PROPAGANDHI, SHAI HULUD, WAR ON WOMEN & HIGH SPIRITS / 13.04.2013 – Hamburg, Grünspan & Bambi Galore

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Philipp: Schock am Mittag: Kollege Ufo findet sein Ticket nicht! „Das Ding lag 100%ig auf meinem Schreibzimmer!“, ärgert sich der Betroffene. Aber auch nach mehrfachem kollektiven Umpflügen der gesamten Einrichtung taucht das Biest nicht wieder auf. Aus Versehen mit dem Müll entsorgt? Oder zu gut versteckt? Die Chancen stehen allgemein nicht schlecht, dass die Karte NACH dem Konz sofort wieder auftaucht. Zum Verlust muss der Gute noch stundenlang den Hohn unserer Reisegruppe ertragen... Zum Glück fahren wir früh nach Hamburg und tatsächlich gibt es noch einen Rest Karten für das ausverkaufte Konzert.

         

Herb: PROPAGANDHI in Hamburg – das ist schon eine Reise wert. Auch wenn Veranstaltungsort (Grünspan) und Ticketpreise (18 Ois im VVK) erst mal schlucken lassen. Trotz allem ist der Laden ausverkauft. Leider, denn so ist es nachher brechend voll, was nicht gerade die Atmosphäre verbessert. Das Grünspan ist nämlich so ein auf modern getrimmter Schuppen, der dadurch nur völlig gesichtslos wirkt. Hinzu kommen unverschämte Getränkepreise (0,33 Jever 3,20; 0,25 Selter für 2,50). Definitiv ein Ort, den ich hoffentlich so bald nicht wieder betreten muss.

Doppel-Whopper von Herb und Philipp, Bilder von JanML

         

Herb: Als dann WAR ON WOMEN pünktlich um 19:30 (laut Aussage eines Kumpels durchaus so gewollt, danach ist nämlich noch Party angesagt) los legen, ist es dementsprechend noch recht leer. Die Band gibt hingegen Vollgas, vor allem die Sängerin ist ein Aktivposten, glänzt mit sympathischen Ansagen und geht auch gerne auf Tuchfühlung zu anwesenden Photographen. Nur leider ist das musikalisch völlig belanglos. Ein paar gute Passagen sind dabei, der Rest ist Stückwerk irgendwo im Hardcore-Punk-Universum. Mal schneller, mal langsamer, mal knüppeliger, mal zum Mitsingen, aber leider nie auch nur ansatzweise spannend. Sehr schade, denn Auftreten und Message sind echt gut. Nur die Musik halt nicht.

         

Philipp: Mir geht es sehr ähnlich. WAR ON WOMEN sind durchaus sehenswert und haben offenbar auch Texte gegen Macho-Scheiße und patriarchalische Strukturen. Die Sängerin bringt das wie ein weiblicher Jello Biafra rüber – sarkastisch, unter spasmischen Verrenkungen und irren bis zynischen Blicken. Hat auch sehr viel Energie, aber wenig musikalischen Wiedererkennungswert.

          

Herb: Bei SHAI HULUD ist dann schon mehr los. Und obwohl die Songstrukturen eher komplex sind und die Musiker nicht mehr die Jüngsten, ist Stillstand für die gesamte Band ein Fremdwort. Sänger Matt ist fast mehr im Fotograben als auf der Bühne, während die Saitenfraktion anscheinend per Kilometergeld bezahlt wird. Kein Wunder also, dass das Publikum sehr angetan ist. Auch wenn es,wie gesagt, nicht einfach ist, die Songs nachzuvollziehen, so bewahren SHAI HULUD immer die Balance zwischen Frickelei und Eingängigkeit. Alles in allem ein rundum gelungener Auftritt.

         

Philipp: Endlich mal SHAI HULUD! El Tofu und Fabi hatten mir seit Jahren von der Band vorgeschwärmt, doch trotz dieser Erzählungen und des sympathischen Namens (…) hatte ich irgendwie nie in einen Song dieser Band hineingelauscht. Und nun – nach diesem Auftritt – gilt es wohl, die Sammlung um ein paar SHAI-HULUD-Tonträger zu erweitern. Denn ich mag die Verbindung aus brachialem Ballerhardcore und unterschwelligen Gitarrenharmonien. Wenn man den Hamburgern JUST WENT BLACK glauben darf, haben diese sich bei ihrer musikalischen Stilfindung übrigens tatsächlich bei SHAI HULUD orientiert. Wenn es derart knallt, darf der Gesang auch gern mal ein wenig eintönig sein. Der Sänger kann sich in jedem Moment auf mitbrüllende Jünger in der ersten Reihe verlassen und auch der Aufforderung zum Circle Pit gibt der Mob bereitwillig nach. Geil.

 

Herb: Dann ist Umbaupause. Endlos lange. Zwischen drin stellt sich nochmal jemand von SEA SHEPHERD vor, die per Banner und Infostand vertreten sind. Dazu nur soviel: wer ein Schiff nach Brigitte Bardot benennt, die deutlich rechts steht, der ist höchst kritisch zu sehen, gute Arbeit hin oder her.

         

Dann aber endlich PROPAGANDHI. Und von der ersten Sekunde an zeigen die Kanadier, was sie so herausragend macht. Die Kombination aus melodischem Punkrock, Hardcore-Einflüssen und einer mächtigen Metalkante (Beispiel für diese Bandbreite an Einflüssen ist nicht nur das „Vegan Invaders“-Shirt, dass an die kanadische Thrashlegende RAZOR erinnert, sondern auch die fast untoppbare CRO-MAGS- und RUSH-T-Shirtkombi der Gitarristen) ist nicht nur verdammt originell, sondern wird auch spielerisch versiert dargeboten. Logisch also, dass natürlich nach jedem Song erst mal die Gitarren gestimmt werden. Interessant auch, dass PROPAGANDHI es problemlos schaffen, trotz Querschnitt durch die gesamte Karriere keine Brüche entstehen zu lassen, das passt alles harmonisch zusammen. Pluspunkte sind dabei neben der ausgefeilten Gitarrenarbeit vor allem Sänger Chris Hannah, dessen markante Stimme die Songs trägt und das Gefühl des jeweiligen Songs passend untermalt. Das Publikum weiß das zu honorieren, Moshpits, Crowdsurfer und das lautstarke Fordern von Zugaben zeigen das deutlich. Nach drei weiteren Krachern ist dann Schluss und es bleibt nur festzuhalten, dass PROPAGANDHI einfach eine verdammt gute Band sind, auch und vor allem live.

         

Philipp: Die Shirt-Motive sind in der Tat hammerös. Neben der RAZOR-Hommage überzeugt auch das Motiv von der Split-7“ mit SACRIFICE (einer weiteren kanadischen Thrashlegende), die entsprechend der gecoverten Songs die RUSH-Eule mit der radioaktiven COC-Tonne kombiniert. Weitere Nerd-Details: Als Intro verwenden PROPAGANDHI zunächst „Mr. Crowley“ von OZZY, bevor das Sample von „Dear Coach's Corner“ ertönt – die Zeile „let's talk about the troops“ brüllt schließlich die ganze Hütte mit. UND unbedingt erwähnen muss ich noch in Ergänzung zu Herb das ARCH/MATHEOS-Shirt des (unfasslich zockenden!) Bassisten... Quer durch die Discographie der Band geht die Reise – übrigens bei hervorragendem Klang. Meine Highlights sind „Fuck The Border“, „Anti-Manifesto“, „Note To Self“, „Lotus Gait“ (Hammer diese Stelle - „I have this childhood memory / of my old man screaming from the driver's seat / to turn away from an unfolding horror / but he could not undo what I had seen.“), „Night Letters“ - ach, es reiht sich Volltreffer an Volltreffer. Ich werde von der stetig wabernden Menge quer durchs Grünspan getrieben, bis ich wortwörtlich nassgeschwitzt bis auf die Unterbuchse bin. Die Band agiert eher zurückhaltend und es gibt auch keine Animation im Sinne von „jetzt bidde in 'nem Kreis rennen und nu unbedingt hüpfen“ oder so. Wäre angesichts der Texte auch unangemessen. Wir diskutieren später eh, ob man zu derartigen Inhalten überhaupt ausgelassen tanzen sollte bzw. ob nicht an Teilen des Publikums die Aussagen völlig vorbei gehen. Davon ab: Meine erste PROPAGANDHI-Erfahrung beschert mir Gänsehaut-Momente am Fließband.

 

 

Herb: Der Kulturschock folgt dann in Form des Gangs über die Reeperbahn und später im Zug, als ein selbstverliebter Schwätzer umfassend darlegt, warum die Uni oft genug scheiße ist. Aber auch das kann im Endeffekt die Erinnerung an diesem großartigen Abend nicht trüben.

 

Philipp: Nicht für uns. Denn für uns folgt... ein WEITERES Konz! Zack!, springen wir ins Nilmobil und donnern gen Billstedt. Das Bambi Galore ist heute erfreulich gut besucht – Scharen von Headbangern lungern saufend vor der Hütte. Geil, gerade ist ein Päusgen angesagt und wir bekommen das gesamte HIGH-SPIRITS-Konzert mit! Unzählige Bekannte sind vor Ort, was dazu führt, dass wir nach diversen Begrüßungsschnäpsen mit schwummrigen Birnen vor der Bühne stehen, als es losgeht. „Hi, my name is Chris and these are my friends!“, verkündet der sympathische Sänger noch, bevor eine Heavy-Metal-Sause der orgiastischen Art beginnt. Verdammt, machen die Spaß! So muss es auf IRON-MAIDEN-Konzerten der allerersten Jahre zugegangen sein. Die pure Spielfreude, positive Vibes ohne Ende, immer direkt nach vorne. „Heavy Metal will never die!“, brüllt mir eine 17-Jährige ins Ohr. Recht hat sie. Ich meine, wer kann bei „Full Power“, „Torture“ oder „Another Night In The City“ ein breites Grinsen unterdrücken? Absolut mitreißend – ich bin nach ein paar Titeln zum zweiten Mal an diesem Abend durchgeölt. Nass und stinkig, aber bestens gelaunt, geht es zurück gen Norden. UP THE IRONS!

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