KEIN HASS DA! / 06.08.09 – Hamburg, Lobusch/No Pasaran

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Im Zeitalter von MySpace isses schon witzig, wie man den Aufbau einer neuen Band quasi von Anfang an virtuell verfolgen kann. So haben es wohl viele mitbekommen, als olle Karl Nagel letztes Jahr im Netz randalierte und verkündete, dass er nach 15-jähriger Pause wieder auf die Bühne MÜSSE.

Nagel wird natürlich den meisten noch ein Begriff aufgrund seiner Tätigkeit für die APPD (Kanzlerkandidat Bundestagswahl 1998) und der Chaostage (lesenswert: „Die letzten Tage von Hannover“, Plastic Bomb 2000) sein. Oft kritisiert, nicht unumstritten, empfand ich das insgesamt als intelligent ausgelebten Anarchismus bzw. mindestens Aktionismus. Ältere unter euch werden sich aber auch daran erinnern, dass Karl Sänger der genialen Hannoveraner Punkband MILITANT MOTHERS war. Zurück auf die Bühne also, trotz 47 Jahren auf dem Buckel, „sprießender Glatze“ und „nachlassender Potenz“ (O-Ton Nagel, „Die letzten…“, s.o.)…

Dafür fand er dann mit Olli (Ex-EMILS, g), Rotter (STONE COLD BLACK, d) und Wojtek (b) gleich ‘ne komplette Band, die schon unter dem Namen SECTRET 99 von 1999 bis 2003 Songs von den BAD BRAINS gecovert hatten. Jetzt aber mit deutschen Texten unter dem Banner KEIN HASS DA! Erster Auftritt wurde als öffentliche Probe für umme in der gemütlichsten Punkerhöhle Hamburgs (nämlich der Lobuschstr., ihr Ölaugen, steht doch oben) angekündigt. Für uns (Dremu-Abteilung Steffi, El Tofu und der bescheidene Verfasser) keine Frage: HIN DA!

Die Lobuschstr. war denn auch bereits lebhaft mit saufenden, palavernden sowie parlierenden Punks bevölkert. Ich frag mich ja immer, wie viele Punker da wohl schon überfahren worden sind, wenn gehetzte Altonaer BürgerInnen durch die Straßen brausen, ohne jeglichen Blick für Trinker mit eingeschränkter Motorik (oder meinetwegen auch für vom Konzerterlebnis exaltierte und daher gleichfalls torkelnde Edger). Aggel und DK schwören jedoch, die Ziffer sei ganz niedrig…

Die Spannung war groß, würde es vielleicht nicht auch total peinlich werden? BAD BRAINS bedeuten schließlich etwas, sind für viele mehr als nur Musik, dazu sowieso musikalisch absolut einzigartig, spieltechnisch eh nicht von dieser Welt. Aber glaubt es oder leckt mich am Arsch – es war einfach nur HERVORRAGEND! Wie gut KEIN HASS DA die alten Klassiker interpretierten, macht mich jetzt noch sprachlos. Dass Olli ein klasse Gitarrist ist, war mir als ollem EMILS-Verehrer- zwar klar, aber über dieses gefühlvolle, filigrane und zugleich wuchtige Spiel war ich dann doch erstaunt. Trotz (angeblich?) wenig Proben, war das Zusammenspiel traumhaft. Alle Kleinigkeiten, Tempowechsel, fiesen Breaks wurden erbarmungslos mitgenommen. Grandioser Klang bei angenehmer Lautstärke übrigens. Natürlich gab es hier und da mal einen irritierten Moment, aber gerade wie diese durch kurzen Blickkontakt gelöst wurden, machte Spaß mitanzusehen. Und Karls Gesang – fuck, was war der GUT! Dieses raubtierhafte Knurren von HR war genauso da wie die schwarzen, souligen Vibes und diese typischen Juchzer. Dazu zappelte Karl herum wie ein hospitalistischer Eisbär nach drei Jahren Zoo. „Mach ma ‘nen Salto!“, wurde da konsequent gefordert, aber die Knochen wollte Karl sich dann wohl doch nicht brechen. Durch die deutschen Texte trat ein netter Verfremdungseffekt ein, man konnte kaum mitschmettern, obwohl man jedes Stück kannte. Gespielt wurden vor allem Songs aus der Frühphase, von „Sailin‘ On“ (hier „Setz die Segel“) über „Coptic Times“ („Nur ‘ne Kleinigkeit“) oder „Banned In DC“ („Knastplanet“ – Hammer!) bis hin zu „We will not“ („Nicht was sie wollen“). Auch die Reggae-Nummern „I & I Survive“ („Ich bin nicht allein“) oder „The Meek Shall Inherit The Earth“ („Wie Regen im Meer“) wurden nicht gescheut. Die Stimmung war natürlich grandios, nach jedem Stück brüllte der Mob begeistert auf, in den ersten Reihen wurde gepogt, alles in entspannter Weise, halt voll PMA, ne. Ungewöhnlicherweise machten KEIN HASS DA eine Pause, um später ein zweites Set zu spielen. Zufällig landete ich im Gedränge neben Karl N., den ich bei der Gelegenheit u.a. auf die weniger erfreulichen Aspekte der BAD BRAINS ansprach, nämlich die frühen homophoben Aussagen der Band. Karl hat diesem Scheiß eine klare Absage erteilt und ganz bewusst Textzeilen dagegen eingebaut. Nach der Pause hatte Karl ein neues Hemd an, die komische Schmiere auf seiner Stirn (sah am Anfang so aus, als hätte er so einen  Rest Haare auf der Denkerstirn, Mut zur extremen Hässlichkeit ist schließlich per definitionem Punk) war weggeschwitzt. Es gab noch ein paar weitere Knaller und diverse Wiederholungen. Grandioses und teilweise gar bewegendes Konzert. Besser hab ich diese Stücke bisher nur von… den BAD BRAINS live erlebt (und nicht in jeder Besetzung!).  Ich würd mich freuen, KEIN HASS DA irgendwann nochmal zu sehen.

Cheers

Philipp/Archivar des Grauens²

"Nur ein Mensch ohne Hass kann frei sein" (Nelson Mandela)

http://www.myspace.com/keinhassda

Kommentare   

0 #5 bockfred 2008-09-07 16:08
'Man könnte nämlich dieser Person genauso unterstellen, SIE SELBST habe sich mit Faschos getroffen...'
Merkst du noch was,kann man ja auch so viel für wenn man vorher keine Ahnung hat.
Keiner hat hier behauptet du währest ein Nazi aber n bischen merkwürdig is das ganze schon.Hab kein bedarf mich mit Faschisten zu treffen, es sei denn ich habe es mit ernsthaften Aussteigern zu tun.
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0 #4 Karl Nagel 2008-09-07 16:08
Generell halte ich das auch für klärenswert, aber dummerweise hat die Sache zwei Haken:
1. habe mich schon mit Beginn der Band entschlossen, mich aus dem ganz Band-Promomüll rauszuhalten. Interviews, Bandstories, all der ganze Scheiß... ohne mich! Ich habe keine Lust mehr, auf die eine oder andere Weise, das zu erklären, was ich (bzw. zusammen mit anderen) gerade mache.
2. Ich habe diesen ganzen Nazi-Gerüchtescheiß schon diverse Male 'geklärt', aber das läßt sich dann am Ende NIE klären, weil immer wieder irgendwer neues ankommt und dann eben nooooooch einmal eine Erklärung einfordert. Und wenn ich dann ausführlich darauf eingehe, heißt es 'Wer sich rechtfertigt, klagt sich an.' Die Nummer kann ich doch eh nicht gewinnen.
Die erwähnte Person weiter oben erzählt ansonsten großen Scheiß. Habe nie irgendwen irgendwohin eingeladen. Und das waren nie Veranstaltungen (geschehen 2001), wo sich die Faschos tummelten, sondern in Treffen von Leuten aus dem rechten UND linken Umfeld (die sich voher im Web kennengelernt hatten und die mit ihren eigenen Leuten eher auf Kriegsfuß standen und das Gefühl hatten, daß sich das einiges verrannt hat). Das fand ich interessant. Falls diese Person nun versucht, sich dabei als 'unschuldiges Opfer' darzustellen, so ist das ein ziemlich mieser Versuch, sich davonzustehlen. Man könnte nämlich dieser Person genauso unterstellen, SIE SELBST habe sich mit Faschos getroffen...
Habe ansonsten vor zwei Jahren noch mal einen längeren Text dazu geschrieben: [www.karlnagel.de]
Vielleicht mache ich auch noch mal eine Seite, auf der ich den ganzen Schmonz mal übersichtlich zusammenfasse.
Ansonsten hat jeder die Möglichkeit, sich mal auf die Suche nach rechten Statments meinerseits zu machen... wird eine ziemlich ergebnislose Suche! Oder sich mit meiner griechischen Gattin zu unterhalten (die war gestern auch beim Konzert), wenn er oder sie das Echo vertragen kann...
Ansonsten hilft lesen, lesen, lesen. Z.B. die Songtexte. Da steht alles drin.
Karl
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0 #3 bockfred 2008-09-07 16:08
Kann ich dich ja mal weitervermitteln das du Infos aus erster Hand kriegst.
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0 #2 Philipp Wolter 2008-09-07 16:08
Ja, ich spiel gerade mit dem Gedanken an ein Inti. Das wären natürlich klärenswerte Dinge.
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0 #1 bockfred 2008-09-07 16:08
Ein wichtiger Punkt in der Kritik an Karl Nagel sind auf jedenfall die Querfronttreffen die der Typ abgehalten hat.Ein guter Freund von mir dachte er Fährt zu ner APPD Veranstalltung zu der er von Nagel eingeladen wurde und fand sich auf einmal mit Faschos in einem Raum wieder, ätzender Scheiss.
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