SLIME / 08.05.2016 – Hamburg, Jolly-Roger-Bühne auffem Hafengeburtstag

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Ein besseres Intro für diesen Konzertbericht KANN es wohl nicht geben:

„Linksextremistischer Pöbel hetzt gegen die #AfD!

Eine linksextreme Band stimmt verunglimpfende Gesänge an, wohl wissend das sie von den anwesenden linken #Extremisten vervollständigt werden. Und das alles wird beim 827. #Hafengeburtstag vom Senat unterstützt.

Es ist eine politische Instinktlosigkeit sondergleichen, dass die Freie und Hansestadt (FHH) einer derartigen Band die Verbreitung ihres verrohten, antidemokratischen Liedgutes auf einer Bühne im Rahmen eines der eindrucksvollsten Feste dieser Stadt gestattet.“

Post der AfD Hamburg (Rechtschreib- und Grammatikfehler entsprechend dem Originaltext…)




Ächz, es ist gestern ganz schön spät/früh geworden und eigentlich bin ich gar nicht in Stimmung. Aber ich hab Bock, wenigstens an einem Tag des Hafengeburtstages mal dort aufzuschlagen. Außerdem haben wir mit VRHN eine SLIME-Coverversion auf einer EP veröffentlicht und da erscheint die Gelegenheit gut, den Bandmitgliedern ein paar Exemplare in die Hand zu drücken. Unterschätzt oder verdrängt hab ich aber doch, dass so ein Hafengeburtstag ja fast so schlimme Mutantenhorden auf den Plan ruft wie die Kieler Woche. Augen zu und durchgedrängelt durch Menschenmassen, Wurstbuden und Bollerwagenhumor!


Auf Höhe der Hafenstraße, Onkel Otto, Störte und so verbessert sich die Umgebung erheblich. Plötzlich ist alles rot/schwarz und auch das Bier wird mit jedem Meter günstiger. Ich treffe ein Grüppchen Bekannte und zusammen drängeln wir uns vor die Jolly-Roger-Bühne. Boah, das gestaltet sich aber gar nicht so einfach. Es ist warm, es ist eng. Durch das eigentlich ziemlich punktypische Publikum versuchen anfänglich am Rand noch Menschen mit Kinderwagen durchzukommen, im Grunde unmöglich.


SLIME beginnen mit „Schweineherbst“. Krass, so ein Monster gleich am Anfang! Der Sound ist leider von weiter weg ziemlich verwaschen. Und zu leise ist es auch. Das geht so gar nicht! Also weiterdrängeln, bis es schließlich etwas besser klingt. Dicken ist gut drauf und freut sich, in Sichtweite „unserer Häuser, für die wir gekämpft haben“, zu spielen, wirft von DIE PARTEI gespendete „FUCK AFD“-Aufkleber ins Publikum, was die im eingangs zitierten Empörungspost „verunglimpfenden Gesänge“ nach sich zieht, hehe. „Ganz Hamburg hasst die Afd!“. Dazu werden ein paar Bengalos im Mob gezündet, alles ganz wunderbar also. Nur was sind das für feiste schwarze Wolken, die von der anderen Seite der Elbe herüberziehen? Offenbar brennt dort eine Raffinerie, erzählt mir jemand. (Ey, ihr kleine Scheißwolken werdet dieses Konzert nich in Arsch machen, klar, oder was?) Passt dann auch irgendwie zu Texten wie „Alptraum“ oder „Kauf oder stirb“… Weiteres verrohtes Liedgut kommt in Form von „Alle gegen alle“, „Wir geben nicht nach“ oder „Sie wollen wieder schießen dürfen“. Bei letzterem Stück, das ja recht neu ist, kommt zwar die Message super (Erlöse gehen an Pro Asyl), musikalisch finde ich es aber ein wenig zu zahm und gefällig. Ansonsten halte ich die Setlist aber für ziemlich gelungen: „D.I.S.C.O.“ würde wohl heute keine Band mehr so formulieren, „Deutschland“, „ACAB“ oder das seltener gespielte „We Don’t Need The Army“ sind dagegen fucking zeitlos und den meisten Anwesenden in die Gene eingedrungen. Zum Teil könnte die Band etwas bissiger spielen, liegt aber vielleicht am Sound oder der relaxten Sommeratmosphäre. Vor dem „Schweineherbst“-Stück „Goldene Türme“ würdigt Dicken völlig zu Recht dessen Texter (und Ex-Schlagzeuger) Stephan Mahler, der sich hier regelrecht visionär äußere. Ich muss das einfach mal zitieren, denn auch ich halte diesen Text für sehr reflektiert und aktuell:

„Es ist sehr einfach, es liegt auf der Hand:
diese Menschen kommen hier in "unser Land",
weil wir sie um das Ihre betrogen,
es ihnen abgenommen und ausgesogen.
Sie folgten ihrem gestohlenen Leben,
was uns reich gemacht und Überfluss gegeben.

Es ist folgerichtig, es wird so sein:
Goldene Türme wachsen nicht endlos,
sie stürzen ein!

Wie denkst du dir die perfekte Welt?
Was glaubst du, woher kommt das ganze Geld?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es wirklich so ist,
dass du so dumm, unmenschlich und ohne Augen bist.
Nicht zu sehen, der Rest der Welt krepiert,
weil nach wie vor die Herrenklasse regiert.

Es ist folgerichtig, es wird so sein:
Goldene Türme wachsen nicht endlos,
sie stürzen ein!

Manchmal denk ich, es wäre auch ok,
selbst wenn ich in dem Fall auch drauf geh,
dass man nicht mehr anklopft: "Dürfen wir?",
sondern mit Waffen reinstürzt durch die offene Tür.
Mit wilden Augen sie von überall kommen,
um sich zurückzuholen, was wir ihnen genommen.

Es ist folgerichtig, es wird so sein:
Goldene Türme wachsen nicht endlos,
sie stürzen ein!“


Überhaupt ist ja die ganze „Schweineherbst“-LP der Hammer und neben „Alle gegen alle“ mein SLIME-Fave, textlich sogar das Beste, was sie je gemacht haben. Das Konzert endet dann recht plötzlich, aufgrund der möglicherweise giftigen Wolken solle man das Gelände möglichst fix verlassen. Mein anvisiertes Treffen klappt dennoch samt Übergabe – ich hoffe, SLIME haben Plattenspieler…


Danach klappt der Fahrdeal mit anderen Kieler_innen, die sich IGGY POP gegönnt haben. Stabiler Abend, jetzt will ich aber echt nur noch schlafen…

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