INFECTIOUS GROOVES, URBAN MAJIK JOHNSON, HIGH GAIN DISTRICT – 28.03.10 – Hamburg, Markthalle

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Die Funk-Echsen sind wieder da! Mike Muir, seines Zeichens hauptberuflicher Frontmann von SUICIDAL TENDENCIES ist immer wieder für eine Überraschung gut. Im Frühjahr 2010 ist es die Doppel-Tour von SUICIDAL TENDENCIES und seinem eigentlich vor Jahren beerdigten Funk-Crossover-Sidekick INFECTIOUS GROOVES. Beide Bands sind zusammen auf Tour und spielen immer abwechselnd. In Hamburg waren die INFECTIOUS GROOVES an der Reihe, wobei das Line-Up von I.G. zu 80% identisch ist mit den SUICIDAL TENDENCIES (lediglich ein neuer Gitarrist tritt an die Stelle von S.T.-Stammklampfer Mike Clark.)

 

Mike Muir

 

Zunächst startet die Party mit HIGH GAIN DISTRICT aus Elmshorn. An dieser Stelle mal ein großes Lob an die Markthalle, dass sie immer wieder lokale Bands als Support für Topacts bucht (so hatte ich vor einiger Zeit als Support von PRONG eine bestimmte Kiel-Rendsburger Formation bewundern dürfen, die sich nach einer „Dune“-Figur benannt hat...). Allerdings war die Halle weitgehend leer, was zu einem ziemlichen Stimmungsvakuum führte. Außerdem litt der Sound auch deutlich unter der Leere in der Markthalle. Und so waren HIGH GAIN DISTRICT bemüht, standen aber letztlich auf ziemlich verlorenem Posten. Die drei Elmshorner präsentierten Ihren sehr trockenen, technisch anspruchsvollen Crossover-Core. Optisch erinnerte mich der Basser-/Sänger an Kurt Cobain, aber da endeten die Ähnlichkeiten auch schon.

Eine deutliche Professionalitätssteigerung erfuhr der Abend mit der zweiten Vorband URBAN MAJIK JOHNSON aus Hamburg. Ebenfalls in der klassischen Dreierbesetzung Bass-Sänger, Gitarrist und Drummer angetreten, waren URBAN MAJIK JOHNSON schon rein optisch ein Hingucker. Der Drummer, ein dunkelhäutiges Tier, der es sich nicht nehmen lässt, auch während des Gigs mal nach vorne zu stürmen und ins Mikro zu bölken, dann der baumlange Gitarrist im passenden Basketball-Dress und mit Almöhi-Bart. Zuletzt der kleine Basser, der ordentlich Sabbelwasser getrunken hatte und mit langen deutsch-englisch verwoben/verworrenen Ansagen die Zeit zwischen den Songs füllte. Verstanden hab ich höchstens die Hälfte, aber egal, ich fand's cool, die Band sprühte vor Spielfreude und ließ ein ordentliches Gewitter über die Markthalle fegen. Von den Mitreisenden wurde der Sänger allerdings teilweise als „arroganter Unsympath“ bezeichnet, so kann die Wahrnehmung eben auseinander gehen. Aber ich bin der Meinung, als Frontsau kann man sich nicht nur Freunde machen (SMOKE BLOW-Fans werden wissen, was ich meine...). Die Mucke war extrem variantenreich und reichte von fiesen Moshstücken bis hin zu leichtem Funk. Auch hier kann man es so oder so sehen – ob die Band ihre Richtung noch nicht gefunden hat oder sich einfach alles offen hält und sich in keine Schublade pressen lässt. Auf jeden Fall passte es zum Hauptact wie der Deckel auf den sprichwörtlichen Pott.

Eben jener Hauptact war mittlerweile auch eingetroffen, so machten wir in der Pause einen kleinen Ausflug zur Merchandise Ecke, wo eine unglaubliche Auswahl an SUICIDAL / INFECTIOUS – Sachen dargeboten wurde. Die Auswahl reichte dabei von den obligatorischen Bandanas und Shirts über Basketballhemden bis hin zu kompletten Skateboards. Die Kalifornier sind in Sachen Selbstvermarktung eben unvergleichlich. Nach wie vor ist es die einzige Band, bei der es entgegen dem Rock'n'Roll-Knigge erlaubt, nein: Pflicht ist, seine eigenen Klamotten zu tragen. Leider hatten die Jungs wohl nichts von der anhaltenden Dollarschwäche gehört, so waren die Preise leider astronomisch und so gar nicht punkrock-like.

In der Halle legten die INFECTIOUS GROOVES los und Mike Muir und Konsorten fingen kaum an, die Opener „Punk it up“ und „These Freaks are here to party“ anzustimmen, als in den ersten Reihen alles in Bewegung geriet und ein wildes Getanze begann, welches sich bis zum Schluss nicht mehr legen sollte. Wie schon angedeutet war das Line-Up fast identisch mit dem SUICIDAL TENDENCIES-Line Up, welches wir auf dem WITH FULL FORCE bewundern durften. Der nicht beteiligte S.T.-Klampfer Mike Clark war allerdings auch auf der Bühne und machte die ersten Ansagen. Was viel Zeit sparte, den die späteren Ansagen von Mike Muir entwickelten sich wie gewohnt zu minutenlangem High-Speed-Gesabbel, das gehört einfach dazu! INFECTIOUS GROOVES präsentierten hauptsächlich Songs von den beiden Alben „The Plague that makes your Booty move“ und „Groove Family Cyco“. Der Versuch, Mike Muir auf ein Foto zu bekommen, war vollkommen sinnlos, weil er wie ein Flummi die ganze Zeit über die Bühne wetzte. In der Mitte des Sets übergab er das Mikro an einen lustigen Typ mit schickem Hut und a...langer Matte und ebensolchen Fusselbart. Als er ans Mikro trat und hineinsprach, weckte die Stimme sofort Assoziationen - und tatsächlich handelte es sich um den legendären „Sarsippius“, der auf den ersten beiden Alben als Rock-Echse für die unterhaltsamen Zwischenparts zuständig war.

 

 

 

Hier intonierte er mit der Band (und jetzt mit Clark an der Gitarre) den LED ZEPPELIN-Klassiker „Immigrant Song“. Wäre das Publikum nicht sowieso total in Rage gewesen – hier wären endgültig alle Dämme gebrochen! Die Band nahm sich auch die Freiheit, die alten Songs zu variieren, so endete „Violent & Funky“ in einer relaxten Swingversion, was zu dem Titel des Stücks eher mäßig passt, aber musikalisch cool rüberkam. Bei „Therapy“, der Refrain wurde in der Studioversion von Ozzy Osbourne gesungen, holte Muir Leute aus dem Publikum auf die Bühne, die kurzerhand zu den „Osbournes“ gemacht wurden („This is Ozzy's wife! And Chris Osbourne...“ usw.) und Ozzys Part übernehmen durften. Klang aber eher etwas schräg. Aber das ist halt typisch S.T./I.G.: We are Family, und auch das Publikum gehört dazu! Die Krönung kam dann im Finale, als das Publikum aufgefordert wurde, die Bühne zu stürmen. Schließlich endeten einige Dutzend Leute tanzend und singend mit der Band auf der Bühne (ich gestehe, der Schreiber dieser Zeilen gehörte diesmal auch dazu) und die „Groove Cyco Family“ zelebrierend.

Nach dem Ende des regulären Sets gab's für mich ein Novum: Das Publikum rief nach einer Band, die an dem Abend gar nicht gespielt hat. Noch interessanter, dass eben diese herbeigerufene Band dann auch tatsächlich auf die Bühne kommt! Euch schlauen Füchsen und Füchsinnen ist natürlich klar: Die Sprechchöre lauteten „S.T. S.T.!“ und mit fix ausgetauschtem Gitarristen lief als Zugabe die aktuelle SUICIDAL TENDENCIES Besetzung auf und beendete den Abend mit dem S.T.-Klassiker „I saw your Mommy“. Danach war leider (viel zu früh) Schluss und hinterließ neben dem Gefühl, ein unglaublich geniales Konzert gesehen zu haben, den Wunsch, der Doppelband nach Berlin zu folgen, was leider nicht realisierbar war...

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Kommentare   

0 #1 Matt 2010-04-01 12:41
Alle Fotos sind übrigens in der Galerie. Allerdings mit Handycam, daher eher geht-so-Qualität.
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