BLACK SABBATH, UNCLE ACID AND THE DEADBEATS / 30.11.2013 – Dortmund, Westfalenhalle

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Diesmal aber! Eine meiner letzten wirklich großen Lücken in der eigenen Vita als Konzertbesucher war BLACK SABBATH mit Ozzy. Lange Zeit schien eine diesbezügliche Hoffnung eh vollständig illusionär. 2005 dann die Reunion. Wie groß meine Enttäuschung war, dass ich es damals schlicht nicht einrichten konnte, mir ein Gastspiel der dazugehörigen Tour anzusehen, kann ich kaum in Worte fassen. Im Nachhinein vielleicht sogar ganz gut so, denn die erneute Reunion sollte sich trotz der Abwesenheit von Bill Ward als vielfach stärker erweisen (so urteilen zumindest alle Augenzeugen beider Dortmunder Konzerte, mit denen ich gesprochen habe)! Kerstin hatte eines schönen Tages – ich wusste noch von nichts – eine kleine Überraschung für mich: BLACK-SABBATH-Ticket samt Hotel und Zugfahrt!

BLACK SABBATH

Bilder von Nico Krogmann und Niels Andersen

 

 

BLACK SABBATH ohne Ozzy hatte ich natürlich bereits gesehen – dreimal mit Tony Martin, zweimal mit DIO. Ozzy wiederum hatte ich mit verschiedenen Line-Ups seiner Solo-Karriere („Bark At The Moon“ 1984, „No More Tears“ 1992, „Ozzmosis“ 1995 und die Wacken-Show 2011) erleben können. Von daher hatte ich mich immer etwas damit zu trösten versucht, dass ich sozusagen beides geistig nur zusammenzufügen brauche. Völlig falsch! Das Ganze ist eben doch mehr als die Summe seiner Einzelteile.

Aber der Reihe nach: Chillige Zugfahrt mit ein paar Bieren und ein paar Klausurkorrekturen. Auch die kurze Umsteigzeit in Hamburg erweist sich als kein Problem. Witzig dann die Ankunft im Hotel: In der Lobby läuft doch glatt die erste KADAVAR. Clevere Musikwahl, welche auf die Zielgruppe zugeschnitten ist (die lange Schlange vor mir besteht zu 95% eindeutig aus SABBATH-Besucher_innen), oder hören die Mitarbeiter rein zufällig diese Musik? Mein Zimmer erweist sich als Versehrten-gerecht. Muss ich mir Gedanken machen? Find ich aber ganz nett – kann ich mich beim Duschen auf so einen ausklappbaren Sitz pflanzen.

So, noch gut Zeit. Was tun? Hm, sitzen in Dortmund nicht IDIOTS RECORDS? Nach kurzem Check (geht auch ohne Smartphone, heißt Rumfragen) stellt sich heraus, dass dieser legendäre Plattenladen sogar quasi um die Ecke liegt. Also hingelatscht. Obwohl sich alles total im Zentrum der Stadt befindet, schaffe ich es, durch eine seltsame Gasse zu latschen, in der Parallelwelt-mäßig Hopper an 'ner Bauruine abhängen und mich mit düsteren Mienen mustern. Dummerweise mache ich mir keine mentale Notiz, diese Route auf dem Rückweg zu meiden. Bei IDIOTS RECORDS fühl ich mich gleich wie zu Hause. Alles voller Poster, Patches, Nieten, Ketten und Punk/Metal-Vinyl. Zur Begrüßung gibt es gleich ein Bier in die Pranken. Großes Hallo, als kurz nach mir erst eine Kieler und dann eine Hamburger Reisegruppe voller bekannter Hackfressen eintrudeln. Überflüssig zu erwähnen, dass der Besuch bei IDIOTS der kostenintensivste Punkt der gesamten Reise wird... Nach einem netten Plausch mit Sir Hannes höchstpersönlich latsche ich mit vinylpraller Tüte zurück zum Hotel. Natürlich lande ich völlig in Gedanken wieder in der seltsamen Gasse. Blöd: Die vorhin noch wenigen Hopper sind auf mindestens 13 hässliche Visagen mit ebenso hässlichen Kappen und tiefhängenden Buchsen angewachsen. „Ey, bist du Heavy Metal?“ - „Nee, das ist 'n Punk! Hau ihm in sein Gesicht, Diggah!“ Schlau geworden durch ein ähnliches Erlebnis in Kiel-Gaarden sage ich einfach mal gar nichts und belasse es bei verächtlichen Blicken. Die Chabos können sich offenbar nicht entscheiden, wer der Babo ist, der mich umhaut, und schimpfen nur lahm hinter mir her. Wäre jetzt wirklich ärgerlich gewesen, statt BLACK SABBATH ein Krankenhaus zu besuchen...

Platten im Hotel abgeliefert, noch einen Humpen und ab mit der U-Bahn zur Westfalenhalle. Großartig auf irgendwelche Pläne zu gucken brauche ich nicht – einfach den Horden von Kuttenträgern folgen. Ein ziemlich verwirrter Holländer faselt die gesamte Fahrt unverständlich auf mich ein, ich nicke bei den wenigen Worten, die mir bekannt vorkommen („Ozzy... Iommi... bumm!“).Vorne brüllt eine Gruppe „OZZY!“ - mein neuer Begleiter schreckt auf: „Ja?“

Vor der Halle treffe ich weitere Reisegruppen und Rock'n'Roll-Weggefährten aus mehreren Jahrzehnten, noch ein, zwei Humpen und ab in die gute Stube.

 

UNCLE ACID AND THE DEADBEATSUNCLE ACID AND THE DEADBEATS

 

UNCLE ACID AND THE DEADBEATS passen stilistisch zu BLACK SABBATH. Das find ich gut, denn wie oft werden einem gerade bei großen Konzerten lieblos Bands vorgesetzt, die irgendeinen Nu-Metal-Ronz zocken? Bei BLACK SABBATH scheint irgendjemand traditionell darauf zu achten, ich erinnere mich z.B. gern an die `94er Tour mit GODSPEED und CATHEDRAL (mit Victor Griffin anner Gitarre!). UAATDB sehen aus wie dreimal Cousin Itt plus glatzköpfigem Bruder. Oder wie BLACK SABBATH in jungen Jahren. Kein Zufall ist das, denn so klingen sie auch ungefähr. Allerdings etwas leichtfüßiger und weniger heavy. Der Gesang klingt mir etwas zu lieblich, bzw. nicht rotzig genug. Aber man schrubbt wabernde Sounds und schüttelt ordentlich das Haupthaar. Unterm Strich durchaus respektabel, müsste man sich mal auf Platte anhören. Reaktionen sind natürlich eher zurückhaltend, aber auch nicht feindselig.

 

BLACK SABBATH

Der fucking Prince Of Darkness ...und Ozzy!

 

Dann wird’s kurios: Ich hole mir noch ein Pausenbier und gehe dafür aus dem Innenbereich raus. Dieser ist kreisförmig von einem Gang voller Fress- und Bierbuden umgeben, wobei der Kreis nicht ganz geschlossen ist. Ich gehe auf der rechten Seite bis ans Ende, da die Schlangen generell mörderlang sind, aber weiter hinten doch abnehmen. Im Schneckentempo wird die durstige Reihe versorgt. Doch verdammt! Da ertönt plötzlich eine Sirene – jeder weiß: Das kann jetzt nur das Intro zu „War Pigs“ sein. Wie kurz war denn die Pause bitte? Rockstars dieser Größe lassen doch sonst ewig auf sich warten? Können SABBATH es etwa gar nicht abwarten, loszulegen? Nur noch ein Typ vor mir... Ich beiße die Zähne zusammen, grabsche mir den Humpen und drängle mich in eine in die Halle strömende Menge. Der Strom reißt mich mit, Widerstand unmöglich, ich weiß gar nicht, wo oben, wo unten ist, das „War Pigs“-Riff dröhnt durch meine Birne, ein wutverzerrtes Gesicht taucht vor mir auf, schimpft was von „Drängelei“ und spuckt mir Bier entgegen, ich revanchiere mich mit dem Inhalt meines ganzen Bechers, hähä, Volltreffer! Nur um mich gleich zu ärgern, mein sündhaft teures und lang erkämpftes Bier für das bisschen Revanche vergeudet zu haben. Doch ein paar Pranken klopfen mir anerkennend auf die Schultern, Unbekannte kredenzen mir mit den Worten „Geil, gut gemacht!“ gleich DREI Humpen in die Hände. Jetzt hab ich auch das mit dem Karma verstanden.

 

BLACK SABBATHBLACK SABBATH

 

Und raffe, was los ist: Ich habe mich unbeabsichtigt von hinten rechts seitwärts in die Halle gedrängt und stehe jetzt ungefähr zehn Meter direkt mittig vor der Bühne. Während ich mit meinen drei Bierbechern jongliere, erkenne ich, dass Ozzy quasi vor mir steht und mich breit angrinst. Was ist das eigentlich für ein unfassbar GRANDIOSER Sound? Hatte ich neulich noch den GHOST-Klang für das Maß aller Dinge gehalten, so muss ich das revidieren: Es geht NOCH besser, laut (aber nicht zu laut), glasklar und schweineheavy donnern die Klassiker in meine verwöhnten Ohren. Und wie gut singt eigentlich Ozzy? Seit der „No More Tears“-Tour habe den nicht mehr so gut schmettern hören! Klar, einige etwas schiefe Passagen kommen auch heute vor, aber wir sprechen wir von einem live singenden Ozzy Osbourne – ich kenne ganz fiese Mitschnitte aus den 70ern und auf dem erwähnten Konz vor acht Jahren soll er weitaus schwächer gewesen sein. Weitestgehend schaukelt Ozzy das Ding heute erstaunlich souverän und freut sich darüber offensichtlich selbst nicht zuletzt. Die Playlist überrascht jetzt mit gleich zwei nicht ganz so offensichtlichen Hammersongs - „Into The Void“ (argh!) und „Under The Sun“ (jaaaa!). Die Show bietet kein großes Klimbim, ist aber dennoch stilvoll – drei Videoleinwände zeigen die Band selbst (zentrale große Leinwand) und die beiden Seitendinger bieten häufig Videosequenzen, welche inhaltlich zu den Stücken passen: Nazis bei „War Pigs“, religiös Verzückte zu „Under The Sun“ etc. Tony Iommi und Geezer Butler bewegen sich beide nicht großartig, spielen aber fantastisch und scheinen diesen Auftritt sehr zu genießen – gerade Iommi, sonst die Coolness in Person, kann sich das Grinsen ein ums andere Mal nicht verkneifen, wenn Bewegungslegastheniker Ozzy wieder an ihm vorbeihoppelt. Überhaupt: Phänomen Ozzy. Es gibt wohl keinen anderen Frontmann einer derart großen Band, der so unmajestätisch wie Ozzy rüberkommt. Ozzy watschelt über die Bühne, kräht sein „I love you all!“, grinst wie ein kleines Kind, klatscht in die Hände oder wirft sich begeistert vor dem Publikum auf den Bühnenboden. Eine unwiderstehliche Mischung aus fertigem Vogel und einer tonnenschweren Ladung positiver Energie. Man kann das nicht ansehen, ohne berührt zu werden. Und ich begreife: So gut BLACK SABBATH für sich auch sind, so viele Klassiker sie auch mit anderen Sängern geschrieben haben, so wichtig ist doch auch Ozzy für den Charakter und die Seele dieser Band. Nur mit Ozzy konnten sie wohl überhaupt so groß werden, auch wenn sein Gesang rein technisch natürlich nicht mit z.B. Dio zu vergleichen ist.

 

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Aber zurück zur Setlist: Es folgen „Snowblind“, mit „Age Of Reason“ das erste neue Stück (dieses Lick von Iommi – klassisch SABBATH!), „Black Sabbath“ (samt „Wind-und-Glocken-Intro“ - ein Höhepunkt), „Behind The Wall Of Sleep“, „N.I.B.“, „End Of The Beginning“ und „Fairies Wear Boots“, alle sehr kurz und knackig hintereinander weg, bevor ein kurzes Drum-Solo den Reigen unterbricht. Der Drummer – Tommy Clufetus - ist auch mal wirklich hammergut. Hier darf man sich schon fragen, ob man lieber das komplette Original-Line-Up mit einem (vermutlich) schwächelnden Bill Ward gesehen hätte oder eben diesen Power-Drummer, der zwei Stunden lang reinkesselt wie ein Stier. Es geht munter weiter mit „Iron Man“, „God Is Dead“ (kommt sehr gut an) und der wohl größten Überraschung der Playlist, „Dirty Women“. Wer hätte erwartet, dass sie was von „Technical Ecstasy“ spielen und dann noch den letzten Song der Platte? (Dafür kommt übrigens nichts von „Never Say Die“, obwohl der Fraggle auf dem Tourplakat von dem zugehörigen Cover stammt). Der groovige Rocker wird optisch von 50er/60er Schönheiten auf den Leinwänden unterstützt. Man lässt sich nur wenige Augenblicke für Zugaben bitten, es folgen „Children Of The Grave“, ein lediglich angespieltes „Sabbath Bloody Sabbath“ und natürlich das unvermeidliche „Paranoid“.

 

BLACK SABBATHBLACK SABBATH

 

Mal Adam Riese befragen: Perfekter Sound + richtig gute Setlist + spielfreudige Band + ein fitter (!) Ozzy = ein BLACK-SABBATH-Konzert, wie ich es so gut niemals erwartet hätte!

Aus der Halle strömt ein geradezu euphorisierter Mob. Überall reißen Leute die festgekabelten Papp-Reklame-Poster für eine aktuelle BLACK SABBATH-DVD von den Laternen, Bootleg-Händler krähen heiser ihre Angebote in die Nacht, Bierdosen wechseln gegen Puffpreise den Besitzer. Ich gucke mir auf dem Boden sitzend einen ollen Freak mit Rastazotteln und Mütze an, der Gitarre und Verstärker dabei hat und die vorbeiflanierenden Massen mit atonalem Griffbrettgewichse zuschreddert. Ich kann ihm noch ein paar Münzen in den Hut werfen, bevor ich schon wieder auf Bekannte treffe. Wir landen in so einer Metalkneipe namens „Black End“ oder so, die aber aus allen Nähten platzt. Lieber noch ein wenig Streetboozing und mit Freaks schnacken. Ausnahmslos alle, mit denen ich rede, sind vom heutigen SABBATH-Auftritt restlos begeistert. Einige hätten sich natürlich noch diesen oder jenen Song gewünscht, aber die Band hatte volle zwei Stunden ohne nennenswerte Pausen gezockt – mehr geht im Grunde echt nicht.

NEVER SAY DIE…

 

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Kommentare   

+1 #6 Philipp 2023-11-30 16:41
HOITE VOR ZEHN JAHREN!
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+1 #5 Philipp 2013-12-04 18:18
Danke auch! Nein, Kerstin wär das zuviel Action gewesen.
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+2 #4 KOMA 2013-12-04 11:34
Immer wieder gerne gelesen! Wirklich amüsanter Bericht.Glückgehabt.War Kerstin nicht mit??
Meine erste BS LP kaufte ich mir zufällig im zweitausend1 in der Türkenstr., mit 13 o 14 n, nach einem Kieferorthpädenbesuch.Die geniale Paranoid. ;-)
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0 #3 Philipp 2013-12-03 20:00
Danke!

Hey, wo ist hier ein Rechtschreibfehler? Na gut, ich hab das Biest heute im Zug aufm Laptop geschrieben und ich hasse die kleinere Tastatur von dem Ding.
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+2 #2 hammerheadphil 2013-12-03 19:41
Philipp, ich gratuliere dir zu deinem besten Konzertbericht. Hier fehlt es an nichts!
Emotionen, Rechtschreibfehler, positive Energie soweit das Auge reicht und ein Bericht welcher das bunte Treiben erfasst!

Hut ab :)
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+1 #1 DoctorJoyBoyLove 2013-12-03 19:21
Ich werde schon beim Lesen ehrfürchtig. Muss gut gewesen sein.
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