IRON MAIDEN, RISE TO REMAIN / 02.06.2011 – Hamburg, o2 World

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„Wenn das Steve Harris wüsste“, murmelt ein Headbanger mittleren Alters am Merchstand angesichts der exorbitanten Preise. Die historisch gruselige Parallele mal außer Acht gelassen ist das ein Erklärungsversuch, warum MAIDEN mit Dingen durchkommen, für die man andere Bands längst gekreuzigt hätte – die wahnwitzigen Merchpreise, das ständige Neuauflegen des gesamtem Backkatalogs (immer mit anderen Extras, versteht sich) oder die juristische Verfolgung von Bootleg(weiter)verkäufern. Nichts kann offensichtlich am Lack der Band kratzen. Der oben zitierte Kollege weiß warum: Zwischen Anhängern und Band stehe einfach ein skrupelloses Management, und die armen Musiker wissen von nichts…

http://www.youtube.com/watch?v=t3KTkguw3U0

Videos von Tanja M.

 

 

Zumindest sorgen auch heute ca. 13.000 Maidenmaniacs (naja, 1000 Menschen, die irgendwie wichtig sind und wahrscheinlich keine Platte der Band kennen, kann man wohl getrost abziehen) für eine ausverkaufte Hütte. Ich korrigiere: Statt „Hütte“ sollte man eher RAUMSCHIFF sagen. Wir betreten ein gewaltiges High Tech-Bauwerk, perfekt zugeschnitten für einen derartigen Andrang. Und das muss ich sagen, obwohl ich seelenlose Geldverwertungstempel eigentlich hasse: Perfekt läuft das wirklich ab. Als ob man ins Kino ginge, vielleicht gar noch stressfreier. Keine Warteschlangen, egal ob vorm Ko, am Bierstand oder am Eingang. Denn die zuströmenden MASSEN werden durch x Eingänge gelotst, Bierstände und Toiletten gibt es derart viele, dass man sich wie der Prasser im Schlaraffenland kaum zu bewegen braucht, um alle Bedürfnisse zu befriedigen… Von der technischen Seite ebenfalls alles auf Genuss eingestellt: Perfekte Sicht-, Sound- und Lichtverhältnisse, wir fläzen uns auf bequeme Sitze. Natürlich alles sauteuer, Ticket an der 70-Euro-Marke, ‘nen Bier 4 Euronen… Und irgendwie mit einem unheimlichen Sciene-Fiction-artigem Flair behaftet, so neu und sauber und blinkend alles… Aber vom Konzerterlebnis ist das klar angenehmer als im vollgestopften Docks. Bis auf den Typen, der von ein paar Rängen über uns ständig herunterrotzt oder mit Bier kleckert. Dennoch: Die Sitzplätze sind eine Option, die ich in 40 Jahren bestimmt häufiger nutzen werde, wenn ich so langsam alt werde…

Der Opener ist die Band von Bruce Dickinsons Sohn. Singen kann der Kerl, nur leider nutzt er sein Talent für eine gesichtslose Nu Metal-Band, deren Riffs von der IN-FLAMES-Schrotthalde geklaut und recycelt werden. Gesang zwischen Geschrei und – gähn – vorhersehbaren Clean-Passagen. Ein paar Songs halten wir aus, bevor Strecker mich zum Bierstand zerrt.

http://www.youtube.com/watch?v=wonAHt98fr8

Licht aus, UFOs „Doctor, Doctor“ an, ein Song, den MAIDEN schon seit längerem als Opener benutzen, der ergo auch alle bisher Sitzenden in die Senkrechte reißt. Dann das Intro der neuen Scheibe, tausend Lämpgen blenden mich, zwei riesige Leinwände zeigen spacige Motive und einen verfremdeten Dickinson (man sieht – das Space-Motto wird konsequent durchgezogen) und dann rennt die Band zum Break auf die Bühne. Ich hab Maiden noch nie derart gut beobachten können, auf allen vorherigen Konzerten war ich im Grunde in eine schwitzende, wabernde Menge eingezwängt. Ist umso beeindruckender, wenn man Dickinson bei jedem Sprint und jedem Sprung zusehen kann. Was ist der Kerl fit. Fliegt mal ein Bierbecher auf die Bühne, kommt sofort ein Roadie samt Handtuch aus irgendwelchen Katakomben geflitzt und wichst alles zurecht. Irgendwie erheiternd, aber andererseits nicht unsinnig, denn Dickinson springt schon gern mal mit Anlauf über die Monitore – wenn da eine Lache wär und er sich den Arsch bräche, wär das ja nicht so schön. Es kommen viele Stücke vom neuen Album, so haben IRON MAIDEN das schon immer gemacht (auf meiner ersten Maiden-Stippvisite zur „Powerslave“-Tour waren es ebenfalls fünf, das weiß ich noch). Immerhin sind es neben „The Final Frontier“ und „El Dorado“ geschmackssicher die besten drei Songs, nämlich „The Talisman“, „Coming Home“ und das Gänsehaut erzeugende „When The Wild Wind Blows“ (zeitloses Anti-Atom-Szenario). Ansonsten holt man im Vergleich zum Wacken-Auftritt mehr Klassiker aus der Schatztruhe – „The Trooper“, „Running Free“, „Two Minutes To Midnight“, „The Evil That Men Do“, „Fear Of The Dark“, „Iron Maiden“ (erst kommen zwei gigantische grüne Hände aus dem Hintergrund, dann eine Eddie-Birne bis zur Hallendecke), „The Number Of The Beast“ und „Hallowed Be Thy Name“. Natürlich auch nicht wenige Titel der neueren Phase („Wickerman“, „Dance Of Death“…)  Einziger Kritikpunkt sind also ausbleibende größere Überraschungen für die Diehard-Fans. Dafür punktet die gesamte Band mit der ihnen eigenen Spielfreude, dem typischen Humor, einer musikalischen Leistung ohne Tadel – und einigen charmanten Ansagen von Bruce Dickinson. Der erhält für seine Ansage, dass es egal sei, welche Hautfarbe man habe oder welcher Religion man angehöre – Hauptsache, man sei… ein Maidenfan, minutenlange Ovationen, bevor „Blood Brothers“ intoniert wird..

Fazit: UP THE IRONS! Weniger wäre weniger.

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