ROTTEN SOUND, MARTYRDÖD, ENABLER / 26.02.2013 – Hamburg, Hafenklang

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Philipp: Es gibt Konzerte, für die kein Weg zu weit ist, bei denen einen die Aussicht auf nicht mal zwei Stunden Schlaf danach, bevor der Wecker klingelt, nicht einen Sekundenbruchteil vom Besuch abhalten könnte. ROTTEN SOUND sind in der Stadt? Hin, und wenn es 100 km zu Fuß wären.

Zumal meine letzten ROTTEN-SOUND-Konzerte schon sechs (WITH FULL FORCE 2007) und zehn Jahre (Tucholsky 2003!) her sind, ich MATYRDÖD erst einmal (OBSCENE EXTREME 2010) gesehen habe und ENABLER mir gar völlig unbekannt sind.

Herb: Was für ein Package: ROTTEN SOUND, MARTYRDÖD und ENABLER. Dreimal Krach vom Feinsten, aber halt immer in anderer Ausprägung. Trotzdem könnte das Hafenklang heute voller sein. Ob das am Ticketpreis (17,- Euro), dem Dienstag oder der allgemeinen Hamburger Übersättigung liegt, lässt sich heute aber nicht klären. Egal, nach einer kurzweiligen Bahnfahrt und einem Fußmarsch entlang der Elbe kommen wir gerade rechtzeitig zum Beginn.

Bilder von Jan ML

Philipp: Zu Fuß muss es aber dann doch nicht sein, in der Vierergruppe, welche mit den Autor_innen dieses Reviews identisch ist (fast: Jan wird noch Fotos beisteuern und Sanne will uns fürs Nichtmitschreiben irgendeine exotische Biermarke ausgeben…), hüpfen wir gemütlich in den Zug und verquasseln die Zeit, sodass wir uns wundern, als wir überraschend bereits im Hamburger Hbf einfahren.

 

         

Kurze Zeit später stehen wir auch schon vor der Bühne und staunen. ENABLER sind die positive Überraschung des Abends! Eine derbe und frische Mischung aus Grind, Hardcore und Death Metal fräst sich aufs Erbaulichste durch mein Hirn. Die Amis erreichen ein enormes Level an Heaviness, schaffen es dabei zudem noch, dass jeder Song recht melodisch, ja geradezu catchy kommt. Weiterer Pluspunkt: ENABLER wirken locker und nicht etwa misanthropisch. Als sich auf die Frage „Who’s got our album?“ lediglich eine einsame Hand hebt, wird diese mit einem erfreuten Lächeln der Marke „Ah, DU bist der Käufer!“ geschüttelt. Songs wie „Black Friday In Hell“, „They Live, We Sleep“ (das Riff!) oder „War Begins With You“ dürften Menschen gefallen, die sich auch an den Klängen von TRAP THEM, FROM ASHES RISE oder THE SECRET erfreuen. Da wandert das Vinyl „All Hail The Void“ doch wie von selbst in meinen Rucksack.

         

Herb: ENABLER machen schon ordentlich Alarm auf der Bühne, als wir ankommen. Die Amis vertreten mit ihrem Mix aus Hardcore, Crust; Metal und Grind eher so die neue Schule, können aber auf Anhieb überzeugen. Vor allem der Mix aus frickeligem Geballer und stumpfen Midtempoparts, die direkt die Nackenmuskeln ansprechen (vor und auf der Bühne fliegen amtlich die Haare) weiß zu überzeugen. Einziges Manko: die Ansagen wirken manchmal wie ein schüchterner Schülerbandsänger, der in eine halbleere Aula spricht. Ansonsten aber ein richtig guter Auftakt, der vor allem Freunde neumodischen Ami-Krachs begeistert haben dürfte.

         

Philipp: Fand ich die Songs von MARTYRDÖD auf dem OEF irgendwie zu lang (lag vielleicht am Kontext…), empfinde ich sie heute geradezu als perfekt. Und zwar nicht nur hinsichtlich der Länge: Die Schweden kombinieren ja bekanntlich Crust mit (Black) Metal, aber das  keinesfalls im Sinne einer Plastikmetalband. Roh und abgefuckt vielmehr. Genau so sehen die Typen übrigens auch aus, geil. Man scheint einen neuen Schlagzeuger zu haben oder ist ganz einfach nicht so wirklich eingespielt / zu besoffen, aber durch wilde bandinterne Mimik und Gestik finden die Krusten doch immer wieder zueinander (man sollte ihnen das Bandgeheimnis von BLACK BANG BOMB verraten). In Extremis!

         

Herb: MARTYRDÖD haben das das Einfühlungsvermögen eines Vorschlaghammers. Hier bedeutet Crust nicht Abgleiten in TRAGEDY- oder gar FALL OF EFRAFA-Klangwelten, sondern ein infernalisches D-Beat-Massaker sondergleichen. Dazu gibt es metallische Gitarrenleads und einen Sänger, der nicht nur optisch so aussieht wie der Typ, der bei Konzerten im AZ immer vorm Tresen einpennt, sondern auch geil heiser ins Mikro shoutet. Versteht zwar keiner, finden aber trotzdem alle geil. Schönster Moment: als der Schlagzeuger doch das Tempo rausnimmt und ihm dank eindeutiger Gestik klar gemacht wird, doch bitte wieder den D-Beat-Turbo anzuschmeißen. Ein richtig geiler Gig, räudig-monoton immer wieder in die Fresse, so muss Crust klingen!

         

Philipp: Zeit für Krach aus Finnland. War die Stimmung bei den ersten Bands bereits gut, drehen die Freaks vor der Bühne jetzt komplett am Rad und wetzen zum Teil den kompletten Auftritt über im Kreis. Keijo Niinimaa erzählte mir kurz vorm Auftritt, dass er die Tour mit NASUM zwar sehr genossen habe, sich aber jetzt richtig darüber freue, wieder mit seiner eigentlichen Band loslegen zu können. Dass die Band Hunderte von Shows auf dem Buckel hat, merkt man ihr dann auch nicht negativ im Sinne einer gelangweilten Routine an – immer ein Grinsen in der Fresse, hier ‘nen Spruch, da ein Achselzucken angesichts einer gerissenen Saite. Was der Schlagzeuger wegprügelt, ist auch nicht mehr so wirklich menschlich. Unter dessen Vorfahren tummelt sich bestimmt ein Oktopus im Stammbaum. Was ich auch immer wieder klasse finde bei ROTTEN SOUND, ist die Verbindung von sehr tightem Zusammenspiel und dem dreckigen Gesamtsound (gerade gitarrenmäßig kommt man ohne ENTOMBED-Vergleich nicht aus).

Herb: Trotzdem, die Gewinner des heutigen Abends heißen ganz klar ROTTEN SOUND. Was für eine Präzision und Durchschlagskraft. Da sitzt jedes Riff, jeder Blastbeat. Auch das Publikum dreht ordentlich auf, ein Moshpit wirbelt durch die vorderen Reihen, gelegentlicher Circle Pit inklusive. Von ganz alten bis ganz neue Songs gibt es heute alles zu hören, wobei echt jeder Track super klingt. Der Mix aus alles vernichtenden Blastparts (die der Drummer aus dem Handgelenk schüttelt) und dreckigem Midtempo, inklusive Schweden-Death-Reminiszenzen beim Gitarrensound knallt amtlich. ROTTEN SOUND sind halt einfach eine verdammt geile Liveband. Findet auch der Mob vor der Bühne, der die Band für ein paar Zugaben zurück brüllt, wofür sich die sympathischen Finnen auch artig bedanken. Danach ist endgültig Schluss und allen im Publikum dürfte klar sein,  dass sie gerade ein richtig großartiges Konzert gesehen haben.

 

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