FORCE ATTACK X / 28.06.06 - Behnkenhagen bei Rostock, Tag 1
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Dienstag, 21. November 2006 00:00
- Geschrieben von Philipp
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Veranstalter Imre kann zufrieden sein – die Jubiläumsausgabe des FORCE ATTACK war mit ca. 14000 BesucherInnen die bisher erfolgreichste Auflage der „besten Punker-Party der Welt“. Grund? Natürlich die Auswirkungen der Fußball-WM, die… Na ja, was soll man nach Gründen suchen, wichtiger ist wohl, dass dat Festival völlig stressfrei ablief (zumindest ist mir nix Gegenteiliges zu Ohren gekommen), was ja nicht auf jedem Force Attack so war, wenn man z.B. an das Jahr denkt, in welchem ein Förster-Hochstand abgefackelt worden ist und nur ein Großeinsatz der Feuerwehr einen flächenübergreifenden Waldbrand hatte verhindern können (!).
Wir waren tatsächlich rechtzeitig vor Ort und hatten auch bereits die Heringe in den ausgedörrten und sauharten Boden gehämmert, so dass wir die erste Band sehen konnten. Die STARTS waren mir noch von einem Auftritt im Fundbureau als Nieten-/Stachelpunk in guter Erinnerung. Mittlerweile hat sich der Sound der Band leicht verändert, es gab auch Songs, die mehr so Midtempo waren und 'nen Oi-Einschlag hatten. Das gefiel mir dann eher nicht so gut, aber zum Glück gab es noch genug Geknüppel im Programm der STARTS, so dass man insgesamt ’ne positive Bilanz ziehen konnte. Ach ja, ein SCHLEIM-KEIM-COVER gab es auch noch, ich weiß nur nicht mehr, welcher Song das war.
Nachdem ich alle anderen im Gewühl verloren hatte, versuchte ich erstmal unser Kieler Camp wiederzufinden, was dann doch länger dauerte. Ja, ich geb’s zu, ich hab mich verlaufen… War aber lustig, denn ich traf ständig irgendwelche Bekannten oder solche, die es werden wollten. Außerdem gibt es ja bei so einem Festival viel zu gucken. Man muss sich wundern oder es achselzuckend zur Kenntnis nehmen, aber bereits zu dieser mittäglichen Zeit waren viele derart verstrahlt, dass sich die ersten Nasen nackich gemacht hatten, andere regungslos in vom Urin durchtränkten Gräben lagen und allerorts ein buntes Treiben herrschte.
Zu CHEFDENKER fand ich mich wieder vor der Bühne ein. Die waren ganz witzig, obwohl der Gitarrist mir zuviel auf den Monitorboxen rumposte. Aber schön räudiger Gesang zwischen Melodie und Geschrei und nette Ansagen sowie witzige Texte: „Im Grunde sind doch alle Menschen gleich / Deshalb schließe ich mit allen Menschen Frieden (…) Ob El Quaida-Terrorist oder Streifenpolizist / Ich hab alle Menschen gern…“. Natürlich wurde lautstark nach „Filmriss“ verlangt, dem alten KNOCHENFABRIK-Reißer, den CHEFDENKER dann auch spielten und den echt JEDER mitgrölte.
Man überredete mich, mit zu SOIFASS zu gehen, die gleich danach im Zelt zockten. Ich bin ja eigentlich kein Oi-Anhänger, aber die waren schon ziemlich gut. Halt nicht so lahmarschig wie viele Schunkel-Oi-Kapellen, sondern ziemlich zackig, flott und auch recht gut gespielt. Unglaublich, wie voll es im Zelt war und wie die Leute abgingen!
Auch KNORKATOR sind keine Band, die ich mir zu Hause anhören würde, aber der pure Wahnwitz, der da auf der Bühne zelebriert wurde, war schon sehr kurzweilig anzuschauen. Der Sänger ist allein mit seinen den halben Körper bedeckenden Tattoos ein echter Hingucker und dann hat der auch noch richtig was drauf und überrascht den ahnungslosen Hörer mit Neanderthal-Grunzern und plötzlich völlig kranken sirenenhaft hohen Operngesängen… Ganz zu schweigen von den zwischen Genie und Wahnsinn pendelnden Texten wie „Wir werden alle sterben“ oder „Mich verfolgt meine eigene Scheiße“ (’ne Kollegin von mir hat sogar mal eine Philosophie-Lehrprobe mit ’nem KNORKATOR-Song als Einstieg begonnen!). Damit nicht genug hantierte die Band plötzlich mit ’ner riesigen Häckselmaschine rum und ballerte zerschreddertes Gemüse in den Mob!
Apropos Gemüse: Lobend muss dat Essensangebot erwähnt haben, denn für 2,- bis 3,- Euro gab es leckere vegane Sachen zu futtern! Auch cool, dass der Bierpreis immer noch lediglich einen Euro beträgt! Dafür könnte im Innenbereich des Festivalgeländes mal wenigstens EINE Batterie Dixis aufgestellt werden oder wenigstens eine Pissrinne (diese allerdings wäre den Frauen auch noch keine Hilfe), denn da gibt’s sonst nix und da man nicht ständig 20 Minuten Weg hin und zurück auf sich nehmen will, ist man gezwungen, irgendwo auf den Boden mitten zwischen die Leute zu strappen oder an die Absperrung vom Mischpult, was die Mixer sicher erfreut…
Leider gibt’s auf dem FORCE ATTACK für meinen Geschmack viel zu wenig richtigen Hardcore und zuviel Ska. Dieses Jahr wären da nur RAWSIDE und CRUSHING CASPARS zu nennen, weswegen letztere auch Pflicht für mich waren. Sahen auch viele andere so, weshalb ich nur vom Zeltrand aus den hemmungslosen Moshpit beobachten konnte. Ich machte mir schon jetzt die mentale Notiz mich zu RAWSIDE rechtzeitig im Zelt einzufinden (was übrigens auch klappen sollte und gut so war). Jo, die CASPARS überzeugten mal wieder mit ihrem knalligen Old School Hardcore, riefen zu ’nem großen Circle Pit auf („ Ach ja, das is hier eher ein Deutschpunk-Festival! Also: Macht ’nen großen Kreis im Zelt!“ ) und holten mit „Gotta Go!“ von AGNOSTIC FRONT auch noch die letzten Reserven aus den rauen Kehlen der ZuschauerInnen.
Eine Enttäuschung waren dann EISENPIMMEL, wobei ich mich danach selber fragte, was man denn auch erwartet hatte. Letztendlich entzauberten sich EISENPIMMEL durch diesen Auftritt, denn die Band erwies sich als ziemlich biedere Rocktruppe, die nur durch den asozialen Gesang von Sängerin und Sänger lebt. Klar, einige Songs sind lustig („Ich Arsch hab Fleisch gekauft“, „Mir doch egal“, „Schwarzfahrn und saufen“), bei anderen geriet die Satire eher zur Realsatire, denn wenn Hunderte von Besoffenen bierselig „Malle Mallorca“ grölen und irgendwelche Balladen gedudelt werden, versiegt meine Toleranz…
Aber es sollten ja noch richtig gute Sachen folgen und dazu gehörten definitiv MAD SIN. Neben DRITTE WAHL für mich das Highlight des Tages. Die Band war in guter Form, es war ständig Bewegung auf der Bühne, Köfte sprang trotz seines Gewichts wie ein Flummi über die Bühne und nicht zuletzt setzten Songs wie „Dead Moon“, „Underground“ oder „Point Of No Return“ alle Tanzschuhe in Brand. Einige Showeinlagen mögen etwas einstudiert wirken, wenn man die Band häufiger gesehen hat, aber noch macht es mir immer wieder Spaß, wenn Hellvis Feuer spuckt oder Köfte sich hinlegt und der Kontrabassmacker auf dessen Wanst stehend zockt. Geil!
BAMBIX schienen ganz gut abzugehen, aber ich hab es nicht ins Zelt geschafft. Dafür eiste ich mich aber von allen sozialen Banden los um DRITTE WAHL nicht zu verpassen. Das hat sich dann sehr gelohnt, denn die typische Atmosphäre, die DRITTE WAHL erzeugen, kam auch auf dieser größeren Bühne zustande. Ist ja nicht selbstverständlich, manchmal sind Klubkonzerte intensiver und bei Festivals kann ein Teil der „Message“ einer Band untergehen. Doch wie die Rostocker das auch immer machen – diese „poitive Energie“ der Band war da und wirkte sich wieder auf die Stimmung vor der Bühne aus – Pogo, aber kein Prügelpit, Mitsingen, aber kein Parolengegröle, Aussagen, die einfach Substanz haben („Ihr seid so, wie sie wollen, dass ihr seid“ fällt mir da spontan ein). Mittlerweile wirkt auch Bassist Stefan nicht mehr „neu“ oder gar fremd. Ich will mal im Gegensatz zum Bericht übers letzte DW-Konz in Kiel nicht zu sehr ins Detail gehen und mit Songtiteln um mich werfen, aber erwähnen muss ich einfach „Auf der Flucht“, welches mich immer wieder umhaut und eine würdiges Gedenken an Busch’n darstellt.
Gut, soweit zum Auftakt des Force Attack, Fortsetzung folgt.
- Beitrag von: Philipp