TEMPEST, LENTIC WATERS/11.07.2012 - Kiel, Schaubude

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Ich habe einen guten Bekannten (nennen wir ihn mal ähm King Kong), der wohl mit den miesesten Musikgeschmack der westlichen Hemisphäre besitzt. Irgendwo zwischen Schrammel-Oi, Ballermann-Metal, dem allerallerschlimmsten Euordanceschrott und all denjenigen Schlagern, die irgendwann mal als Vorlage für bierselige Fußballgesänge (mindestens fünfundvierzig Minuten immer und immer wieder wiederholt) dienten. Halt Hauptsache nervend-eingängig, stumpf und mitsingbar. Völlig klar also, das King Kong an diesem Abend zu Hause bleibt, während geschmackssichere Menschen zur Schaubude pilgern. Hardcore ist angesagt, einmal aus Kanada, einmal aus Deutschland.

Beginnen dürfen dann die Kanadier TEMPEST, die von erste Sekunde an eine massive wall of sound auffahren. Das ist eine Mischung aus düsterem Hardcore mit Krustenkante und einer ordentlichen Dosis Black Metal. Vor allem der völlig verzweifelt-kaputt klingende Sänger sorgt für ein ganz fieses Gefühl. Dabei headbangt besagter Sänger dazu noch wie Irrer und nutzt die gesamte freie Fläche vor der Bühne, um dort wie ein Derwisch abzugehen. Trifft durchaus auf Gegenliebe beim Publikum. Ob das was damit zu tun hat, dass er die Schönheit Kiels lobt, wage ich aber nicht zu beurteilen. Highlight des Sets ist definitiv der siebenminütige Titelsong der "Passages"-LP, bei dem sich die Band zum Abschluss nochmal in einen Rausch spielt. Kein Wunder also, dass die Meute vor der Bühne etwas braucht, um nach diesem etwas kurzen Auftritt nach Zugabe zu verlangen. Diese müssen aufgrund des erkrankten Sängers aber leider ausfallen.

So ist dann nach kurzer Umbauphase die Zeit für LENTIC WATERS gekommen. Die machens erstmal schön dunkel, nur um dann dem Publikum einen, passend zum nicht vorhandenen Licht, akustischen Einlauf zu verpassen. Klingt für mich wie Kreuzung des Portland-Hardcoresounds mit CONVERGE und einer amtlichen Prise Black Metal. Ruhigere Passagen treffen dabei auf mächtige Walzenparts und Doublebassgewitter, inklusive Blasts. Der Fünfer reißt die Hörer_innen dabei in ein emotionales Wechselspiel, lullen sie regelrecht ein, nur um dann mit umso heftigeren Ausbrüchen zu überraschen. Langweilig wird das ganze dabei nie, LENTIC WATERS wissen sehr gut, wie ein Spannungsbogen zu funktionieren hat. Die Band selber verzichtet dabei fast ganz auf Interaktion mit dem kopfnickenden Mob, klar, es gibt ein paar Ansagen, aber die meiste Zeit konzentriert sich das Quintett auf das Kreieren eines fiesen Mahlstroms. Und das klappt hervorragend, ich bin jedenfalls regelrecht geplättet von dieser intensiven Show.

Alles in allem also ein sehr schöner Konzertabend mit zwei wirklich guten Bands, astreinem Sound und für einen Mittwoch abend auch ansprechend besucht. Also alles super? Naja, fast. Krustenonkel und Black-Metal-Afficinado J.S. hat einen ordentlichen Zug aus der Hatorade-Flasche genommen und meckert, dass das alles viel zu unoriginell, langweilig und trendy sei und es eh zig Bands gäbe, die so oder so ähnlich klängen. Klar, das Rad wird weder von TEMPEST noch LENTIC WATERS neu erfunden und es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass zur Zeit einige Hardcorebands den Black Metal für sich entdecken, solange das aber so gut und intensiv geschieht wie heute abend, können das ruhig mehr Bands so machen. Und ich könnte wetten, dass beim nächsten Konzert dieser Art sowohl der Verfasser (zum Abfeiern) und auch besagter Krustenonkel (zum Bier trinken und meckern) sowie der Rest der anwesenden Besucher_innen wieder am Start sein werden....

Kommentare   

+2 #1 guerilla77 2012-07-20 10:52
Du machst mich noch zu einer Ikone. Die Frage ist welches Synonym sich am Ende etablieren wird...
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