VOIVOD, LIQUID GOD / 11.11.2022 – Hamburg, Indra

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Auch wenn ich nun seit fast vierzig Jahren recht regelmäßig Konzerte besuche, schlage ich heute zum ersten Mal im Indra auf. Dabei hat dieser Klub Geschichte geschrieben, traten hier doch 1960 die BEATLES auf – es war ihre erste Deutschlandshow! Das Indra liegt direkt neben dem Gruenspan und ist mir durchaus schon häufig aufgefallen, aber irgendwie fanden hier wohl eher Veranstaltungen statt, die mich nicht lockten oder ich hatte bei potentiell interessanten Dingern nie Zeit. Aber heute ist es soweit! Es kann schon mal festgehalten werden, dass es sich um einen saugemütlichen kleinen Schuppen handelt, der eher an ein AZ erinnert als an eine blitzsaubere Hitech-Mehrzweckhalle. Tresen, Bühne, Biergarten – das war’s. Und es steht außer Frage, dass man in solchen Läden die geilsten Konzerte erlebt.

 

VOIVOD

Bilder von Stefan Bieg. 

 

Erst nach einer Recherche in der DreMu-Datenbank erkenne ich, dass ich LIQUID GOD schon einmal gesehen habe! Der Gig ist aber auch bereits über 12 Jahre her und fand eine Tür weiter im Vorprogramm von KILLING JOKE statt. Damals konnten mich die Hamburger nicht überzeugen, ich schreibe im Bericht von einem „blutarmen“ und „langweiligen“ Auftritt. Davon kann 2022 nicht die Rede sein! Heute erreichen mich LIQUID GOD so dermaßen, dass ich später gleich beide Alben abernte (für einen superfairen Bundlepreis von 13,- Euro). Wie lässt sich der Unterschied erklären? Offenbar gibt es eine neue Besetzung, denn am Bass steht Markus Weckermann und hinterm Kit befindet sich Jörg Uken – beide spielen u.a. bekanntlich auch bei WECKÖRHEAD. Das kann es aber nicht allein sein, denn die CDs sind von 2004 und 2009 und die gefallen mir ebenfalls. Gitarrist und Sänger Roman Spinka singt extrem abwechslungsreich, wechselt von eindringlichem cleanen Gesang zu fiesen Growls. Die Band passt richtig gut zu VOIVOD, arbeitet sie doch auch mit dissonanten Gitarrenriffs und verfolgt generell einen experimentellen bzw. progressiven Ansatz. Das mögen mittlerweile Worthülsen sein, hier passen diese Begriffe aber, wenn man sie im eigentlichen Sinne von unerwarteten Wendungen und originellen Ideen versteht. Zunächst gibt es zwar Soundprobleme (der Gesang ist nur über die Backline zu hören), aber die unentwegt bangenden Musiker reißen das immer voller werdende Indra durch ihren Einsatz mit. Weckermann stürmt gar von der Bühne und spielt mit kreisender Mähne wilde Basslinien mitten im Mob. Der Sound wird auch geklärt und so kann man das Fazit ziehen, dass LIQUID GOD gut abgeräumt haben – gerade vor dem Hintergrund, dass sie heute Support einer waschechten Legende sind.  

 

VOIVODVOIVOD 

 

Yeah, Schuppen ausverkauft, erste Band schon richtig gut und nun heißt es VOIVOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOD, was kann da schiefgehen? Nichts, denn die Hunde haben schon seit Jahren einen Run. Da wir schon häufiger über die Besetzung Snake-Away-Chewy-Rocky und deren Alben sowie Konzerte geschwärmt haben, kann ich gleich zur Sache kommen: Bei nahezu perfektem Sound gönnen VOIVOD sich und uns einen Ritt auf der Zeitmaschine. Gemeinsam besuchen wir die Jahre 1988, 1989, 2022, 2018, 1991, 1987 und 1984. Alles höchst relevante Punkte im Timestream der Menschheitsgeschichte, markieren sie schließlich das jeweilige Erscheinen von Machtwerken wie „War And Pain“, „Killing Technology“, „Dimension Hätross“, „Nothingface“, „Angel Rat“, „The Outer Limits“, „The Wake“ sowie „Synchro Anarchy“. Immerhin acht Alben streifen die „Warriors Of Ice“ somit bei dieser Show und auch wenn man sich als Anhänger der ersten Stunde natürlich immer besonders über ganz alte Stücke freut, so gehe ich hier doch in jedem Moment mit. Denn ich liebe sowohl die thrashigen Keulen wie „Voivod“ oder „Overreaction“ als auch die Psychobohrer „Tribal Convictions“ & „Pre-Ignition“, ja, ich stehe bei dieser Band auch auf die straight rockenden Songs wie „The Prow“ (geil!) und „Fix My Heart“! Verrückterweise klingt das Set wie aus einem Guss, obwohl es sich um so verschiedene Bandphasen handelt. Das Ganze wird aber auch so herrlich entspannt vorgetragen, mit einer sich selbst nicht zu ernst nehmenden Lässigkeit. Snake lässt seine Mimik reptilienhaft entgleisen, schnappt sich Frontrowbanger an den Haaren, um ihnen direkt ins Gesicht zu schmettern oder pumpt seinen Atem in den Schlauch eines Gasmaskenträgers (einvernehmlich wohlgemerkt). Ich sehe im ganzen Laden nur grinsende Gesichter. VOIVOD befinden sich übrigens gerade auf Tour mit OPETH und hätten den Offday auch mit Rumpimmeln verbringen können. Stattdessen rocken sie lieber. Herrlich, so muss das. Einen Bonuspunkt bekommt Away für sein geschichtsbewusstes BEATLES-Shirt.

 

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Hui, wir können uns kaum lösen und sabbeln, trinken, analysieren das Gesehene mit vielen Freund:innen. Der Außenbereich des Indra ist übrigens auch voll schön. Leider gibt es noch einen kleineren Missklang – ich stehe plötzlich neben Chewy und habe erst einen entspannten Schnack mit ihm. Leider spreche ich ihn aber auf die hohen Merchpreise an (zum Beispiel 40,- Euro für die neue „Ultraman“-EP, die man überall für 17,99 Euro bekommt!), was er gar nicht gut aufnimmt. Das Gesicht versteinert sich augenblicklich und im Weggehen ruft er nur angepisst „We’re playing our asses off! The prices are not too high!“ Ja, schade schokolade, ich meinte es natürlich nicht irgendwie destruktiv, habe da aber wohl einen wunden Punkt oder ungünstigen Moment erwischt. Anyway, das kann den Konzertgenuss im Nachhinein auch nicht schmälern. VOIVOOOOOOOOOOOOOOOOOOOD!

 

VOIVOD

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