CHARLOTTE ROCHE/ 06.03.08 – Kiel, Pumpe

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Charlotte Roche ist einigen der älteren Leser noch aus der Zeit bekannt, als im Musikfernsehen sogar noch Musikvideos liefen. Nach diversen Projekten und medialer Ausflüge gab es bei Frau Roche eine längere Medienabstinenz. Das hat sich in den letzten Wochen gedreht, da in Funk und Fernsehen fleißig Werbung für ihren Debütroman »Feuchtgebiete« veranstaltet wurde.
War es Nostalgie oder einfach nur der Eintrag für’s Lebensbuch die (einzig wirklich) gute Charlotte mal live zu erleben? Rechtzeitig und vor all dem (meinerseits unerwarteten) Medienrummel die Tickets gebunkert. Hat sich gelohnt, denn kurz nach Acht war es proppevoll und mühselig drängten sich die diversen Nasen in den Pumpensaal.
Neugierig war ich schon, da ich ob der Diversität an Kritiken noch nicht in »Feuchtgebiete« investiert hatte. Einfach mal überraschen und berieseln lassen. Es sollte mich ein Orkan von Pornografie, Punk und Körpersekreten durchwirbeln.
Es hagelte nach einer kurzen, freundlichen Begrüßung dann auch gleich die ersten Intimitäten sondergleichen. Die Protagonistin des Romans, Helen Memel, ist 18 Jahre alt und aufgrund ihres „Blumenkohls“(Hämorrhoiden) in der proktologischen Station des Krankenhauses Maria Hilf. Neben dieser Arschoperation gibt es einige sinnvolle und –lose Details über die Vorlieben des schüchternen Scheidungskindes, deren Vielfalt kaum in so ein kurzes Leben zu pressen sind. Lassen wir das mal dahingestellt und verbuchen das unter „… die Jugend von heute!“ und der wilden Phantasie(?) der Autorin ab. Ziel von Helen ist es jedenfalls, die geschiedenen Eltern am Krankenbett wieder zusammenzuführen. Und dafür nimmt sie noch eine Notoperation auf sich.
 Nach einer äußerst kurzweiligen Stunde voller Lachen und einiger Magenumdrehungen gab es dann noch eine halbe Stunde Frage und Antwort. Im Nachhinein der gemütlichste Teil des Abends, da Frau Roche die selbstdisqualifizierenden Fragen des Publikums mit viel Humor und noch mehr Ironie und Zynismus beantwortete. Und der Magen hat sich auch wieder beruhigt. Charlotte ist, wie vermutet, eine sehr charmante Dame, bei der sich das Zuhören lohnt.
 Ich habe mir nach der Lesung – immer noch unentschlossen, aber wegen des Erinnerungswertes – dann doch das Buch zugelegt. Gelesen hab ich das dann auch, wenn auch mit diversen Unterbrechungen, da es für mich als bekennenden Antianalfetischisten doch arg die Gedärme beansprucht hat. Den Ekel auch. Der wurde nebst der Analitäten auch von Helens Hygiene- und Sexual“vorlieben“ gut gefüttert. Wer auf so was steht und grenzenüberschreitende Literatur mag, dem sei das Buch ans Herz gelegt. Blöd fand ich, der zwar angemessene, aber doch leicht primitive Schreibstil. Aber bei einer 18jährigen Protagonistin ist da halt nicht so viel Zeit, die Credibility zu wahren. Die wird wegen ihrer Vorlieben schon genug strapaziert.
 Ob ich das Buch gewissenlos weiterempfehlen kann, weiß ich nicht. Aber eins weiß ich: Es ist Punk. Laut, provozierend, eklig und doch faszinierend. Es ist schon sehr spannend zu beobachten, was dieses Stück Literatur mit einem anstellen kann … 

Ab dem 31.3. gibt es Auszüge aus der Lesung unter www.literaturtelefon-online.de oder 0431 – 901 11 56.

http://www.charlotteroche.de/

Kommentare   

0 #2 DoctorJoyBoy Love 2008-03-11 22:27
Ich bin jetzt doch irgendwie noch ein Bischen neugieriger als vorher, das Buch mal in die Finger zu kriegen.
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0 #1 Matt 2008-03-11 22:27
Geiles Review mal neben unser normalen Spur, Herbert. Da traue ich mich vielleicht sogar mal wieder, vom Rainer Kröhnert-Auftritt am 31.3. im Kulturforum zu berichten!
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