REFUSED & FAILURE / 5.12.15 Docks, Hamburg

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Pan: Ich muss ja zugeben, dass ich 1998 natürlich noch viel zu jung war, um REFUSED tatsächlich bewusst musikalisch mitzuschneiden. Das kam erst später, als "New Noise" längst schon der zu Tode gespielte Hit jeder Indie-Diso war (der er auch leider heute noch ist). Ziemlich schrecklich eigentlich, wenn man bedenkt, wofür die Band generell inhaltlich steht. Aber ich fange an, abzuschweifen.
Jan: An diesem Samstag gab es in Hamburg zwei besonders interessante Konzerte zur Auswahl, Refused im Docks oder THE BRONX im Logo. Ich entschied mich für REFUSED, da sie zum einem auf ihrer Reunion Show 2012 auf dem Monster Bash in der Columbiahalle in Berlin bereits zu überzeugen wussten und dort die komplette Halle ekstatisch zum Ausrasten brachten. Würde dies heute wieder der Fall sein? Zum Anderen interessierte mich wie REFUSED ihre Songs von der neuen Platte "Freedom", übrigens der ersten Veröffentlichung seit der Bandauflösung 1998 und der als wegweisend geltenden Platte " The Shape of Punk to Come", live rüberbringen würden. Also ging es mit dem Zug Richtung Hamburg.

Doppelbericht von JanML & Pan, Fotos von Toni Gunner (Mondkringel Photography). Danke Toni!


Pan: Als sich mir nun spontan die Möglichkeit bot, REFUSED live im Docks zu sehen, gab es trotz allem kein langes Zögern. Das in diesem Jahr veröffentlichte neue Album "Freedom" habe ich ehrlich gesagt ziemlich ignoriert. Aber allein "The Shape Of Punk To Come" ist auch nach 17 Jahren noch Grund genug, neugierig auf die Band zu sein. Und dass Dennis Lyxzén live einfach Spaß am Performen hat, habe ich noch frisch aus dem letzten Jahr im Kopf, als INVASIONEN mit AGAINST ME! im Knust gespielt haben.

Jan: Das ganze sollte dieses Mal im Docks stattfinden. Über den Laden ließe sich nun viel meckern, Orangensaft und die Dose Rückfahrtbier von meiner Schwester wanderten am Einlass in einen Mülleimer, meine Kameratasche musste trotz Akkreditierung (ohne Fotopass) an der Gaderobe abgegeben werden, mit dem Hinweis dass sie dort nicht versichert sei, zudem wurde für die Tasche und die Jacke, obwohl diese hätten zusammengebunden werden können, doppelt kassiert. Muss das
sein, nur weil man sich in einem Laden auf der Reeperbahn befindet? Ich hätte die Tasche, wie sonst auch, in 90% der Läden üblich einfach verschlossen umbehalten können. Zumindest wären die Getränke bestimmt auch gut an der Gaderobe untergebracht gewesen, was passiert mit dem Kram eigentlich, nachdem dieser in die Tonne wandert? Ähnliches kennt man ja leider auch von anderen Läden auf der Reeperbahn. Naja, zumindest der Sound war gut, doch nun zu den Bands.

Jan: Als wir ankamen verpassten wir die erste Band SAFI leider bereits, da diese anders als auf dem Ticket angekündigt, bereits vor der angegeben Anfangszeit spielen musste. Es handelte sich um SAFI aus Leipzig, die man sich allerdings am 12.02.16 im Medusacafe in Kiel-Gaarden angucken kann. Das was ich bisher online gehört habe, klingt interessant und vielversprechend.

Pan: Die erste Vorband verpassen wir. Als wir gegen 19 Uhr im Docks eintreffen, wird bereits für FAILURE umgebaut, welche kurz danach loslegen. Musikalisch isses so gar nicht meins. Für mich klingt jeder Song wie das Nachmittagsprogramm, das in den 90er Jahren auf MTV lief. Puh. K. sagt: "Sowas würde ich mir nichtmal beim Autofahren anhören."



Pan: Natürlich finden sich im Publikum, das geschätzt übrigens zu 95 % aus Typen Ende 30 besteht, dennoch ein paar Leute, die es feiern. Beachtlich ist auch, dass der Sänger während des gesamten Auftritts (45 hart zu ertragende Minuten) die ganze Zeit im Windbreaker auf der Bühne steht. Seine insgesamt 3 Ansagen beschränken sich übrigens so ziemlich darauf, den Namen der Band mitzuteilen (3 Mal), den Herkunftsort (Los Angeles - 2 Mal) und dass sie ein neues Album haben, dass sie mit dieser Tour promoten (Titel vergessen - 1 Mal). Gähn. Zum Glück ist aber auch das irgendwann überstanden.
Jan: Danach folgten für uns als erste Band FAILURE, drei Menschen: Gitarre, Bass, Drums, totaler 9oer Sound. Irgendwie ließe sich das unter softem Indie mit etwas Grunge Reminiszenzen einordnen. Mir klang das alles viel zu zahm, irgendwie Radio kompatibel. Zum Beginn langweilten sie mich enorm, steigerten sich jedoch zum Schluss ein wenig. In guten Momenten erinnerte mich das an schlechtere SOUNDGARDEN Songs oder gesanglich an WEEZER. Manchmal nickte man kurz, dann doch lieber nicht. Die Band erwähnte ein paarmal, dass sie irgendwie aus den USA kommen, offenbar wie Pan schreibt aus LA. Zudem trug der Gitarrist und Sänger die ganze Zeit eine  Regenjacke, was etwas befremdlich wirkte. Irgendwann war das Ganze dann zum Glück vorbei. Die Band wirkte insgesamt recht unmotiviert, kam bei einigen offenbar aber gut an.
 

Pan: Ich entwickle zu diesem Zeitpunkt die leichte Sorge, dass REFUSED sich ähnlich belanglos präsentieren könnten. Diese bleibt glücklicherweise aber unbegründet. Direkt von der ersten Minute an präsentiert sich die Band voller Spielfreude und Dennis Lyxzén hüpft und tanzt über die Bühne. Zwischendurch gibt es kluge und durchdachte Ansagen gegen Patriarchat und sogenannten grünen Kapitalismus als Ankündigung zu neuen Liedern wie "Servants of Death" und "Destroy the Man". Dass auf einem Konzert am Abend vorher in Antwerpen ein gepanzerter Polizeiwagen vor Ort sowie 2 Scharfschützen in der Konzerthalle waren, thematisiert er ebenfalls. Gruselige Sache. Lyxzén sagt, Musik bedeute allen in der Band noch immer alles und den Zufluchtsort, den diese biete, dürfe man sich durch niemanden kaputt machen. Ebenso solle jede_r der Anwesenden darüber nachdenken, was Musik für ihn_sie selbst bedeute und warum sie an diesem Abend hier seien und vermutlich nicht auf die Party gingen, die hinterher stattfinden würde. ... Eine Ansage, die mich tatsächlich tief bewegt, von der ich mir aber vorstellen kann, dass ein nicht geringer Teil der Anwesenden sie nicht mal annähernd nachvollziehen kann. Oder zumindest Bock hat, zuzuhören. Oder warum gibt es gerade in diesen Momenten faselig-besoffene Zwischenrufe und Forderungen, "New Noise" zu spielen? Ich hasse Großveranstaltungen. Beziehungsweise Leute. Ich hasse viele Leute auf einem Fleck, weil die Idiotenquote dann so hoch ist. Aber REFUSED liebe ich ab heute: Großartige Musiker, durchdachte Texte und intelligente Ansagen, die sie auch vor großem Publikum nicht kürzer fassen, um den Partymob bei Laune zu halten. Konsequent. Überflüssig zu sagen, dass bei "New Noise" am Ende des Sets dann auch alle völlig durchdrehen - und danach ein nicht geringer Teil der Meute auch schon direkt das Docks verlässt, obwohl noch ein Song zum Ausklang folgt. Naja. Am Ende des Abends gehe ich dennoch mit einem Glücksgefühl aus dem Docks raus. Denn obwohl es die erste größere Veranstaltung war, die ich in sehr langer Zeit besucht habe und mich viele Leute erwartungsgemäß angekekst haben, hat es mir tatsächlich auch viel gegeben, die Band live zu sehen. Nächstes Mal also wieder. Wenn auch lieber vor kleinerem Publikum.



Jan: Schließlich dann REFUSED. Ich wusste ja schon vom Konzert 2012 in der Columbiahalle, was einen erwarten könnte. Nach einem kurzem Radioskip Intro legten Dennis Lyxzén und Band dann mit "Elektra" auch gleich ordentlich los. Motivation und Spielfreude der Band sprangen auf das Publikum über, allerdings nicht annähernd so exzessiv wie 2012 auf dem Monster Bash. Offenbar war heute sowieso ein komplett anderes Publikum zugegen. Dennis Lyxzén warf sein Mikrofon bestimmt gute zwei Meter samt Mikrofonständer in die Luft und fing es wieder auf. Dazu sprang er wie verrückt durch die Gegend. Offenbar hat er seit 1998 oder auch 2012 an Fitness und Performancefähigkeit kein Stück weit eingebüsst. Hierzu kommen seine durchdachten Ansagen gegen Patriachat und gegen Kapitalismus. Zur bereits von Pan erwähnten Ansage über das Konzert in Antwerpen hier noch ergänzend sein Facebook Post:

"Outside the venue in Antwerpen last night an armed car was parked and two heavily armed military dudes. Inside the venue two snipers was placed.
This is the new world that we are waking up to in the wake of the Paris attacks. Scary and very hard to grasp.
Now more then ever we need to open our hearts and minds and take care of each other. The past 5 years more then 200.000 people have died in Syria. Think about that. Open the borders. Open our hearts. Open our minds. Take care of each other. Educate yourself about the geo-political realities and be cautious but not afraid."



Auch ich befürchte, dass ein Großteil des Publikums nur einen Bruchteil seiner Ansagen verstanden bzw. zugehört haben, war dies doch auch mit einer der Gründe, warum sich die Band 1998 auflöste.
Nichtsdestotrotz lieferten REFUSED ein Hitfeuerwerk ab incl. "Raining Blood" Exzerpt bei "The Deadly Rhythm", sich im Publikum wälzenden Dennis Lyxzén bei "Rather Be Dead", weiteren Radioeinspielern bei "Liberation Frequency" und dem manifestierenden "Refused Are Fucking Dead".
Schließlich endet das Konzert dann mit dem obligatorischem "New Noise" als Zugabe und einem weiteren Song (Tannhäuser / Derivè?).

Schade, dass "Françafrique" nicht gespielt wurde, hätte ich gerne live gesehen.
Als abschließendes Fazit lässt sich sagen, dass Refused auch 2015 noch zu begeistern wissen, und dass ich sie mir gerne wieder angucken würde. Ich hätte das ganze nur lieber in einem anderen Laden, wie z.B. in der Markthalle gesehen.



Setlist (grob rekonstruiert, Korrekturen, fehlende oder falsche Songs bitte Kommentieren):
Elektra
The Shape of Punk to Come
The Refused Party Program
Dawkins Christ
The Deadly Rhythm (with excerpt of "Raining Blood" by Slayer)
Destroy the Man
Rather Be Dead
Hook, Line and Sinker
War on the Palaces
Servants of Death
Liberation Frequency
Thought Is Blood
Refused Are Fucking Dead
Worms of the Senses / Faculties of the Skull

Encore:
New Noise
Tannhäuser / Derivè

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