TURBOSTAAT, THE DETECTORS, AALKREIH / 29.08.2021 – Kiel, TOGETHERFEST auf dem Norder

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Nachdem uns das THUNDERMOTHER-Konzert auf dem Norder auch vom Konzept und Drumherum her sehr gut gefallen hatte, entschlossen wir uns recht kurzfristig, zusätzlich noch TURBOSTAAT mitzunehmen. Zwar hängen bei mir die Tickets für den Oktobertermin in der Pumpe an der Wand, aber ich glaube mittlerweile nicht mehr, dass diesen Herbst/Winter Veranstaltungen ohne Auflagen stattfinden werden. Und selbst wenn diese Tour stattfindet – dann würden wir TURBOSTAAT halt zwei Mal nacheinander innerhalb von zwei Monaten sehen. Gibt Schlimmeres. Mich überzeugt tatsächlich darüber hinaus auch das heutige Gesamtpaket, denn mit AALKREIH und den DETECTORS sind zwei weitere Bands dabei, die ich gerne mag und die super dazupassen.

 

TURBOSTAAT

Bilder von MJ

                                 

Wir haben uns dieses Mal für eine Zweierinsel entschieden, stellen aber schnell fest, dass sich auf fast allen anderen Inseln um uns herum Bekannte befinden. Auffer Bank vor uns nehmen z.B. gerade Niles und Micha Platz, die sich zum Schnacken dann auch erst mal umdrehen. Da ergibt der Name TOGETHERFEST Sinn, man ist hier nicht so isoliert wie auf Strandkorbkonzerten o.ä. Es trudeln recht viele Besucher:innen ein, ich schätze, dass es insgesamt ca. 700 Leute sein dürften.

 

AALKREIHAALKREIH

 

Da ist er wieder: Maschine, der Ansager! Seine zehnminütige Anmoderation, in der er (durchaus unterhaltsam) Applaus für jede:n aus der Crew und am Togetherfest Beteiligte:n einfordert, wird kurz danach herrlich von der AALKREIH-Attitüde kontrastiert, denn die Band schlurft ganz unspektakulär auf die Bühne und Marvin äußert lediglich ein lakonisches „Moin“. Aber was ist das? Wo ist Birger? Und wo der andere Typ? Wieso sind die nur noch zu dritt? Gerri erklärt, dass die Band nur noch aus ihm, Marvin und Gerrit bestehe, es keinen Schlagzeuger mehr gebe und dies auch so bleibe. Nun, das liest sich theoretisch vielleicht blöd, aber tatsächlich klingen AALKREIH auch in dieser Trioformation gut. Die Kernidentität bleibt erhalten, denn der Country/Folk, den sie machen, lebt stark von den Gesangslinien. Die drei Stimmen harmonieren sehr geil, klingen super bei den mehrstimmigen Passagen. Die Melancholie von Songs wie „Moech wi nich“, „Sprit“ oder „In dien Kopp“ kommt ungebrochen rüber, gleichzeitig auch so ein typisch norddeutscher Humor, den bestimmt nicht jeder Mensch versteht. Auch weiterhin mit dabei bleibt ein gewisses kämpferisch-punkiges Element, siehe „Nix to verleeren“. Gerri freut sich, dass kein:e Besucher:in weglaufen könne, das habe er in den Regeln der Veranstaltung gelesen (natürlich darf man das Gelände verlassen, käme dann aber nicht wieder rein). Aber er braucht gar nicht so bescheiden zu sein: AALKREIH werden gemocht und ich sehe später immer wieder Leute mit frisch abgeernteten AALKREIH-Platten.

 

THE DETECTORSTHE DETECTORS

 

THE DETECTORS wirken nach diesem eher ruhigen Opener umso rasanter. Ich glaube, sie spielen auch nicht nur gefühlt, sondern tatsächlich schneller als sonst und auf Platte. Ist aber keine Kritik – ich finde das gut so. Die heute wieder zu fünft spielenden Punkrocker pflügen sich durch die Highlights ihrer beiden letzten Scheiben. Ich merke, wie tief sich die Hooks bereits eingeprägt haben und kann bei den meisten Stücken mitschmettern. „Opportunities To Grow“, „Diciotti Dilemma?!“, „The Defence Lobby“ oder „Let Me Out“ bringen viele Besucher:innen ordentlich in Wallung. Und wie herrlich ist das, endlich mal wieder tanzende Menschen zu sehen! Der Sound ist am Anfang etwas bass(drum)lastig, wird aber mit jedem Song besser. Leider pfeift von hinten ein fieser Wind, sodass es kälter als erwartet wird. Aber dagegen lässt sich etwas tun, indem man dem Tanzdrang nachgibt und einfach in Bewegung bleibt. Wie jedes Mal auf einem DETECTORS-Konzert bin ich sehr davon angetan, dass die Band gute Laune erzeugt und dabei brisante politische Themen verarbeitet. Ich brauche übrigens noch die erste LP – wer eine über hat, bitte melden! Auch die Detektoren bringen den „Ihr könnt nicht weglaufen“-Spruch – ist klar, dass das nur ein Gag ist. Ich möchte aber trotzdem darauf hinweisen, dass ich nicht den Eindruck habe, dass jemand das Programm als „TURBOSTAAT mit irgendwelchen Vorbands“ ansieht.

 

TURBOSTAATTURBOSTAAT 

 

Ob es daran liegt, dass viele Besucher:innen lange kein Konzert mehr gesehen haben? Jedenfalls ruft der folgende Auftritt emotionale Reaktionen hervor, die noch über das übliche Maß einer TURBOSTAAT-Show hinausgehen. Menschen liegen sich in den Armen, Tränen fließen, Getränke werden verkleckert - und alle, wirklich alle, singen mit. Dass die Band sich zu regelrechten Soundtüftlern entwickelt hat, weiß man mittlerweile. Es stimmt einfach alles, sei es in Punkto Sound, Licht oder Performance. Besonders beeindruckend finde ich ja Sänger Jan, der es irgendwie schafft, punktgenau und mit jeder Silbe verständlich zu schmettern. Das ist schon ein sehr eigenständiger Stil, der sich da entwickelt hat, sodass ich selbst gar nicht mehr nachvollziehen kann, warum ich ihn vor 20 Jahren als Jensen-mäßig empfand. Das gilt für die gesamte Band, die unverschämt tight und dynamisch aufspielt angesichts der Tatsache, dass sie vor diesem Wochenende wohl im Februar 2020 zum letzten Mal live gezockt hat. Mir fällt jedenfalls nur ein einziger verstolperter Einsatz auf und selbst bei dem sage ich mir danach, dass ich mich wohl verhört haben müsse, so schnell sind die Hunde wieder in der Spur. Die Setlist hätte man als Besucher:in nicht schöner erstellen können: Los geht’s mit „Rattenlinie Nord“ (perfekte Eröffnung!), später folgen u.a. „Fraukes Ende“, „Stine“ (sehr interessanter Text, realer Hintergrund), „Hemmingstedt“, „Brockengeist“, „Insel“ (das Publikum hört man mit den Worten „Husum, verdammt nochmal!“ angeblich noch am Wasserturm), „Sohnemann Heinz“, „Alles bleibt konfus“, „Abalonia“, “Luzi“, „Harm Rochel“, „Vormann Leiss“, „Schwan“, „Ruperts Grün“ und „Stormi“ (mich beschäftigt wieder die lyrische Klammer zu „Luzi“, welche durch den hier verfremdeten Chor „Und die meiste Zeit gehst du auch gern allein / Und die Engel singen oben und bejubeln deinen Gang“ gebildet wird). Vermisst wird hier und da „Eisenmann“, aber den gab’s ja auf den letzten Konzerten vor der Pandemie immer im Set. Bei den letzten Stücken reißt es uns förmlich nach vorn auf eine Fremdinsel. Voll illegal. Und wir werden auch innerhalb von Minuten entdeckt und verscheucht. Der, äh, Test zeigt also: Läuft alles hier, weitermachen. Auf dem Rückzug entdecken wir aber immerhin eine verlassene Insel, die viel näher an der Bühne liegt, genießen somit den Rest von einem noch schöneren Platz aus. Herrlicher Auftritt!

 

TURBOSTAATTURBOSTAAT 

 

Danach folgt ein Interview, welches Maschine mit dem Veranstalter-Duo durchführt, denn das heutige Konzert ist das letzte der TOGETHER-Serie. Man dankt allen und plaudert ein wenig, schön. Im nächsten Jahr wird es wohl weitergehen, offenbar unter einem anderen Festivalnamen. Hoffen wir es!  

 

MASCHINE

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