SLIME, DAS BEBEN / 19.10.2012 – Kiel, Pumpe

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Mein dritter SLIME-Bericht innerhalb von 1,5 Jahren – das hätte ich vor der Reunion der Band nicht gedacht. RUBBERSLIME hatten bei mir nämlich eine derartige Skepsis vor einer Neuauflage der Legende erzeugt, dass ich den Auftritt in der Räucherei letztes Jahr mit gemischten Gefühlen besucht hatte. Tatsächlich merkt man dem dazugehörigen Review noch einen eher distanziert-ironischen Tonfall an. Ausgerechnet in Wacken überzeugten mich SLIME dann aber mit einem energiegeladenen Auftritt. Das neue Album hat es auf jeden Fall geschafft, ordentlich zu polarisieren. Wo man auch hinging – wenn das Gespräch zu stocken drohte, genügte der Einwurf „neue SLIME?“ und schon ging es heiß her, hehe. Ich gehöre zu denen, die „Sich fügen heißt lügen“ überzeugt hat! Klar, es ist weder mit den Alben der Frühphase zu vergleichen, noch ist es ein so rotglühender Wutbrocken wie „Schweineherbst“. Aber es hat doch so einige Volltreffer vorzuweisen, insgesamt funktioniert das Ding mit den Mühsam-Texten und ich finde sie stärker als „Viva La Muerte“.

Eines ist klar: Die relativ zahlreichen Auftritte in den letzten Jahren und das Album haben SLIME wieder ein ganz anderes Popularitätslevel erreichen lassen. Letztes Mal Räucherei, heute eine prall gefüllte Pumpe. Letzteres hat allerdings ätzende Nebenaspekte – es sind üble Prolls anwesend, die bei Ansagen wie „Soldaten sind Mörder“ tatsächlich buhen. Und die zwei sparsam besetzten Tresen sind so dermaßen überlastet, dass man beim Bierholen wirklich die Nerven verlieren könnte. Liebe Pumpen-Orga, sorry, dass ich bei JEDEM Pumpen-Review meckere, aber das MUSS doch besser funktionieren. Es war doch klar, dass es voll wird, somit hätte man das Tresenpersonal verdoppeln müssen und hätte sicherlich die dreifache Menge an Getränken umsetzen können!

           

Obendrein gibt es wieder DAS BEBEN zu ertragen. Zum Glück hab ich den Anfang verpasst. Aber die restlichen stumpfen Rocksongs lassen glatt mein hart erkämpftes Bier schal werden. Der Sänger Maschine issen Entertainer, das ist klar, aber in diesem Leben wird ich wohl dennoch nicht mehr warm mit DEM BEBEN.

 

         

Wie bereits angedeutet hat sich im Vergleich zum letzten Mal eine Menge bei SLIME verändert! Die ganze Band wirkt spritziger, die Songs werden mit viel mehr Energie rausgehauen. Herr Schwers am Schlagzeug hat gut in den Bandsound hineingefunden und knüppelt einige Songs so nach vorne, dass sie tatsächlich wie auf der „Live in den Pankehallen“ klingen („Untergang“, „Legal Illegal Scheißegal“…). Es werden viele Stücke von „Sich fügen…“ gezockt, was ich begrüße und was auch gut funktioniert! Gerade der Titelsong, „Rebellen“ und „Revoluzzer“ werden fast so gefeiert wie die Klassiker. Es geht überhaupt auch deutlich mehr Pogo und Gebrüll als in der Räucherei (von dem Auftritt wussten offenbar einige Nasen nicht mal etwas, das merke ich zumindest bei einigen Gesprächen. Man wundert sich ja über nichts mehr, wen man von einem lange nicht erblickten Bekannten mit den Worten „Endlich mal wieder Punk in Kiel“ begrüßt wird). Dicken gibt sich kämpferisch, zieht aus der Absage einer Veranstaltung gegen das Vergessen von Rostock-Lichtenhagen (offizielle Begründung habe gelautet, die Nazis könnten sich provoziert fühlen!) den Schluss: „Es hat in Deutschland eben nie eine wirkliche Entnazifizierung gegeben“. Schröder und Fischer bekommen für ihre Tätigkeiten als Aufsichtsratschef/Berater für Pipelines eine gepflegte Ladung Hass und „Revoluzzer“ gewidmet. Den lautesten Jubel fährt wohl „Religion“ ein, wobei ich gerade bei diesem Text einige Aussagen zu generalisiert finde („Mit Hitler und Mussolini habt ihr euch solidarisiert“ – gerade das stimmt so ja nicht, bei vielen Christen der „Bekennenden Kirche“ wurde aus der Ablehnung der nationalsozialistischen Gleichschaltungsversuche auch politischer Widerstand, zum Beispiel gegen die abartige „Aktion T4“, die „Euthanasie“morde). „Bullenschweine“ (und ich glaube „Polizei SA/SS“) sind seit Mai 2011 indiziert, worauf Dirk kontert: „Wenn man uns SO kommt, kommen wir euch SO!“ und eine furiose Version von BUTTOCKS‘ „BGS GSG“ spielt, einen Song, der textlich noch etwas drastischer ist als „Bullenschweine“ („Schüsse, Scherben, Kampf und Revolte / Hängt die Bullen auf und röstet ihre Schwänze“…) Ein anderer Hamburger Klassiker halt... An der Playlist gibt es nichts zu meckern, weitere Highlights sind natürlich „Schweineherbst“, „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“, „Störtebecker“, „Etikette tötet“, „Alle gegen alle“, „Brüllen, zertrümmern und wech“… Geil kommen die teilweise im Wechsel von Elf und Dirk gesungenen Passagen wie überhaupt die Chöre. Vor „Untergang“ fragt Elf, ob der „gespielte Witz“ funktionieren könne – tatsächlich gönnen sich Dirk und Elf den Spaß, das Stück mit dem Dialog „Fünf mal zur Hölle!“ – „Einfach?“ einzuleiten. Für noch mehr Begeisterung sorgt höchstens noch das Finale „Deutschland muss sterben“, bevor die Zugabe „1,7 Promille Blues“ die Darbietung aufs Gechillteste beendet.

           

Das Fazit kann also trotz einiger negativer Randerscheinungen nur positiv ausfallen. Danach geht es noch in den Hardcore-Ballroom der Schaubude, wo Fanski uns mit Klassikern bis in die frühen Morgenstunden einheizen wird.

Kommentare   

+4 #15 Andy 2012-11-16 00:10
Für fünf Minuten sicherlich.
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+3 #14 toffi 2012-11-15 20:56
Sind die Hipster-Touristen die fünf Minuten auf ne Hardcore-Show in der Flora gehen auch Teil der DIY-Szene? :-x
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0 #13 DoctorJoyBoyLove 2012-11-15 16:22
Ich finde es auch nicht generell verwerflich, mit Musik Geld zu verdienen, solange das nicht der einzige Grund ist, warum man Musik produziert. Ich finde allerdings, dass diese "Professionalisierung" mit der früheren kompromisslosen radikalen Haltung von Slime unvereinbar ist. Und diese Haltung hatte mit Sicherheit ihren Anteil an der Popularität der Band, die jetzt zu Geld gemacht wird. DAS finde ich schon verwerflich.
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+1 #12 bockfred 2012-11-15 14:33
Immerhin spielen sie auch ihre instrumente selber, ist doch auch DIY ;)
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+1 #11 JanML 2012-11-15 14:14
Ich würde jetzt nicht behaupten, dass sich Slime vollständig aus dem DIY-Teil der Szene verabschiedet haben. Immerhin spielen sie auch ab und an noch auf DIY-Level, z.B. dieses Jahr in der Lobuschstr.
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0 #10 bockfred 2012-11-15 11:01
Sehe ich ähnlich, ich muss aber auch sagen dass ich ess nicht grundsätzlich verwerflich finde von musik zu leben.

p.s. die neue slime-scheibe darf ich aber trotzdem kacke finden oder?
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+2 #9 DoctorJoyBoyLove 2012-11-15 10:16
Ich auch nicht. Im Gegensatz zu "der" Punkszene ist in "der" Mtalszene der DIY-Sektor extrem klein. Vermutlich aufgrund des dort weiter verbreiteten Anspruchs, für Musik angemessen entlohnt zu werden. Dirk Jora und Co. haben sich aus diem DIY-Teil der Szene mittlerweile bewusste verabschiedet. Wenn man so will, spielen sie jetzt unter professionellen Bedingungen. Ich würde allerding vehement der Annahme widersprechen, dass man für Bands mit hoher Qualität grundsätzlich über 20 € Eintritt bezahlen muss. Da gibt es genügend Gegenbeispiele.
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0 #8 JanML 2012-11-15 00:21
Ich finde das eher schlecht, würde diese Aussage so aber auch nicht unterschreiben.
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0 #7 bockfred 2012-11-14 23:56
"Fazit: Die heutige deutschsprachige Punk-Musik-Szene unterscheidet sich nicht großartig von der Metalszene." Ist das jetzt gut oder schlecht?
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