INNER CONFLICT, C3I, AUXES, MÖRDARE / 29.09.2012 – Flensburg, Senffabrik

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Das gibt es nicht! Da feiert die Flensburger Senffabrik bereits ihr ZEHNJÄHRIGES BESTEHEN – und ich bin bis jetzt noch nie da gewesen! Überhaupt finden sich in der Datenbank von Dremu gerade mal zwei Konzertberichte aus der Senffabrik (mit diesem: drei). Und das angesichts von unzähligen Berichten aus dem Pit (über 1300) und der Tatsache, wie viele großartige Bands hier bereits gespielt haben. Wir müssen uns als subkulturell interessierte Menschen offenbar an die eigene Nase packen: Flensburg oder genauer die Aktivitäten, welche dort in Wohnprojekten wie dem Hafermarkt und der Senffabrik stattfinden, wurde/n bisher (mindestens) von der Kieler Fraktion viel zu wenig unterstützt! Und was für ein traumhaftes Wohnprojekt die Senffabrik ist! Ihr merkt: Ich bin jetzt noch – beim Schreiben dieses Berichts – völlig begeistert.

AUXES

Also von Anfang an:

Die Senffabrik liegt in der Norderstraße, man betritt sie aber über den winzigen Rummelgang und steht dann gleich in einem kultigen und extrem liebevoll eingerichteten Hinterhof. Ein großer Garten, überall gemütliche Sitzmöglichkeiten, steile Treppchen – im Sommer sicher noch geiler. Heute zahlt man übrigens entweder 5,- Euro Eintritt oder packt 'nen Fünfer drauf – dann gibt es noch einen Sampler im DVD-Format mit zwei CDs und einem feisten Booklet, styled by Bäppi (Human Parasit Fanzine), der auch das heutige Festival organisiert (zusammen mit einer hyperaktiven Crew, die heute schon einen veganen Kuchencontest, einen Kletterworkshop, Vokü-Hamham und ‘ne Fanzineecke auf die Beine gestellt hat). Auf dem Sampler sind ausschließlich Bands, die in der Senffabrik gespielt haben, darunter Knaller wie FROM ASHES RISE, BOMBENALARM, SKITSYSTEM, KAMIKATZE, KURHAUS, DEAN DIRG, ABFUKK... Die Katakomben des eigentlichen Gebäudes zeigen gleich: Die Senffabrik trägt ihren Namen aus historischen Gründen – hier wurde tatsächlich früher Senf hergestellt und im Boden finden sich noch die Schienen einer Lore. Irgendwer sagt, dass die Wände und der Boden keine Flyer, Poster oder Graffiti benötigten -  dat sei schon im Urzustand volle Kanne Punk! Und so ist es. Micha von Brückentick Records verspricht uns angesichts unserer Begeisterung eine Tour durchs gesamte Gebäude, die wir nach der zweiten Band frecherweise auch in Anspruch nehmen. 

Erst mal gilt es aber, leckere Cocktails, Bier oder sonstige Getränke zu verhaften und zahlreiche Bekannte zu begrüßen, wobei festzustellen ist, dass kaum Kieler_innen anwesend sind.

         

Mit MÖRDARE aus Barcelona gibt es zu Anfang eine Portion Kruste vor den Kopp. Die Zusammenstellung der Bands ist somit sehr abwechslungsreich – von Geknüppel bis Melodie ist alles dabei. MÖRDARE peitschen ihre Stücke im Affenzahn ins Rund. Da schmeckt der Cocktail, den ich mit abgespreiztem kleinen Finger goutiere, doch gleich viel besser. Hier weiß man, wie man lebt. Crust’n’Cocktails. Die Spanier gefallen mir gut, auch wenn sie den Crust nicht neu erfinden. Dafür wirken sowohl Wut als auch Spielfreude so ehrlich und unaufgesetzt, dass man einfach nur mitbölken muss, auch wenn man des Spanischen nicht mächtig ist. Ich glaube den Ansagen etwas über Flüsse voller Diesel, fucking Touristen und Mutanten zu entnehmen – die Typen gehen schon in Ordnung.

         

Nun geht es in ganz andere Gefilde. AUXES aus HH kommen mir zum Teil bekannt vor, ich bin mir fast sicher, mindestens eine der Hackfressen schon in einer anderen Band gesehen zu haben. Aber wie sacht der Engländer – ich kann den Finger nich draufpacken. Gefällt mir jedenfalls gut. Ich bin nicht immer in der Stimmung für Postpunk oder wie auch immer man die Musik der Band nennen soll, aber AUXES machen ihre Sache abwechslungsreich und trotzdem irgendwie noch eingängig und nicht unmelodiös. Eigentlich rotzt die Band für das Präfix „Post“ auch zu sehr nach vorne.

Als ich in der Pause zufällig Micha erblicke, erinnere ich ihn spaßeshalber an den versprochenen Rundgang. Und was soll ich sagen? Der Typ hat das nicht nur ernst gemeint, an dem ist ein verdammter Fremdenführer (oder sagt man Stadtbilderklärer) verloren gegangen! Als hätte er nie etwas Anderes gemacht, präsentiert der höfliche Fucker uns jeden Raum und füttert unsere Hirne mit Fakten und Anekdoten. Es gibt einen saugemütlichen Kinoraum, eine Siebdruckwerkstatt, den obligatorischen Proberaum, sogar eine Kletterwand und überhaupt ist die gesamte Senffabrik wirklich der Hammer. Leider gibt es in den Wintermonaten eine Konzertpause, denn es gibt wie in der Meierei keine Heizungen in dem Gebäude und somit wären die Konzerträumlichkeiten schlicht zu kalt.

         


Eine echte Überraschung bricht dann mit C3I über uns herein. Ich hatte die Band gar nicht auf der Pfanne, aber es stecken einige bekannte Gesichter dahinter, und zwar am Schlagzeug Phil (ANTIKÖRPER, RASTA KNAST), am Mikro Arne von TORPEDO MOSKAU und NOISE ANNOYS (und x anderen…). Wie geil! Den Arne hab ich vor vor 25 Jahren oder so mit NOISE ANNOYS in der Pumpe gesehen – und wir waren damals mit A.L.D.I. der Support. Hamburger Ursuppenpunk also, der immer geht. Arnes Stimme hat mich schon immer etwas an Jello Biafra erinnert, nur vielleicht etwas weicher im Timbre, falls man das so nennt. Der Hammer, als sie plötzlich „Keine Zeit“ von TORPEDO MOSKAU auspacken! Richtig gute Version, ich bin fast sicher, dass dem ollen Ballo ‘ne Träne über die Backen kullert. „Ey, flennst du?“ – „Ach, QUATSCH!“ Ja, nee, hach, wat herrlich!


C31        

Noch ein Cocktail, noch ein Bier, neidisch beäugt vom ollen Jan, der heute netterweise den Driver mimt. Gut so, sind die Bilder mal nicht so verwackelt! Und dann schon INNER CONFLICT. Angeblich soll es die ja bereits seit 20 Jahren geben. Kann ja gar nicht sein, dazu sehen die doch viel zu jung aus. Ich hab die Band erst mit der „Schiffbruch im Rahmenprogramm“ für mich entdeckt und hab das Ding genauso wie den Nachfolger „nachhause.“ richtig oft gehört. Jetzt seh ich sie zum ersten Mal live. Ballo tritt ein hartes Erbe an – sein Vorgänger war schließlich ein Schlagzeugcomputer. Klappt aber gut, die Band ist nicht übermäßig irritiert, wenn sich das mal etwas anders anhört als früher. Die Stücke faszinieren mich vor allem durch ihren inneren Gegensatz aus musikalisch eigentlich recht positiver Power und den krass schlecht gelaunten oder gar depressiven Texten. Sehr schön auch, dass die Band bei aller Melodie nie ZU eingängig oder poppig wird, Jennys großartige Stimme wird immer mal durchs Gebölke der anderen ergänzt und live kann ich El Tofus Geschwafel von „unterschwelligen Crust-Einflüssen“ auch ein bisschen nachvollziehen. Jenny bedankt sich aufs Charmanteste fürs Essen, was ihre Band durch „Naja, es war etwas zu wenig Soße da“ relativiert – gekrönt durch Felix aus dem Mob mit einem geradezu wölfihaft gebrüllten „Das Schlimmste ist, wenn die Soße alle ist“. Mein erster INNER CONFLICT-Auftritt – die erwartete Bombe.


C31

Danach übernimmt ein DJ die Beschallung, aber wir eisen uns widerwillig vom Geschehen los. Nicht ohne uns fest vorzunehmen, die Senffabrik so schnell wie möglich wieder zu besuchen!

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