DESTRUCTION, LOST SOCIETY, EVIL INVADERS / 04.10.2014 – Hamburg, Grünspan

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Wie erbaulich isses eigentlich, wenn man noch im Oktober draußen im T-Shirt abhängen kann? Wir lümmeln uns auf der Dachterrasse des Clochard herum, genießen kalte Getränke und betrachten die unten vorbeiziehenden Mutantenhorden. Ebenfalls anwesend: seit gestern durchzechende Punker, euphorisierte Sankt-Paulianer und haufenweise Metalheads, die wahlweise zu ACCEPT oder zu DESTRUCTION gehen, die ja verrückterweise ein paar Straßen voneinander entfernt quasi gleichzeitig aufspielen. Da erholt sich die verstörte Seele – denn heute Morgen hatte ich beim Laufen eine Erschütterung der Macht gespürt: Als ich so meine Runden durch den Kieler Schrevenpark gedreht hab, wurden meine entzündeten Augen Zeugen einer ca. dreißigköpfigen Gruppe twerkender Menschen. Ich weiß: Fuck Lookism. Aber erotisch find ich dieses Twerken nicht wirklich…


Deutlich erotischer sind da beispielsweise die Schnurrbärte unser Lieblingsbelgier EVIL INVADERS. Die Jungs müssen echt eine fitte Booking-Agentur haben, so häufig wie man die live sieht. Fast sind sie schon überpräsent. Aber noch ist es eine Freude, den Haufen über die Bühne toben zu sehen! Das pure Chaos und eine ungestüme Wildheit. Ich steh ja auch auf das irre Gekreisch von Joe Anus, was in unserer Reisegruppe nicht jede_r nachvollziehen kann. Allerdings fällt mir jetzt beim sechsten oder siebten EVIL-INVADERS-Konzi (und nach mehrfachem Genuss der Debut-EP) verstärkt auf, dass sich hinter dem ganzen Geballer und der Energie wenig Strukturen befinden, die auf Dauer hängenbleiben.          


Das EXCITER-Cover „Violence And Force“ ragt da vom Songwriting klar heraus. Wenn man ganz ehrlich ist, sind die Jungs auch keine Meister der Tightness. Letzteres find ich allerdings weniger schlimm – wer so auf der Bühne herumspringt, darf auch mal etwas unrund abliefern. Also: Wieder mal ein großer Spaß, aber für das kommende Album erhoffe ich mir eine Steigerung im Songwriting.          


Trotz der ACCEPT-Überschneidung ist das Grünspan überraschend gut gefüllt. Die Kombination zweier Newcomerbands mit den alten Zerstörungshasen funktioniert offenbar gut. Witzigerweise bauen die Grünspan-Leute plötzlich einen Fotograben auf - vielleicht weil es ihnen bei EVIL INVADERS mit Circle Pits und Wall Of Death etwas zu heiß herging. LOST SOCIETY zünden wie ihre Vorgänger eine reine Adrenalinbombe. Da gibt’s kaum einen Moment, in welchem sich die Bandmitglieder nicht über den Haufen zu rennen drohen. Alter Finne. Sowohl von der Bühnenaction als auch von der musikalischen Ausrichtung her, haben sich die Jungs offenbar sehr intensiv mit den frühen ANTHRAX beschäftigt. Was kein Fehler ist. Allerdings haben LOST SOCIETY ein ähnliches Problem wie EVIL INVADERS: Das hat alles Power ohne Ende und tritt mächtig Arsch, aber so richtig große Hits, wie sie eben ANTHRAX zweifellos haben, fehlen dann doch. Bei beiden bisherigen Alben habe ich daher bisher auch der vinylen Versuchung widerstanden. Dennoch eine starke Liveband, die mich heute zum zweiten Mal mit Glückshormonen vollpumpt.


Bisher war der Sound eher nicht so prall. Bei DESTRUCTION drückt das plötzlich aber ganz schön mächtig. Zwar kann das Threepiece nicht mit derart viel Bewegung auf der Bühne wie EVIL INVADERS und LOST SOCIETY punkten, aber dafür haben sie Säcke voll mit Hits am Start. Naja, zumindest, wenn sie die Klassiker ihrer Frühphase spielen – ich bin zwar treuer Hörer und kauf mir jedes DECTRUCTION-Album, aber seit der Reunion mit Schmier sind natürlich nur wenig richtige Killersongs entstanden (immerhin: „Nailed To The Cross“, „Thrash Till Death“ und „The Butcher Strikes Back“).          


Die alten Songs haben halt dieses unfassbar geile Riffing von Mike und versprühen eine ganz eigene Magie. Bei „Bestial Invasion“ (wird heute übrigens den anwesenden Hamburger Kult-Thrashern von IRON ANGEL gewidmet) oder „Curse The Gods“ könnt ich mir heut noch vor Begeisterung in die Hose kacken. Ein weiterer Vorteil der Band ist na logisch Schmiers Charisma, von dem er kein Jota eingebüßt hat. Er hat heute auch mehrere schmucke Mikroständer mit dem DESTRUCTION-Schädel und heißen Flammen aus Blech am Start, zwischen denen er teilweise während der Songs hin- und herswitcht. Hot and heavy! Obwohl die Band fit eingespielt ist und Mike schreddert wie ein Gestörter, lässt sich mit der Zeit allerdings eine gewisse Eintönigkeit nicht verhehlen. Gerade bei so einer längeren Headlinershow fällt wieder mal auf, dass die Stücke wenig Abwechslung bieten, wie es z.B. bei KREATOR ja (mittlerweile) durchaus der Fall ist. Aber es gibt ja den chilligen und gemütlichen Raucherraum im Grünspan, in dem man sich auch als Nichtraucher mal zurückziehen und ‘nen Heavy-Metal-Smalltalk halten kann.

Nu hab ich bei allen Bands zwar auch was zu meckern gehabt, den Abend aber brutal und hemmungslos genossen. Auch die Zug-Rückfahrt verläuft mit dieser Reisegruppe in bester Laune und hätte für meinen Geschmack auch doppelt so lange dauern können.

Kommentare   

+1 #3 JanML 2014-10-08 20:57 Zitieren
+3 #2 Philipp 2014-10-07 18:52
Hahaha, deine Argumentation klingt erschreckend überzeugend!

Aber es - schluck! - stimmt alles. Na gut, im Raucherraum war ich nur kurz. Und eintöniges Gedängel find ich natürlich weiterhin irgendwie gut, aber bei vielen der neueren DESTRUCTION-Songs fehlt für mich etwas die Magie.
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+5 #1 Magnus 2014-10-07 10:47
Haha, aber wann wird aufgelöst wer diesen Artikel nun wirklich geschrieben hat?

Der echte Philipp Wolter wuerde jedenfalls ganz sicher nicht:
a) Im Schrevenpark (oder sonstwo) joggen;
b) Irgendeiner "vinylen Versuchung" widerstehen;
und c) Während Destruction spielen sich unter Hinweis auf "Eintönigkeit des Songmaterials" in den Raucherraum zurueckziehen.

Bitte um Aufklärung!
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