KVELERTAK, TRUCKFIGHTERS / 29.03.2013 – Hamburg, Markthalle

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Ihr kennt alle den Moment, wenn ein Konzert den rotglühenden Bereich erreicht? Wenn die Band sich in einen Rausch spielt, der Mob durchdreht, Instrumente in die Luft und Musikerkörper in die Menge fliegen? KVELERTAK haben es bei ihrem gestrigen Auftritt geschafft, diesen Moment auf das GESAMTE KONZERT ausdehnen. 15 Songs lang Euphorie… Aber der Reihe nach.

Wir sind natürlich zu spät, um die erste Band EL DOOM SONSTWAT mitzubekommen. Sollen witzig gewesen sein.

Sich durch die völlig überfüllten Treppen und Eingänge zu quetschen und ein Bier am Tresen zu erkämpfen, dauert dazu aber auch länger als gewöhnlich. Wie zur Hölle hätte dieses Konzert im Knust stattfinden sollen? Wohl ein Beweis für die rasant steigende Popularität von KVELERTAK. Erst soll das Ding im Knust stattfinden, dann wird es in die Markthalle verlegt, die restlos ausverkauft ist. In Berlin gab es offenbar auch eine Verlegung in eine größere Halle aufgrund der guten Ticketverkäufe.

Wobei TRUCKFIGHTERS dazu sicher einen Teil beitragen. Die Schweden sind bekannter, als ich erwartet hätte. Große Teile des Publikums schmettern ordentlich mit und vor der Bühne gibt’s bereits die ersten Pits. Die Band zwingt den geneigten Freak aber auch dazu, sich zu bewegen. Fette Grooves und ein (bewusst) übersteuerter Gitarrensound wirken auf den Innenraum der Markthalle, als ob du mit dem Kochlöffel in einen Riesenpott Arfensupp patschst und ordentlich rührst. Fuzz Rock trifft als stilistische Bezeichnung wohl am ehesten zu. Definitiv mit diversen eingängigen Refrains versehen und mit viel Bock dargeboten: Der Gitarrist hüpft wie ein Gestörter durch die Gegend, die drei Truckfighters grinsen ob des trotz Tanzverbot tanzenden und dampfenden Mobs.

In der Pause haut mir ein lange nicht gesehener Bekannter folgende Frage vor den Latz: „Alter, was machst du denn hier?“ Da bin ich doch tatsächlich nach längerer Zeit mal wieder sprachlos. Was zur Hölle?

Wird ‘ne Band bekannter, mehren sich die negativen Stimmen. Für eine etwaige Rechtsoffenheit der Band habe ich bisher keine konkreten Belege gefunden. Im aktuellen ROCK HARD (#311) entgegnet Sänger Erlend Hjelvik jedoch auf die Frage, wie er BURZUM finde: „Ich kann die Musik nicht vom Gedankengut des Machers trennen. Ergo: Ich will mit Burzum nichts zu tun haben.“ Dass die Band zu glatt produziert und überbewertet sei, lauten weitere Vorwürfe. Klar, dass andere gute Bands auch mal mehr Aufmerksamkeit verdient hätten, ist unbestritten. Den Aspekt der glatten Produktion kann ich am ehesten nachvollziehen – Black’n’Roll der richtig räudigen Art findet man halt bei MIDNIGHT oder OKKULTOKRATI. Doch lässt sich der Vorwurf aufrechterhalten, KVELERTAK seien überbewertet?

Das Konzert beweist eher das Gegenteil. Licht aus, die Band beginnt mit „Åpenbaring“, geilerweise kein Intro vom Band - alle Elemente ihrer Platten inkl. der Chöre werden von KVELERTAK auf der Bühne ohne Einspieler reproduziert. Erlend trägt ‘ne Eulenmaske mit rot leuchtenden Augen – Oilenkraft, schön beknackt. Die drei Gitarren sirren, die Spannung steigt, dann fällt die Eulenmaske, ein markerschütternder Schrei, der Drummer knüppelt los. Das Publikum ein einziger auf- und abwabernder Fleischklops. Sehr gut kommen die melodiösen Backgroundgesänge, an denen die Band offenbar intensiv gefeilt hat. Bei aller Perfektion in dem Bereich hört man gleichzeitig auch die jeweilige individuelle Stimme raus (der Gitarrist rechts hat auch mehrere eigene Gesangspassagen – klingt bisken nach 80er Hardcore, also super). „Spring Fra Livet“ zeigt den Schlagzeuger in bestechender Form – Blastbeats treffen auf wuchtig treibende Rhythmen. Überhaupt ein Wahnsinn, wie man dieses Geballer mit derartig eingängigen, fast schon poppigen Melodien kombinieren kann. Die neuen Stücke funktionieren also auch live und seitdem hör ich den zweiten Longplayer mit ganz anderen Ohren. Klar aber, dass „Mjød" und „Fossegrim“ die Markthalle endgültig in ein Tollhaus verwandeln. Die Musiker schleudern ihre Instrumente durch die Gegend, Erlend springt im Laufe der Show mindestens dreimal in die Meute und singt crowdsurfend weiter. Mit „Bruanne Brenn“ und „Nekrokosmos“ wird es wieder etwas melodischer, aber nicht einen Moment lang lässt die Darbietung an Vehemenz nach. Weitere Stationen lauten „Sjøhyenar (Havets Herrer)“, „Evig Vandrar“, „Nekroskop“, „Månelyst“, „Offernatt“, „Blodtørst“ und „Kvelertak“. Letzterer Song erweist sich als weitere Live-Abrissbirne, dessen Refrain KVE-LER-TAK von so ziemlich allen Anwesenden mitgebölkt wird. Die Zugabe lautet „Utrydd Dei Svake“ (das ist der letzte Song des Debuts) – Erlend schwimmt schon wieder auf der Menge, auf den Boxentürmen links und rechts steht jeweils ein Gitarrist und schreddert seine Riffs aus luftiger Höhe. Vollständiger Abriss.          

Um auf die oben gestellte Frage zurückzukommen: Nein, KVELERTAK sind schlichtweg sensationell und bieten live noch mehr als auf Platte. Dabei ist es einerseits erstaunlich, wie viel Energie dabei umgesetzt wird, wie perfekt andererseits Pop-Appeal mit Zerstörungswut kombiniert wird.  

Übrigens soll in der ersten Band tatsächlich der Vater des KVELERTAK-Gitarristen Maciek Ofstad spielen (Ole Petter Andreassen). Die sind doch alle beknackt. „Hey, wen nehmen wir als Vorband mit?“ – „Macieks Vadder macht doch auch Musik“ – „Jo, sollen mitkommen, der Alte macht sonst nur Unsinn zu Hause“…

 

Bilder von Toni B. Gunner

(http://www.mondkringel-photography.de)

Danke Toni!

 

Kommentare   

+3 #6 PussyKad 2013-03-31 21:28
ich muss mit meinem bass diese Hula Hoop Action auf jeden Fall drauf bekommen. Zu wenig Platz in der Bude...hm hn hm... Kirki festhalten * schleuder*
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+2 #5 Philipp 2013-03-31 19:35
Klasse Bilder.
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+2 #4 JanML 2013-03-31 17:31
Ich habe mal Fotos reigebastelt. Danke Toni!
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+2 #3 Sörus 2013-03-31 10:38
Nachdem mich ein kontaktfreudiger glatzköpfiger Herr beim Bangen betatschte :cry: , bin ich in die erste Reihe geflüchtet und habe die letzten Fasern meiner Nackenmuskulatur in die Hölle gejagt!!!! Der absolute Wahnsinn!! :lol:
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+2 #2 Philipp 2013-03-30 19:52
Das war natürlich auch sehr geil. Link zum Bericht übrigens hier: http://www.dremufuestias.de/index.php?option=com_content&view=article&id=3545:kvelertak-toxic-holocaust-the-secret-wolves-like-us-181111-hamburg-logo&catid=15&Itemid=26
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+2 #1 Kochi 2013-03-30 19:45
Für mich war schon das erste Konz im Logo vor zwei Jahren der absolute Wahnsinn. Eins dieser Konzerte, die einen damals dazu gebracht haben, selbst unbedingt ein Instrument in die Hand nehmen zu wollen... Ich dachte, den Eindruck kann nichts toppen und soll um Himmels Willen nichts schmälern. Ein grober Fehler, wie mir scheint.
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