BLUT & SCHWEIß; SICK OF IT ALL - Die Geschichte der KOLLER-BRÜDER (Buch, IRON PAGES 2021)

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SICK OF IT ALL

Und wieder haben IRON PAGES ein Highlight für Rock’n’Roll-Leseratten veröffentlicht (demnächst erscheint übrigens die DIO-Autobiografie).

Die im Gegensatz zu etwa Biff Byfords Buch gelungene Übersetzung und Lektoratsarbeit bringt den Spirit des Hardcore-Brüderpaars treffend rüber. Aus über drei Jahrzehnten Bandgeschichte kann hier aus dem Vollen geschöpft werden. Das Buch ist dabei insofern im Interview-Stil verfasst, als dass es Kapitel und Themen wie „Kindheits-Koller“, „Cool, noch mehr Konzerte!“ oder „Die Jahre bei Century Media“ gibt, zu denen sich Lou und Pete abwechselnd äußern. Andere Bandmitglieder, Musiker, Familienmitglieder etc. kommen ebenfalls zu Wort. So bekommt man das Gefühl, ein sehr ausführliches SICK OF IT ALL-Special in einem Fanzine zu lesen. Die 270 Seiten flutschen gut rein, für mich hätte das Ding gern noch ausführlicher ausfallen können.

Aber mein positives Bild der Band wird hier bestätigt und vertieft. Schon das Vorwort von Chris Carrabba zeigt eine typische Eigenschaft der Koller-Brüder – sie hören zu und sind interessiert. Carrabba schildert hier, wie er zu Highschool-Zeiten mit seiner damaligen Band für SICK OF IT ALL als Vorgruppe fungieren sollte. Doch Drummer und Bassist seiner Band tauchen gar nicht erst bei der Venue auf! Der Rest der Band spielt kurzerhand ein gefühlt schreckliches Konzert zu zweit. „Als wir von der Bühne gingen, kam Lou Koller auf mich zu und fragte, was los sei. Ich sagte: ‚Der Rest der Band ist einfach nicht aufgetaucht.‘ Darauf er: ‚Und ihr seid trotzdem aufgetreten?‘ Ich erläuterte ihm nicht weiter, dass es für unsere aufstrebende Band in unserer unbeständigen und politischen Musikszene dabei ums Ganze gegangen war, und sagte nur: ‚Nun, ja.‘ Worauf er antwortete: ‚IST JA FANTASTISCH!‘“ (S.6). Genau so habe die Band persönlich auch erlebt, als ich sie auf dem 2005er Wilwarin ansagen durfte. Ich fragte sie, ob wir das Publikum kurz über den Stand des Trubels um die Alte Meierei informieren dürften und sie fragten sehr interessiert nach und wir hatten einen kurzen, aber aufbauenden Austausch.

Dass die Band jeden Auftritt lebt und liebt, ist ohnehin klar. Das Buch zeigt, wie die beiden sich musikalisch sozialisieren, wie sie ihr Arbeitsethos definieren und wie sie sich in jeder noch so beschissenen Situation ihren Humor bewahren. Dabei werden Konzerte vor wenigen Zuschauer:innen, üble Schlägereien mit Nazis oder eigenes Fehlverhalten nicht ausgeblendet. Was ich beeindruckend und sympathisch finde: Ohne dass Lou und Pete Koller eine Art intellektuelle politische Schule durchlaufen haben oder sich explizit zu einer bekennen, lässt sich eindeutig herauslesen, wie ihr Handeln von zutiefst menschlichen Werten geprägt ist. Rassismus, Machotum, jegliche Diskriminierung finden in der SOIA-Welt keinen Platz. Und musikalisch gibt es bei den Kollers keine Scheuklappen, was sich anhand der Schilderungen von Auftritten und Touren mit u.a. EXODUS, SLAYER, NAPALM DEATH, SEPULTURA oder D.R.I. zeigt. Letztendlich sind beide totale Musikfreaks, die sich wie kleine Kinder über Begegnungen mit Dee Snider oder Jimmy Page freuen.

Klar, lebensverändernde Weisheiten enthält auch diese Musikerautobiografie nicht unbedingt, aber ich habe die Lektüre ganz klar als Gewinn empfunden und ballere mich gerade durch die SOIA-Diskografie, die man doch wieder mit anderen Ohren hört bzw. mit dem Hintergrundwissen um bestimmte Produktionen auf andere Details achtet.

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