PURPLE DEATH, URSUS / 12.06.2010 - Flensburg, Senffabrik

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Mit ordentlich Verspätung möchte ich hier nun doch noch meine Erlebnisse von einem der nettesten Konzertbesuche diesen Jahres loswerden. In Zeiten von Jetlag, BurnOut und Co. ist etwas Entschleunigung ja auch gar nicht verkehrt. Zu belauschende Bands waren PURPLE DEATH und URSUS, Ort des Geschehens die Senffabrik, persönliches Motto des Abends:

Die Scheiße heißt Deutschland!

Die Senffabrik war mir zwar durch diverse Flyer und Erzählungen ein Begriff, selbst hatte ich es aber nie hin geschafft, deshalb bin ich natürlich gespannt wie ein Flitzebogen, als wir uns gegen Abend per Wochenendticket auf den Weg nach Flensburg machen. Auch URSUS sind für mich musikalisches Neuland, sollen gerüchteweise aus den
spanischen Krusten von EKKAIA entstanden sein, die sagen mir auch nix, als Vorband spielen aber PURPLE DEATH aus Kiel und die konnten mich diverse Male begeistern, obwohl es sie ja nun noch nicht allzu lang gibt.

In der Bahn stellt unser kleines Reisegrüppchen erst einmal fest, dass niemand von uns so genau weiß, wo der Laden überhaupt liegt, davon lassen wir uns aber nicht abschrecken und philosophieren stattdessen über Gott, Waldorfschulen und die Welt. Unserem belaptoppten Sitznachbarn sind wir anscheinend sympathisch, als wir ihn nach Internet fragen, hat er uns schon auf eigene Faust den Weg zur Senffabrik ergoogelt. Netter Typ!

Da wir recht früh in Flensburg aus der Bahn stolpern, machen wir noch einen Abstecher ins Hummels Eck, verhaften ein Kirschtörtchen (Schwarzwälder Kirschtorte in Cocktailform) und amüsieren uns über die Spontan-Goaparty im Raucherraum, wo drei Menschen semimotiviert auf der Stelle wackeln, während der DJ abgeht, als würde er grad die Loveparade rocken.

Zurück auf die Straße und ab Richtung Senffabrik. Aus der Ferne erschallt das mittlerweile wohl jedem verhasste Tröten und wir grübeln eine Weile über den Namen des Instruments. Bald kreuzt auch der dazugehörige Suffmob unseren Weg und auf unsere Frage, wie der Scheiß gleich nochmal heißt, schreit uns der Inhaber des Trötwerkzeugs begeistert "..DEUTSCHLAND!!!" ins Gesicht. Erst vor der Senffabrik entspannen sich unsere Gesichtsmuskeln langsam wieder, wir wischen uns die letzten Tränen aus dem Gesicht und entern... ein Paralleluniversum?!

Selten hatte ich einen solchen Kulturschock. Grad noch mitten in der Einkaufszone, in eine unscheinbare Einfahrt gelatscht und du stehst mitten in einem einfach nur traumhaften Wohnprojekt. Wir kommen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, besichtigen Haus und Garten und vergessen fast warum wir hier sind, nämlich Geballer angucken. Das fängt dann auch erst recht spät gegen 23Uhr an, die Zeit wird mit Kickern, Bier und Gesprächen um die Ecke gebracht, an Nachhausefahren denkt niemand mehr.

PURPLE DEATH starten ihr Set mit einem düsteren Intro, das Fussel freudestrahlend aus seinem Synthie-Spielzeug quetscht. Es folgen die bereits bekannten Songs, neues Material mit Gesang ist zwar als Rohversion vorhanden aber noch nicht live-tauglich. Macht aber gar nix, ich persönlich finde die Instrumentalstücke tausendmal geiler, da sie viel atmosphärischer rüberkommen als der bisher alleinstehende D-Beat-Rumpel-Schrei-Track "Paralyzed"(?). Der kann aber mit einer sehr guten Ansage überzeugen, dreht er sich doch grob umschrieben um die Thematik, dass Mensch sich mit politischer Arbeit schnell tot machen kann, wenn er/sie sieht, dass alles Bemühen immer wieder im Nichts versickert.

Als zweite und leider auch schon letzte Band des Abends dann URSUS. Die vergeuden keine Zeit mit Intro oder ähnlichem und entfachen gleich mit dem ersten Song ein derart infernalisches Geballer, dass ich noch gar nicht so richtig realisiere, was überhaupt vor sich geht, als der Sänger mich schon das erste Mal fast über den Haufen mosht. Allesamt urigst zottelige Biester, schreddern die Spanier wirklich ALLES in Grund und Boden, wobei spätestens zum Ende hin mehr Olf als Dezibel im Raum gemessen werden können. Wider Erwarten geht das Konzert trotz kleinstem Raum und kontinuierlich stärker tobendem Sänger ohne gebrochene Gliedmaßen oder Tote über die Bühne. Auf Platte vielleicht ein bisschen stumpf, aber live sollte man sich das ruhig mal geben!

Nach dem Konzert wird sich dann tapfer am Tresen festgeklammert da wir bis zur ersten Bahn ausharren müssen, die Tresencrew ist aber total lieb, macht ohnehin durch und bietet uns direkt Pennmöglichkeiten im Haus an, gegenüber Fremden jetzt auch nicht so üblich. Ich greife auch wirklich noch für zwei Stunden ein Sofa ab, bis wir völlig verwackelt den Heimweg antreten und gegen 9:30 endlich zurück nach Shelbyville gelangen.

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