schon, klar), denn die fulminant aufspielende Band an sich ist das Erlebnis. Die Frage war im Vorfeld ja schon, wie Bruce Dickinson nach seiner Krebserkrankung bei Stimme sein würde. Die Antwort: Tatsächlich NOCH besser als in den letzten fünfzehn Jahren! Und man merkt Bruce an, dass er bei bester Laune ist, die Show regelrecht genießt. Das belegt auch seine Ansage nach drei oder vier Songs, dass er das Gefühl habe, dieses Konzert könne das Potenzial zum Klassiker haben, man möge davon gern Bootlegs bei YouTube hochladen. Überhaupt trifft der Sänger nicht nur die Töne, sondern auch den Tonfall: So sei ihm bewusst, dass die Waldbühne ein „creepy place with some history“ sei, was aber heute egal sei – es zähle die Musik und keine Bullshitideologie. Das zweite Sorgenkind stellt Nicko McBrain dar, der bekanntlich seit Jahren unter Arthritis leidet. Aber auch hier Entwarnung, spieltechnisch ist Mr. McBrain gut drauf und hämmert sich souverän durch alle Songs. Steve Harris und seine Drei-Mann-Gitarren-Armada liefern wie gewohnt, wobei durchaus zu merken ist, dass allen Bandmitgliedern angesichts der massiven Ausmaße und der begeisterten Gesänge immer wieder ein Grinsen übers Gesicht huscht. Einzig die Setlist lässt einige Besucher_innen heute Kritik üben. Aber es ist alte MAIDEN-Tradition, dass auf Touren zu aktuellen Alben viele neue Stücke gespielt werden. Insofern muss man das Fehlen diverser Klassiker verschmerzen, denn im Gegensatz zu anderen „Dinosauriern“ sind IRON MAIDEN auch in der Gegenwart relevant und müssen sich nicht auf ein Greatest-Hits-Set mit zwei neuen Alibi-Nummern stützen. So sind immerhin ganze sechs der fünfzehn Songs von der „Book Of Souls“. Aber die Stimmung sackt nie ab und diese Nummern SIND ja auch gut. Bei „Death Or Glory“ animiert Dickinson die Leute zu affenartigen Kletterbewegungen (“Climb like a monkey out of hell where I belong“ heißt es schließlich im Refrain) und überhaupt ist es erstaunlich, wie vertraut das Publikum mit der neuen Platte ist. Die Höhepunkte mache ich dennoch beim unfassbar geil gesungenen „Powerslave“ (Bruce holt die olle Pharaonenmaske raus und stülpt sie sich über die Rübe), dem unverwüstbaren „Trooper“, „Children Of The Damned“ (fucking Gänsehaut!), „Hallowed Be Thy Name“ (Scream for me, Berliiiiin!“) und dem finalen Gute-Laune-Hammer „Wasted Years“ aus. Magisch!


MAIDENMAIDEN


Setlist:

If Eternity Should Fail
Speed of Light
Children of the Damned
Tears of a Clown
The Red and the Black
The Trooper
Powerslave
Death or Glory
The Book of Souls
Hallowed Be Thy Name
Fear of the Dark
Iron Maiden
The Number of the Beast
Blood Brothers
Wasted Years


UP THE IRONS!


MAIDEN



PS: Ein schöner Moment verdeutlicht noch die chillige Stimmung dieses Abends: Auf dem Weg aus der Waldbühne heraus sitzt ein Gitarrist samt Verstärker und zockt irgendwelche Rockklassiker. Viele bleiben stehen, singen mit, werfen dem Typen Münzen in seinen Gitarrenkoffer. Schließlich bildet sich eine singende Polonaise um den Straßenzocker und feiert ihn ab. Da singt man doch gedanklich: Why can't we all live together? (Natürlich von: THE ACCÜSED)

Kommentar schreiben


Sicherheitscode
Aktualisieren

Stern inaktivStern inaktivStern inaktivStern inaktivStern inaktiv