CZEPOKS, TUMORCHESTER / 11.02.04 - Kiel, Schaubude
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- Kategorie: Berichte aus dem Pit
- Veröffentlicht: Dienstag, 21. November 2006 00:00
- Geschrieben von Mrs.Fiend
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..Ja, Czepoks und das Tumorchester aus Hamburg waren mächtig verstörend. Leider kam ich etwas zu spät, 22:45 war die erste Band schon fast durch. So konnte ich nicht mehr verifzieren, ob Gast Mike dem Volker "Sittich" Neumann an Gitarre/Schlagzeug zu Recht gleich ganze 10 von 10 Punkten für seine ehrlich unverstellte Attitüde und das begeisternde Selbstverständnis seiner subkulturellen Zugehörigkeit verlieh.
Turmorchester kann man, wenn man es denn versuchen will, am besten als eine Mischung zwischen den RESIDENTS und den PIXIES beschreiben, auch wenn man gerne noch TUXEDOMOON, SPK, BIG BLACK und sonst was für verrückte Musikschaffende anführen will, um dem gewaltigen Getöse mit mal mehr und mal weniger besessen fabriziertem Schlagzeugrhythmus irgendwie gerecht zu werden. "Die sind scheisse", sagte mir eine Dame aus dem Publikum; dem konnte ich nicht zustimmen, höchstens dass die persönliche Hörgewohnheit im ersten Impuls mit ablehnender Herabwürdigung des Dargebotenen kontert, erschien mir für dieses vorschnelle Urteil legitimierend. Wenn man sich allerdings über diese Schwelle herüberbequemt hat und zudem vielleicht etwas abstrakteren Klangstrukturen nicht gänzlich entwöhnt ist, finden sich schnell Momente des akustischen Verwunderns und des vorsichtigen Wohlgefallens, ja sogar Mit-Swingens. Hier sind keine Dilletanten am Werk, hier ringt man um Vertonung des Seins, das mal Drama, mal Groteske, und mal auch nur eine ästhetische Verstörung a `la Mainzelmännchen-Mutation ist.
Die Frage, die mir immer mal wieder durchs Gemüt kollerte, betraf das Erfinden selbst: Wie überhaupt geschieht das Komponieren solcher Musikstücke, wieviel von der Melodie als solcher ist dem Zufall und der momentanen Improvisationslaune überlassen? Bei aller assoziierten Einmaligkeit des Klangmusters scheinen hier dennoch bestimmte Techniken der Tonerzeugungspraxis kultiviert worden zu sein, denn streckenweise wringt man auf den Gitarrenhälsen herum als gelte es, die Töne einzeln herauszumelken und zwar genau mit diesem gewitterartigen Laut. Die Menschen an den Instrumenten wirken allesamt überzeugt von ihrer Sache; diesen wohlkalkulierten Lärm mit seiner leicht klaustrophobischen Unbehaglichkeit fabriziert man nicht als Karnevalsscherz, zumal der über ein Headphone schreisingende Schlagzeuger der kränklichen Unheilsstimmung auf recht intensivierende Weise Bild und Ton verleiht. Viel zu verstehen ist nicht vom deutschen Text, aber bei so einer Darbietung kann es nur ums Menschsein unter Menschen gehn, völlig klar, und da darf man auch mal die hysterischen Anteile seines Wesens aus dem innerlichen Knast lassen. Die Anteilnahme ist wie immer freiwillig.
Bleibt noch zu erwähnen, dass der Sittich von Czepoks wie auch Kai von Tumor/Czepoks über unsere Schaubude völlig begeistert waren und sich sehr wohl gefühlt haben. Das freut einen doch mal!
- Beitrag von: Mrs.Fiend
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