AUDREY HORNE, KARMA TO BURN, GOLD / 08.10.2013 – Hamburg, Rock Cafe St. Pauli

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Das ist doch mal ein interessantes Billing: Drei recht unterschiedliche Bands, die aber die Tatsache gemeinsam haben, sich jeweils durch Alben und Live-Auftritte einen guten Namen gemacht zu haben. Bei wem? Bei mir zum Beispiel!

Der Klub mit dem uns völlig unbekannten Namen entpuppt sich als das alte Marquee. Oh, the memories! Der Laden wurde etwas umgebaut, Bühne ist jetzt rechts, Tresen geradedurch hinten. Wenn es derart gut besucht ist wie heute, ist es allerdings auch alles recht beengt. Am cleversten ist es wie so häufig, sich direkt vor die Bühne zu begeben, auch wenn dort viele iPhone-Spacken mehr mit Filmen als mit First-Hand-Genuss des Konzerts beschäftigt sind. Und Bier lässt sich am besten vom Scheißhaus aus ordern, von vorne ist Schaubuden-ähnlich nur mit Ellenbogenarbeit was zu erreichen.

Kaum da, kaum Hans und Franz begrüßt, beginnen auch schon GOLD. Sofort wird deutlich, dass die Holländer_innen sich seit ihrem Auftritt auf dem HELL OVER HAMMABURG-Fest enorm verbessert haben. Nun, jener war auch erst der vierte Gig der Band überhaupt und mittlerweile wurde durch Livepräsenz Souveränität gewonnen. Die Band klingt deutlich tighter und sicherer. Die Gitarren kommen einfach herrlich, der Ex-THE DEVIL'S BLOOD-Gitarrist Thomas Sciarone verleiht den Songs passend zum Namen stets einen goldenen Rand. Sängerin Milena Eva kommt im Bühnengebaren etwas aufgesetzt rüber – wo Jex von JEX THOTH sich völlig in ihrem eigenen Film zu befinden scheint, wirken ihre Bewegungen und Blicke eher nach Theaterbühne. Das stört mich allerdings auch nicht allzu sehr, da die Stücke im Vergleich zu den ohnehin guten Studioversionen an Tiefe und Dichte gewinnen. Weniger okkult als TDB, aber ähnlich betörend, gleichzeitig auch eingängiger und leichtfüßiger.

Schade, denke ich zunächst, der charismatische Bassist von KARMA TO BURN ist leider nicht mehr dabei. Der neue Typ ist jedoch auch nicht ohne und lässt meterlange Rastazotteln kreisen. Schon länger nicht mehr im Line-Up ist der Waldschrat, der noch das Wilwarin trommelmäßig beglückt hat (siehe Review vom letzten Auftritt in der Schaubude). Mein viertes KTB-Konzert – und das dritte Line-Up. Dennoch groovt die instrumentale Stoner-Attacke wie gewohnt. Ansagen seitens Gitarrist William Mecum gibt’s nur bei Notfällen, z.B. als eine Basssaite reißt. Es hat fast den Anschein, als seien die meisten Besucher_innen wegen KARMA TO BURN vor Ort, zumindest fliegen im vorderen Drittel der Hütte ordentlich die Rüben samt Haupthaar (ausgenommen natürlich erwähnte iPhone-Menschen, die regungslos und mit stumpfen Gesichtsausdruck auf ihre Displays starren). Mit Songtiteln kann ich leider nicht dienen, obwohl ich viele Strukturen und Riffs wiedererkenne.

Das war ja schon alles ganz geil, aber das dickste Ausrufezeichen setzen nun AUDREY HORNE. Einige Besucher_innen mussten zwar bereits gehen (letzte U-Bahn und so), aber die Leute, die ausharren, drehen jetzt komplett am Rad. AUDREY HORNE bringen ihre Classic-Rock-Variante aber auch mit einer unfasslichen Spielfreude rüber! Immer wieder rennen die Gitarristen an den Bühnenrand und wichsen synchron über die hochgerissenen Griffbretter. Und Sänger Toschie verzeiht man sogar die unvermeidliche „we got some merch in the back“-Ansage (wobei er die charmant formuliert: Die ganzen Shirts dienten ausschießlich zwei Zwecken – erstens dazu, uns alle NOCH attraktiver aussehen zu lassen, zweitens dazu, die Band steinreich zu machen). Erfreulicherweise gibt es neben einigen älteren Nummern nahezu das gesamte Material des „Youngblood“-Albums zu hören. Der „Redemption Blues“ legt fulminant los, mit MAIDEN-artigen Gitarren und einem totalen Über-Refrain, den die gesamte Hütte mitbrüllt („And I'm Going Nowheeeeeeeere“)! Man merkt, dass die Songs bereits mit Blick auf die Bühne geschrieben worden sind, denn es fehlen keine Details, weder mehrstimmig gesungene Chöre noch Twin-Gitarren-Harmonien. Als weitere Höhepunkte würde ich „This Ends Here“, „There Goes A Lady“, „The King Is Dead“, „Straight Into Your Grave“, „Youngblood“ und „Pretty Little Sunshine“ bezeichnen. Waah, ist das geil! Da rennen die Leute zu überteuerten Stadionshows von abgehalfterten „Stars“, während der real deal schweißgetränkt vor einer Handvoll Maniacs rockt. Die Norweger haben in ihren Bands (u.a. SAHG, ENSLAVED, IMMORTAL) das Handwerk von der Pike auf gelernt und werfen bei AUDREY HORNE alles in die Waagschale. Ice Dale stürzt sich als erster mit der Gitarre in den Mob, später – mitten im letzten Song – folgt der gesamte Rest der Band und ballert weiter. Nur der Schlagzeuger bleibt logischerweise an Ort und Stelle und registriert grinsend, dass zwar der Bass wieder auf die Bühne zurückkehrt – jedoch in den Händen eines Freaks aus dem Publikum... Bierfontänen auf alle Musiker sind der Lohn für ein mit Herzblut und wirklich totalem Bock gezocktes Konzert.  

Fazit: Obwohl ich alle Bands vorher schon gesehen und daher viel erwartet hatte, habe ich noch mehr bekommen. Würd und werde ich mir jederzeit wieder angucken, vor allem AUDREY HORNE.

P.S. Auf der Rückfahrt wacht Leif nach einem Schläfchen auf und gesteht, dass er intensiv geträumt habe. Wovon denn? Er sei mit Jan ML und mir im Flugzeug geflogen. Meine Kenntnisse Freudscher Traumdeutung besagen, dass der Gute ganz klar die unterdrückte Phantasie hegt, mit Jan und mir Sex zu haben! Ob ich denn auch geträumt habe? Ja, und zwar habe ich im Traum Klassenarbeiten korrigiert, nur ist mir mittendrin die Tinte ausgegangen... Die Deutung erspar ich euch.

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