WACKEN XVII / 05.08.2006 - Wacken, Tag 3

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 Die paar Stündchen Schönheitsschlaf hatten mir gut getan – die Hamburger Nachbarn sahen jedenfalls inzwischen eher danach aus, als sollten sie sich demnäxt mal schlafen legen, hä hä…

Hm, nach kurzer Überlegung verwarf ich die Idee, duschen zu gehen, denn der Beginn des METAL CHURCH-Auftritts nahte rasant und ein U-Buxen-Wechsel verschafft schließlich auch hinreichend Erfrischung.

 

METAL CHURCH für mich bereits zum dritten Mal in diesem Sommer, aber ich kann einfach nicht genug bekommen von der wiedererstarkten Combo. Auch hier und heute gab es einen sehr gelungenen Auftritt zu bejubeln, der allerdings wesentlich kürzer ausfallen musste als auf der Tour oder aufm Headbangers Open Air. So wurde „The Dark“ schmerzlich vermisst, ebenso „Date With Poverty“ oder „Badlands“. Dafür donnerte Hit auf Hit auf uns hernieder – „Start The Fire“, „Ton Of Bricks“, „Watch The Children Pray“, „God Of Wrath“, „Metal Church“ oder „Beyond The Black“ kamen in glasklarem Sound und mit dem einfach saugeilen Gesang von Ronny Munroe perfekt wie in den Anfangstagen der Band rüber. Überzeugender als auf Platte die neuen Songs „Light In The Dark“ und „Mirror Of Lies“ (ja ja, mein Spiegel lügt mich auch ständig an), wobei letzterer für einen Video-Dreh zum Schluss sogar noch mal gespielt wurde. Das Video dürfte für die Band zufrieden stellend ausgefallen sein, denn man sah kaum jemanden in der Menge, der nicht seine Pommesgabel gen Himmel streckte.

 

Eher aus Neugier schaute ich mir mal CALIBAN an. Musikalisch war es dann wenig überraschend Metalcore (wobei ich mich frage, wo man da einen Hardcore-Einfluss hören soll – das war reiner Metal), aber der Sound war sehr brachial und es gab Einiges zu gucken: So war ich doch überrascht, als die Band loslegte und sofort große Teile des Publikums Kickbox-Moves abzogen und extremes Windmilling betrieben. Klar, kennt man von Metalcore-Konzis, aber in Wacken? Der Trend ist offenbar auch hier voll angekommen… Bevor ich mich’s versah, gab es einen wirklich gigantischen Circle Pit – das sah schon nach was aus! Ich musste doch im mich hineingrinsen, als ich mich daran erinnerte, wie ein paar Kumpels und ich das in den Achtzigern auf US-Videos gesehen hatten und auf Thrash Metal- und HC-Konzis nachzumachen versuchten – hat nur keiner mitgemacht und alle glotzten uns an und hielten uns wohl für schwer Hospitalismus geschädigt… Aber heute funzt das, die Leute wetzten zu Hunderten im Affenzahn im Kreis. Dann rief der Sänger – natürlich – zu einer Wall Of Death auf. Ich geb’s zu, ich machte mit und weil sich SO viele daran beteiligten, war es dann ein witziger Moment, als die beiden „Armeen“ aufeinander trafen: Ich war so in der dritten Reihe, man prallte aufeinander, aber wo der Spuk normalerweise endet, prallten immer mehr Reihen von hinten auf und der Klumpen Menschen wurde zusehends komprimiert, bis Fleisch und Knochen irgendwann zurückwombelten. Bei fast jedem Song animierte der Sänger das Publikum – sei es nun, die Pommesgabeln zu zeigen, irgendwas mitzugrölen oder eben Circle Pits bzw. Wall Of Death zu formen. Dieses ständige Animieren ist natürlich letztendlich auch ein Riesenunterschied zu Hardcore/PUNK – in diesen Bands steckt halt 0% des ursprünglichen Hardcore, es sind doch die klassischen Rollenmuster, wo die Chefs auf der Bühne den Würmern davor diktieren, was sie zu tun haben. Na ja, mit etwas ironischem Abstand war das alles witzig zu beobachten gewesen.

 

ARCH ENEMY hatten zunächst einen miesen Sound, aber man sollte bei einem Festival mit derart vielen Bands den jeweiligen Mixern auch Zeit gewähren, bisken an den Knöppen zu schrauben, kann schließlich kann in der Hektik kaum jemand einen richtigen Soundcheck machen. So wurde es auch von Song zu Song besser. ARCH ENEMY konzentrierten sich auf die letzten drei Platten, was bei ’nem relativ kurzen Festivalgig absolut okay ist. Klar, dass „Nemesis“, „We Will Rise“, „Burning Angel“, „Dead Eyes See No Future“ usw. gut ankamen, eingängig und gleichzeitig anspruchsvoll wie sie sind. Von den immer wieder in der Presse zitierten Stimmproblemen Angela Gossows war nichts zu hören. Die Gute schrie und kreischte vielmehr amtlich ins Mike, so dass es von meiner Seite aus nix zu meckern gab.

 

Dat letzte Album von FEAR FACTORY habe ich mir nicht geholt, offenbar richtig so, denn wenn die Band davon überzeugt wäre, hätte sie wohl mehr als nur höchstens einen Song gespielt. So ging man lieber auf Nummer Sicher und ballerte ein Best-Of-Programm runter, welches Tausende zum Hüpfen verleitete. Burton C. Bells Optik schmerzte zwar in den Augen (volle Kanne Retro-Ringel, oder wat?), sein Gebrüll tat dafür den Lauschern gut. Der Clean-Gesang allerdings war mal wieder zu leise (es wurde vereinzelt der Verdacht geäußert, dass diese Passagen vom Band kamen). Egal, „Cyberwaste“ wurde vom Mob mit den Zeilen „Nothing you say matters to us!“ voll mitgelebt, für richtig Bewegung sorgten auch „Martyr“, „Scapegoat“, „Self Bias Resistor“, Pisschrist“, „Shock“ und „Edgecrusher“. Immer wieder Maulsperre beim Drumming von Raymond Herrera, obwohl man es schon so oft gesehen hat (und da wird nur getriggert, aber nix getrickst, das konnte man anne Videoleinwand schön beobachten).

 

Bisher war kein Päusken drin, auch jetzt nicht, denn MORBID ANGEL zu verpassen, hätte mich mehr gestört als das Knurren im Bauch. Wieder seit kurzem mit „Gast“ Erik Rutan (HATE ETERNAL) an der Gitarre und vor allem seit ’04 mit David Vincent an Bass/Gesang, hatte man ein attraktives Line-Up am Start, nämlich die „Domination“-Besetzung von 1995. Steve Tucker hatte seine Sache immer sehr gut gemacht, die Platten waren eigentlich auch alle klasse, daher denke ich nicht, dass diese Umbesetzung mit Vincent rein künstlerisch nötig gewesen wäre, aber es ist wohl nicht übermäßig spekulativ, wenn man annimmt, dass die Band sich davon einen Popularitätsschub erhofft… Schade nur, dass dadurch keine neueren Songs mehr im Set waren, sich die Alphabet-Todesmetaller auf ihre ersten vier Platten beschränkten. Hätt’ ich nicht gedacht, dass Pete Sandoval und Trey Azagthoth sich darauf einlassen, können sie doch zu Recht stolz auf die acht Jahre ohne David Vincent sein. Und was ist eigentlich mit den Vorwürfen, der ehemalige Fronter habe rechte Ansichten vertreten? Hm, seien wir naiv und nehmen an, dass Vincent sich zum Positiven geändert hat (schließlich hat die Band ihn damals wegen seiner Einstellung rausgeworfen)… Da sollte aber schon noch mal ein Statement kommen, wir leiden schließlich nicht unter Gedächtnisverlust! Die Bandmitglieder schienen sich nie getrennt zu haben, so tight war das Zusammenspiel, Sandoval holzte in atemberaubendem Tempo technischste Drumfiguren, Azagthoth und Rutan rifften sich präzise durch diese typisch sicken MORBID ANGEL-Strukturen und Vincent kam wie ganz früher extrem charismatisch rüber. Mit ruhiger, tiefer Stimme kündigte er die Songs an, um dann viehisch loszugrunzen, wobei auch diese unheilvollen Melodien bei „Lord Of All Fevers And Plague“ und „Chapel Of Ghouls“ exakt so klangen wie auf Platte. Ansonsten ganz groß „Where The Slime Live“, „Rapture“, „Sworn To The Black“, „Maze Of Torment“ und „Immortal Rites“. Wann kommt „I“?

 

Die im zweijährlichen Rhythmus in Wacken spielenden GAMMA RAY boten für mich heute die einzige Chance auf ’ne Pause.

Die verging verflucht schnell, so dass wir uns richtig beeilen mussten und ATHEIST ihren Gig bereits begonnen hatten, als wir eintrafen. Yeah, wer hätte gedacht, dass man diese geile Band noch einmal zu Gesicht bekommt? Sie spielten auf der Party Stage und ich war überrascht, wie viele Leute auf den technischen Death Metal abfuhren UND die Songs der drei Platten „Piece Of Time“, „Unquestionable Presence“ und „Elements“ kannten, immerhin Undergroundstoff von 1989 bis 1993. Der Sänger entpuppte sich als tätowierter und schwer sympathischer Freak, der sich nicht vom herüber dringenden Sound der Black Stage stören ließ: „Fuck that noise – we have our own party here! I am not so much into New Metal anyway“ (wobei mir ein Blick ins Programm zeigte, dass drüben gerade SOULFLY am Machen waren, he he). Überhaupt versprühte die gesamte Band positive Energien und zeigte angesichts der Bangerhorden permanent grinsende Gesichter. Man gedachte auch des verstorbenen Bassisten Roger Patterson. Sein Nachfolger Tony Choy machte ihm nu wahrlich keine Schande – unglaublich, was der Macker, der auch schon bei CYNIC und PESTILENCE gespielt hat, aufm Bass abzog! Krasse Basslinien, z.T. etwas jazzig, aber immer effektiv. Feistes Highlight!

 

Ha, nun waren WHITESNAKE anner Reihe. Ich war gespannt, hab den bluesigen Hardrock früher gerne gehört, aber über die diesjährigen Auftritte viel Negatives erzählt bekommen (auf dem Sweden Rock und dem Bang Your Head soll Coverdale richtig schlecht bei Stimme gewesen sein). Lustig war erstmal, dass der Sänger im Alter von Ende 50 immer noch einen auf Sexgott macht und mit dem Mikro als Penisersatz herumposierte…. Na ja, aber gesanglich war er heute wesentlich besser drauf als in Schweden, was der Kollege N. aus K. bestätigen konnte, da er den Vergleich hatte. Man merkte schon, dass die höheren Passagen nix mehr für Coverdale sind, denn da klang seine Stimme kreischig und gestresst, aber die allermeisten WHITESNAKE-Songs leben ja nicht von hohen Power Metal-Vocals, sondern von eher tieferem, bluesigem Gesang. Und dit ging dann gut, es gab als Opener „Burn“ von DEEP PURPLE samt kurzer „Stormbringer“-Einlage und, na ja, halt die ganzen Klassiker der Band. Eine gute Figur machte dabei der Ex-DIO-Klampfer Doug Aldrich, der den Spirit der verschiedenen Phasen der Bandgeschichte gut hinbekam. Nervig allerdings die ganzen Soli, die man bei so einer Art Dinosaurierband in Kauf nehmen muss! Wer braucht bei einem Festivalgig noch ein Drumsolo?

 

Von WHITESNAKE zu EMPEROR, das ist mal ein Stilgefälle. Letztlich auch ein Zeichen der Zeit, dass eine wesentlich größere Menge EMPEROR bestaunte als WHITESNAKE, auch wenn es bei letzteren nicht gerade leer gewesen war. Waren das alle EMPORER-Fans? Oder Neugierige, die „Lords Of Chaos“ gelesen hatten und mal ’nen „paar echte Kirchenabfackler“ sehen wollten? Jedenfalls nahm ein sehr atmosphärisches Konz seinen Lauf, es wurde sofort klar, dass EMPEROR in den letzten Jahren keinen Rost angesetzt haben und genau so gut waren wie auf der allerletzten Tour. Die Setlist war Hammer, los ging’s gleich mit den ersten Songs der „In The Nightside Eclipse“, „Into The Infinity Of Thoughts“, „The Burning Shadows Of Silence“ sowie „Cosmic Keys To My Creations & Times“, was nicht wenige in regelrechte Euphorie versetzte. Noch besser fand ich gar „Thus Spake The Nightspirit“, denn die „Anthems To The Welkin At Dusk“ ist mein EMPEROR-Fave. Auch „IX Equilibrium“ wurde bedacht („An Elegy Of Icaros“, „Curse You All Men!“), bevor „Wrath Of The Tyrant“ uns auf eine Zeitreise 14 Jahre in die Vergangenheit entführte. Meine Nackenwirbel! Doch keine Gnade – weiter ging’s mit „With Strength I Burn“, „Towards The Pantheon“, „Majesty Of The Nightsky“, „Loss And Curse Of Reverence“ und „In The Wordless Chamber“, bevor Ihsahn sich verabschiedete. Mit Schulterspikes versehen kam er zurück und den Abschluss bildete eine Gänsehautversion von „Inno a Satana“, das EMPORER schließlich noch durch „I Am The Black Wizards“ krönten. Joah, auch wenn CELTIC FROST mein Favorit des Festivals blieben, so setzten EMPEROR sich immerhin als Tagessieger durch und somit auf den zweiten Platz, sofern man bei derart unterschiedlichen Bands überhaupt eine Rangfolge erstellen mag.

 

Na, die Füße schmerzten, aber MOTÖRHEAD hatte ich zweimal nacheinander wegen zu hoher Ticketpreise boykottiert, da konnte ich sie mir nicht entgehen lassen. Bevor es losgehen konnte, übergaben die Organisatoren allen möglichen Helfern noch Ehrenpreise. Außerdem gab’s ’ne Schweigeminute für den im letzten Jahr verstorbenen Besucher. Und… man holte „Bauer Uwe“ auffe Bühne, der wohl das Gelände verpachtet. Der dankte im breitesten S-H-Dialekt erstmal dem lieben Gott fürs schöne Wetter, was natürlich mit lautem Gejohle quittiert wurde und entließ uns mit den Worten: „Liebe Heavy Metal-Fans, kommt nächstes Jahr wieder – wir brauchen euer Geld!“.

Lauter als MINISTRY waren MOTÖRHEAD dann zwar nicht, dafür hatten sie einen guten Sound (EMPEROR übrigens auch, überhaupt die späten Bands). Los ging’s nach der obligatorischen Begrüßung „We are MOTÖRHEAD. We play Rock’n’Roll!“ mit „Doctor Rock“ und es folgte ein Gig in der oberen Kategorie der möglichen MOTÖRHEAD-Güteklasse. Denn Lemmy war gut gelaunt, lieferte sich zwischen den Songs nette Dialoge mit Phil Campbell und holte für „Killed By Death“ sogar seine Freundin Meldrum auf die Bühne, die über eine ähnlich dreckige Stimme wie er selber verfügt. Neben vielen Standards gab es zwei Songs von „Another Perfect Day“, nämlich „Dancing o­n Your Grave“ und „I Got Mine“, was mich besonders freute, bin ich doch großer Fan gerade dieser lange Zeit unterbewerteten Platte. Auch „Fast And Lose“ hatte ich lange nicht mehr live gehört und „Just Cause You’ve Got The Power“ ist ebenfalls länger nicht im Set gewesen. Schön, schön – zum Schluss natürlich „Ace Of Spades“ und „Overkill“.

 

Die Füße schmerzten barbarisch, aber da waren ja noch ROSE TATTOO… Noch vor einigen Jahren hatte man nach einer eventuellen Show der Australier gelechzt, jetzt sínd Auftritte von denen bereits Routine (glaub’, das war mein sechster). Angry Andersen laberte zwar ziemlich wirres Zeug („Wacken – walking o­n sacred ground, brothers and sisters…“) oder wunderte sich über FINNTROLL ein paar Bühnen weiter („What’s that fucking noise?“), war aber richtig gut bei Stimme. Die Band spielte recht viele neue Songs des kommenden Albums, die auch bis auf einen Stinker recht viel versprechend klangen. Ansonsten der ganze olle Schmonz, nur leider nix vom „Pain“-Album. Weiß echt nicht mehr, wie ich das trotz meiner gepeinigten Füße bis zum Ende ausgehalten habe… Aber tatsächlich, irgendwann verklang der letzte Titel („Astra Wally“ oder „Remedy“, weiß nich mehr) und wir schleppten uns zurück auffen Campingplatz…

- Beitrag von: Philipp

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