WITH FULL FORCE XI / 02.07.2004 - Roitzschjora, Tag 3

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Irgendwann nachts hatte sich ein starker Wind erhoben, der ordentlich an meinem Zelt rüttelte. Und Regen kam auch ordentlich runter. Aber als ich mich endlich gezwungenermaßen hinausbegab, da meine Blase mir keine andere Wahl ließ, war das Wetter wieder einigermaßen stabil. Und so blieb es auch den ganzen Tag, kein Regen, aber ein stetiger Wind. Nu, das sind wir Kieler durchaus gewöhnt. Neugierig auf HANNS MARTIN SLAYER machten wir uns dann pünktlich auf zur Hauptbühne.

Mir war bereits bekannt, dass sich hinter diesem genialen Namen eine SLAYER-Coverband verbirgt. „Was sonst?“ mögt ihr mir zurufen, doch so selbstverständlich schien das nicht zu sein. Einige Nasen reagierten jedenfalls sehr enttäuscht, hatten sie wohl so eine Art Alleinunterhalter im Stil von Mambo Kurt erwartet. Ha, das könnte man vielleicht auch kombinieren: So’n Typ mit zwei Bassdrums auf dem Rücken sowie Fusspedalen, ’ner Klampfe und Mikro und ab geht der „Angel Of Death“... Aber HANNS MARTIN SLAYER traten natürlich im klassischen Vierer-Lineup auf. Man spielte viele Songs von der „Reign In Blood“, ergänzt um „South Of Heaven“, „War Ensemble“ und „Mandatory Suicide“. Hm, etwas mehr Mut zu obskureren Songs außerhalb dieser bekanntesten SLAYER-Phase wäre nett gewesen. Aber gut gezockt! Für das Break in „Angel Of Death“ gab’s verdienten Szenenapplaus. Der Gesang war etwas tiefer und knurriger als bei Tom Araya. Insgesamt gut kopiert, witzigerweise brachte der Sänger sogar eine Originalansage von der „Decade Of Aggression“-Liveplatte auf Deutsch: „He, das sieht böse aus hier vorne. Wenn jemand hinfällt, helft ihm auf! Das ist sowieso das beste, was man tun kann: Jemanden aufhelfen oder aushelfen“...
Nun war mal Zeit übers Gelände zu pilgern und sich ein paar der Stände anzusehen. Den Metal Market vermieden wir aus monetären Gründen allerdings lieber. Aber am LEGACY-Stand ergatterte ich das aktuelle COTHURNUS-Mag. Ganz heißer Tipp für Fanzine-Freunde! Vollkommen irre, was Sindri und Jarne hier abziehen. So haben die beiden eine völlig neuartige Methode zur Bekämpfung der braunen Pest entwickelt: „Döner-Weitwurf gegen Rechts“. Oder das Interview mit dem Oberförster aller Oberförster dieser Welt, der hier u.a. verrät, welche Baumtypen für Black Metal-Bandfotos besonders geeignet sind (am besten Nadelbäume, die Kiefer sei z.B. „extrem keyboardfeindlich“). Da auch noch Kochrezepte, die 101 Regeln um als Metaller Anerkennung zu ernten und sogar Interviews drin sind, auf jeden Fall unverzichtbar!
Eigentlich hätten jetzt EXHUMED spielen sollen, doch die hatten abgesagt. Und wer sprang da stattdessen fröhlich auf die Bretter? HATESPHERE, die dänischen Deaththrasher! Vor dieser Band gibt es wahrlich kein Entkommen. So oft kann ich die Platte gar nicht hören, wie die plötzlich vor mir auf irgendeiner Bühne auftauchen! Beschweren will ich mich nicht, denn der Auftritt war wieder mehr als gelungen. Sänger Jacob rannte mehr im Graben direkt vor den Fans rum als auf der Bühne und lüpfte irgendwann sein Baseballcap, worunter sich ein frisch geschorener Iro verbarg („I got this new haircut yesterday while I was fuckin’ drunk“). Mit Songs wie „Vermin“, „What I See I Despise“ oder „Deathtrip“ machte man sich sicher viele neue Freunde, zumal alles schön druckvoll und energiegeladen rüberkam. Die Band wollte dann auch gar nicht mehr zum Ende kommen, bis ihnen plötzlich mitten im Song der Saft abgedreht wurde und ein Roadie mit wütendendem Blick und dem Zeigefinger auf der Uhr auf die Bühne rannte...
Danach wurde es voll vor der Bühne, denn HEAVEN SHALL BURN standen auf dem Plan. Zunächst war der Sound nicht so optimal, was gerade im Gitarrenbereich bei all diesen Harmonien etwas schade war. Wurde aber besser und so entfalteten Geschosse wie „The Weapon They Fear“ oder „It Burns Within“ ihre volle Wirkung. Es gab dann auch den wohl größten Circle Pit des Festivals, so richtig mit kleinem inneren Zirkel in Gegenrichtung. Live fiel mir auf, dass die Songs zum Teil ganz schön lang sind, was mir bei den fett produzierten Scheiben gar nicht bewusst war. Egal, trotzdem Hammer. Süß auch der Ossi-Dialekt des Sängers: „Gruuß on Tsentschurie Midia, unsre Ploddenfiirmo“, he he... (was natürlich völlig nebensächlich ist, denn der Gute widmete allen rechtsoffenen Besuchern ein leckeres „Verpisst euch!“ – und das zählt wirklich).
Ein Viertelstündchen später standen auch schon CROWBAR auf der Bühne, sichtlich erfreut und motiviert, vor einer solchen Masse Leuten zu spielen. Obwohl ich noch im Kopf hatte, dass im Zelt gleich mit WALLS OF JERICHO auch eine sehr sehenswerte Band spielen sollte, konnte ich mich nicht losreißen. Vom ersten Ton an hatten mich CROWBAR gefangen und hielten mich fest umklammert. Die Wolkendecke war aufgerissen, warmer Sonnenschein brannte runter und trotzdem kletterte eine feiste Gänsehaut ganz langsam an meinen Armen hoch, als CROWBAR „The Lasting Dose“ intonierten. Geiles Gefühl! Zu "Planets Collide” kamen Jacob von HATESHPERE und noch ein Macker auffe Bühne und schmetterten mit. Wie neulich in Hamburg fiel mir wieder auf, dass die CROWBAR-Zocker sehr viel Blickkontakt untereinander hatten und sich ständig angrinsten. Selbst wenn auch diese Besetzung vielleicht nicht ewig hält, so hat Kirk Windstein nicht irgendwelche Knechte engagiert, die für ein paar Dollars einen Job erfüllen, sondern offenbar Freunde/Bekannte aus New Orleans, die diese Songs lieben.
WALLS OF JERICHO waren dann schon durch, sollen laut Christian auch sehr gut gewesen sein. Erstaunlich, dass der trotz seiner erfolgreichen Pfandbechersuche überhaupt was mitbekommen hat, denn heute durchbrach er die Grenze von 70 Bechern! „Das Ticket hab ich raus, he he!“ Der Kerl muss doch wirklich mit der Nase ständig knapp über’m Boden gehangen haben. Der Beweis: Christian hatte sogar einen BONEHOUSE-Button gefunden und wie sich rausstellte, war der mir just heute im Gedrängel von der Jack gefallen! Kann doch echt nicht angehen, bei 25000 Leuten findet der Typ meinen Button im Dreck!
Auf CONFLICT war ich gespannt und registrierte erst mal überrascht, wie fit die aussahen. Mit unheimlich viel Energie legten die dann auch los. Keine einzige Ansage, nur brachiale Punk-Power. Gleichzeitig auch ziemlich chaotisch, ab und zu setzte der Drummer aus und setzte irgendwann wieder ein. War das nun geplant oder war das vielleicht ein Aushilfsdrummer? Störte aber auch nicht wirklich, denn zu dem rauen Anarcho-Punk passte etwas Chaos. Und wenn die Band dann zusammenfand, kam ein gewaltiger Druck rüber. Bei einigen Songs war eine Sängerin dabei, die seit einem Jahr fest zur Besetzung gehörte, wie mir gesagt wurde. Eine gute Ergänzung, die hatte eine sehr wütende Stimme. Im Zelt war es nicht sehr voll, da die meisten sicherlich SHADOWS FALL gucken waren. CONFLICT fielen außerdem ziemlich aus dem sonstigen Rahmen, waren mit Abstand die punkigste Band des Festivals. Unkonventionell, chaotisch und brachial! Ach ja , und SAULAUT!
Und schon wieder gab es eine harte Entscheidung zu fällen: ROSE TATTOO oder die Hardcoreler von TERROR? Da TERROR recht tourfreudig sind und man nie weiß, wann Angry Anderson tot umfällt, entschieden wir uns für erstere. Auf jeden Fall haben wir es nicht bereut, denn ROSE TATTOO waren gut in Fahrt. Am Anfang befürchtete ich schon, Angry würde bald umkippen, so wie letztes Mal in der Markthalle, wo das Konz abgebrochen werden musste. Denn offenbar hatte der Asi schon vorm Gig amtlich gebechert und hatte ordentlich einen sitzen. So hielt er seine unterhaltsamen Monologe über „brothers and sisters“ und philosophierte wirr herum. Aber gesungen hat er verdammt geil und blieb auch senkrecht! Pete Wells war leider nicht dabei, der Ersatzmann hat seine Sache aber sehr gut gemacht. CROWBAR standen strahlend am Bühnenrand und feierten den Gig headbangend ab. „Bad Boy For Love“, „Rock’n’Roll Outlaw”, “Scarred For Live”, “Rock’n’Roll Is King”, “One Of The Boys”, “The Butcher And Fast Eddie” – die Classics waren fast alle am Start und immerhin ließ man mit “Kisses And Hugs” (inoffiziell “Someone To Fuck”…) auch die geile “Pain”-Scheibe nicht außen vor.
DARK TRANQUILLITY sind sicher nicht schlecht, ich mochte sie aber zu „The Gallery“-Zeiten lieber und hab sie schon so oft gesehen, dass ich eine Pause vorzog. Strecker hielt sich beim Bierkonsum heldenhaft zurück, wollte er sich doch noch heute Nacht hinters Steuer klemmen. Und das mir zuliebe, denn er musste am nächsten Tag im Gegensatz zu mir NICHT arbeiten. Thanx, Strecker!
BLOOD FOR BLOOD ließen ganz schön auf sich warten, als die Meute im prall gefüllten Zelt zu murren begann, stürmte endlich Buddha auf die Bühne und bat um ein paar Minuten Geduld, man sei gerade erst angekommen. Hm, und warum stand das bandeigene Equipment dann schon auf der Bühne? Aber spekulieren wir mal nicht ohne näheres Hintergrundwissen. BLOOD FOR BLOOD wurden mit einem Riesenhallo empfangen und gleich beim ersten Song verschleierte sich vor aufgewirbeltem Staub die Sicht. White Trash Rob kotzte sich erst mal über Bush aus und widmete ihm all seinen Hass. He, diesmal gefielen mir die Jungs viel besser als in der Markthalle! „Mother Dear“, „Some Kind Of Hate“, „Dead End Street“, „Ain’t Like You“ – das sind schon perfekte HC-Mitgröhlhits. Auch einige neue Songs waren dabei und versprechen einen guten Nachfolger von “Outlaw Anthems”. Aufgrund der Verzögerung war nach zwanzig Minuten oder so auch schon Schluss.
Schnell noch mal zu TURBONEGRO gewieselt. Ach na ja, die Band hätte sich mal nicht reformieren sollen. Dann hätte nicht nur ich sie gut in Erinnerung behalten. Diese Reunion-Platte war schon langweilig, auch der Gig heute ließ das alte Pfeffer vermissen, wirkte routiniert abgeschmackt. Klar, der typische Humor war schon nach da, aber die Songs knallten nicht rein. Gähn. „Ob ich die jetzt gesehen hab oder nicht...“ sagte auch Christian achselzuckend. Und vom Extra-Zeltplatz für die Turbojugend wollen wir mal gar nicht erst reden...
Dann lieber BACKYARD BABIES, da fehlte zwar auch im Vergleich zu früher der Dreck, aber gut abgerockt ham die Jungs. Machte auch mehr Spaß, weil der Gig im Zelt stattfand – bei dieser Musik muss man die Zocker schwitzen sehen können, sonst kommt das nicht rüber, find ich. Man hatte überraschend viel Platz im Zelt, aber zur gleichen Zeit spielten auf der Hauptbühne MONSTER MAGNET, deren Publikum sich sicherlich mit dem der Schweden überschneidet. Dregen bleibt natürlich ’ne coole Sau, der die Rock’n’Roll-Posen mit der Muttermilch aufgesogen hat. Und auch der Rest der Band tat alles um dem Mob ordentlich einzuheizen. Nicht schlecht, auch wenn ich „Total 13“-Zeiten vermisse. Als Gäste erschienen übrigens bei einem Song Euroboy und zwei Typen von den PEEPSHOWS (laut Nicke „Swedens most sleaziest band“...) auf der Bühne und unterstützen an Gitarre und Gesang.
Hm, wir warfen einen kurzen Blick auf MONSTER MAGNET, befanden dieses fürchterliche Gedudel aber übereinstimmend als höchst langweilig.
Also auf in die (für uns) letzte Schlacht: SOULFLY wollten wir doch zumindest mal sehen und zu meiner Überraschung war Maxes Truppe richtig geil. Ich mag ja dieses ganze Tribal-Gedöns nicht so und habe mir bisher keine SOULFLY-Platte zugelegt, aber so viel kam davon live auch gar nicht. Max hatte eine sehr gute Band dabei, besonders der Gitarrist (bekloppterweise die ganze Zeit mit Rucksack auf dem Rücken) war verdammt fit, zockte sehr variabel (u.a. auch mal einen Flamenco auf ’ner Doppelhalsigen) und sprang dabei noch wie wild durch die Gegend. Insgesamt gab es schön viel schnelle und aggressive Songs, so wurden sogar zwei SEPULTURA-Songs von der „Beneath The Remains“-Platte gespielt, nämlich “Mass Hypnosis“ und “Inner Self”. Auch einige der SOULFLY-Songs ballerten aber ganz schön und so vom Hören kannte man dann doch fast alles.
Tscha, so ging ein erlebnisreiches Festival zu Einde. Es sollten noch vier Bands unter dem Motto „The Last Supper“ spielen, nämlich ATROCITY, TIAMAT, LAKE OF TEARS und THE VISION BLEAK, aber wie gesagt rief die Arbeit am nächsten, ja eigentlich noch am selben Tag, denn es war bereits 24.00 Uhr durch. Mit olle Ragnar hatten wir uns am Bändchen-Container vor der Bühne verabredet. Dort warteten wir dann auch. Fünf Minuten, zehn Minuten, 15 Minuten – langsam wurden wir ungeduldig. Irgendwann kam mir die Idee, doch mal auf die ANDERE SEITE des Containers zu gucken und DA STAND RAGNAR und wartete ebenfalls! Ich muss uns jetzt erst mal selber gratulieren, fast ’ne halbe Stunde nur ein paar Meter voneinander entfernt auf sich zu warten – dat ist schon bemerkenswert...
Yeah, Strecker war dann unser Held, bretterte er doch fünf Stunden durch die Nacht zurück ohne sich einen Hauch von Müdigkeit anmerken zu lassen.
ONWARD TO WFF 2005!
- Beitrag von: Philipp

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