SABATON, GRAVE DIGGER, POWERWOLF, SKULL FIST / 15.09.2011 – Hamburg, Markthalle

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Als ich mich nach relaxter Anreise (schön Schläfchen im Zug gehabt) der Markthalle nähere, bin ich ja doch baff: Eine derart lange Schlange gab es nicht mal bei NIRVANA am selben Ort: 200 Meter stehen die Menschen auf der Straße an und weiter schängelt sich der metallische Lindwurm über die Treppen bis zum Eingang. Ich werde leicht nervös, habe ich doch SKULL FIST bereits auf ihrer letzten Tour mit ENFORCER und BULLET nahezu komplett verpasst.

 

Doch es geht alles recht zügig voran und so stehe ich wenig später mit einem frischen Bier angenehm nah an der Bühne, als die Kanadier um Jackie Slaughter loslegen. Man beginnt gleich selbstbewusst mit Gitarrengegniedel, um dann die voller 80er-Metalkeule herabsausen zu lassen. Herrlich, wie retro die vier Freaks in Kutten, Metalshirts, einer lilafarbenen und einer mit Japansonne designten Gitarre sowie Turnschuhen allein schon optisch wirken. Der neue Drummer ist vielleicht nicht so hübsch wie seine Vorgängerin, mit ‘ner pudelartigen Turmfrise aber definitiv auch ein Hingucker. Auf Platte quäkt Herr Slaughter manchmal sehr – live kommt das der Gesang erstaunlich saftig und vollmundig. Der Sound geht auch bereits voll in Ordnung, sodass die meist schnellen Songs gut abgefeiert werden. „Head Öf The Pack“ ist der Speed-Ohrwurm, „Cömmit Tö Röck“ der Stampf/Fistbang-Hit und „Nö False Metal“ die klare Bandphilosophie. Bei letzterem Stück nimmt Jackie Slaughter den anderen Gitarristen auf die Schultern, beide zocken natürlich weiter und dudeln eine feiste Twin-Harmonie. Fantastisch.

Was aber bei POWERWOLF stimmungstechnisch zelebriert wird, ist mehr, als man bei manch einem Headliner erlebt. Ich bin durch JoyBoy auf die Band gekommen, habe mir unlängst meine erste Powerwolf-Scheibe geholt, nämlich „Blood Of The Saints“ und bin von der deutschen Band ziemlich angetan. Normalerweise mag ich Metal voller Kitsch und Bombast ja gar nicht. Aber die Wölfe sind dermaßen originell und ironisch, dass man Refrains wie „Die! Die! Dynamite / Sanctified With Dynamite / Hallelujah“ schnell grinsend mitträllert. Das krude Image – blutsaufende Wölfe mit sakralem Kult – spiegelt sich natürlich in Bühnendesign und –deko wieder (große Aufsteller mit kirchenfensterartigen Gemälden, die religiöse Darstellungen allerdings entsprechend „modifizieren“) und wie eine Heavy-Metal-Parodie wirken. Die Band präsentiert sich extrem spielfreudig, technisch fit und vor allem SEHR unterhaltsam. Der angeblich rumänische Sänger (mich würde bei der Band nicht wundern, wenn das ein Fake ist, haha) macht die kultigsten Ansagen in gebrochenem Deutsch: „Wiirrr müssen Sie bedanken für Platte in Charts. Haben wiirr niiicht so geplaaant, iiist einfaach so gekoooommen“. Schön auch die Frage zu „Resurrection By Erection“ (!): „Wärr iiist heute morgen mit einärrr Latte aufgewacht? So wänig? Ich würrdä mirr nachdenken machen!“ Dabei sollte aber nicht unerwähnt bleiben, wie gut der Kollege singt – passt mit fast opernrübenhaftem Pathos herrlich zur Musik. „We Drink Your Blood“, „Raise Your Fist, Evangelist“ oder „Saturday Satan“ werden von vorne bis zur wortwörtlich letzten Reihe beklatscht und mitgesungen. Immer wenn der Keyboarder nichts zu spielen hat, rennt er nach vorne uns peitscht die Meute zusätzlich an. Der schrille Höhepunkt ist dann eine Art „Metal-Messe“, bei welcher der Sänger in Priestergewand und eine Weihrauchschale schwenkend in sakraler Pfaffen-Tonlage singsangt: „Hatten Sie heute Abend alle Spaß gehabt? Haben Sie mit uns Ihre Köpfe geschüttelt? Amen“ (oder so ähnlich). Was für ein Spaß!

GRAVE DIGGER sind die einzige ältere Band heute. Man hat sie natürlich schon oft gesehen und so ist es nicht derart voll wie bei den anderen Bands. Respekt allerdings dafür, dass die gute Stimmung dennoch fast gehalten wird. Das liegt nicht zuletzt an dem Gitarristen Axel Ritt, der sowohl die Klassiker als auch die Songs der aktuellen Platte geradezu funkensprühend darbietet und für GRAVE DIGGER ungefähr das darstellt, was Zakk Wylde für Ozzy war. Der Gute postet übrigens auf seiner Facebook-Seite sympathischerweise täglich Links mit tierrechtlichem Inhalt – totale Solidarität! Gerade zwischen SABATON und POWERWOLF zocken GRAVE DIGGER angenehm „ehrlich“ – ohne zusätzliche Bombastchöre vom Band und zum Beispiel mit nur einer Gitarre. Chris Boltendahl kreischt sich charmant durch die Historie der Band. Erfreulich, dass man „Wedding Day“ von der „Reaper“-Scheibe wieder mal ausgräbt. Sonstige Highlights stellen für mich „The Dark Of The Sun“, „Highland Farewell“ (einer der besten neuen Songs – geil, wie hier die Gitarre im Refrain die Gesangslinie ergänzt), „Excalibur“ und „Heavy Metal Breakdown“. „Rebellion“ wird wohl am heftigsten mitgesungen, ich habe mir das Stück etwas überhört.

Hm, es ist natürlich erfreulich, wie hoch klassischer Metal wieder im Kurs steht und dass gerade auch derart viele Kids Bands wie die hier beschriebenen abfeiern. Aber SABATON sind mir persönlich zu plump und kitschig. Gerade im Vergleich zu POWERWOLF fallen SABATON ab, was Gesang, Arrangements und Hitcharakter der Stücke angeht. Ich komme auch mit den Texten nicht klar, die allesamt Kriegsthemen verarbeiten. Klar könnte man einwenden, dass MOTÖRHEAD, DISCHARGE etc. das auch tun. Ich finde aber, dass die Kunst, die sich inhaltlich mit dem Krieg befasst, gescheitert ist, wenn sie nicht entweder Trauer, Abscheu oder Wut erzeugt (MOTÖRHEADs „1916“ oder „Unknown Soldier“ von den CASUALTIES seien als Positivbeispiele genannt). SABATON versuchen in „The Final Solution“ auch den Holocaust zu thematisieren, aber sorry, mit derartigen Schüttelreim-Lyrics („Enter the gates, Auschwitz awaits“) greift man schlicht daneben. Nicht dass ich falsch verstanden werde: Ich sehe die Band keinesfalls in der Grauzone oder gar braunen Ecke, die „meinen“ das sogar sicher „gut“. Gut gemeint ist aber nicht immer auch gut gemacht... Soldatenkitsch und Titel wie „World War Live“ (aktuelle Liveplatte) sind mindestens unsensibel und – sprechen wir es aus – dumm. Die Reaktionen auf „The Final Solution“ bestätigen unangenehm meinen Eindruck – da wird millionenfacher Mord besungen und Leute rudern dazu bierselig mit den Armen im Takt, direkt danach brüllt die Menge wie auf dem Ballermann „Noch ein Bier! Noch ein Bier!“ (offenbar eine Art Running Gag auf Sabaton-Konzerten, aber gerade an dieser Stelle einfach peinlich). Nu, das Publikum würde mir sicherlich energisch widersprechen, die Reaktionen sind euphorisch und die knallbunten T-Shirts der Band gehen weg wie BOLT-THROWER-Merch…

Die Rückfahrt mit dem Zug verläuft wieder angenehm entspannt – nur schade, dass ich erst beim Aussteigen zunächst meinen Bruder und dann Anna & Bocky treffe, die bei ROBINSON KRAUSE waren, glaube ich. Warum nur konnte man auch nicht JoyBoys Vorschlag folgen und die beiden Konzerte zusammenlegen?

 

Kommentare   

+1 #3 DoctorJoyBoyLove 2011-09-17 21:04
Haha. Wie gern hätte ich das miterlebt.
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0 #2 Philipp 2011-09-17 19:17
Steht da doch :-)
Passt aber auch gut zum Text, wenn man allein an Verdun denkt.
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0 #1 Keks Grinder 2011-09-17 19:03
Der Song von Motörhead heißt abert 1916 ;)
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