TESTAMENT, EXODUS, DEATH ANGEL / 13.02.2020 – Hamburg, Docks

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Torsten: Was für ein geiles Paket!!! Drei mal San Francisco Bay – Area – Thrash - Metal! Drei einflussreiche Bands, die bestimmt hunderte andere Bands, mehr oder weniger, beeinflusst haben. TESTAMENT, EXODUS, DEATH ANGEL. Über diese Bands bzw. ihren Status braucht man keine Worte zu verlieren. Freuen wir uns also auf dieses, wohl einmalige, Konzert!

Wobei ich hier gar nicht so sehr auf die Musik eingehen will (das hat Philipp schon – sicher mehrmals – getan), vielmehr habe ich während bzw. nach dem Gig Gedanken, die meine Stimmung eher etwas, nun ja, ernüchtern.

Philipp: Dann übernehme ich mal das Zepter und gehe auf die drei Auftritte ein. Auch für mich ist das natürlich eine Traumzusammenstellung, habe ich doch TESTAMENTs ersten Europaauftritt 1987 auf dem Dynamo gesehen, EXODUS sogar noch früher 1985 in der Markthalle mit VENOM und ATOMKRAFT und schließlich DEATH ANGEL ebenfalls von Anbeginn an. Drei ganz wichtige Bands für mich, die ich jeweils auf so ziemlich jeder Tour ihrer Karriere gesehen habe. In letzter Zeit waren sie auch alle live zudem sehr stark, sodass dieser Abend eine sichere Bank zu sein schien. Es kommt dann allerdings anders als erhofft, das muss ich hier schon mal vorabschicken.

 

Doppelbericht von Torsten und Philipp, Fotos von Jan ML folgen.

 

Philipp: Wir stellen auf der Hinfahrt fest, dass norddeutsche Thrasher*innen gerade gut verwöhnt werden. Es gab das TRUE THRASH FEST mit den Undergroundhelden RAZOR, TOXIK, BLOOD FEAST und AT WAR, von den Big Four waren SLAYER und ANTHRAX zusammen auf Tour sowie beide auch aufm Wacken und die „deutschen Big Four“ machen/machten tatsächliche alle 2019/2020 Station in Hamburg, teilweise mehrfach. Auf das Docks haben wir allerdings als Location recht wenig Bock, zu unangenehm waren die Verhältnisse beim GHOST-Konzert vor ein paar Jahren. Aber trotz der Tatsache, dass der Schuppen ausverkauft ist, wird es heute angenehmer als erwartet. Offenbar hat man die Definition von „sold out“ dieses Mal nicht mit „eigentlich 200 Tickets mehr verkauft als Menschen reinpassen“ definiert. Denn Sicht- und Platzverhältnisse sind heute erstaunlich erträglich. Gerade im vorderen Drittel kann mensch sich gut aufhalten. Noch nie gesehen habe ich diese Seitenlogen, die mittels kleiner Treppgen und Klappsitzen auch kleineren Leuten zu guter Sicht verhelfen. Aus reiner Neugier guck ich mir DEATH ANGEL dann auch mal von da aus an. Geht! Später will ich aber doch ins pralle Menschenleben, schließlich heißt die Rubrik hier „Berichte aus dem Pit“….

 

Philipp: DEATH ANGEL zocken spielfreudig wie gewohnt und ernten begeisterte Reaktionen. Die Band ist immer noch topfit, das muss ganz klar gesagt werden. Will Carroll treibt präzise und gewitzt, Basser Damien Sisson erinnert nicht nur durch seinen kultigen Schlaghosenlook an den unvergessenen Cliff Burton, die Saitenfraktion Rob Cavestany / Ted Aguilar rasiert gnadenlos und messerscharf und Mark Osegueda pendelt genial zwischen aggressivem Schreigesang und klarer gesungenen Melodiepassagen. Diese Besetzung spielt jetzt auch schon seit zehn Jahren zusammen und lässt dementsprechend nichts anbrennen. Es bleibt nur halt schade, dass DEATH ANGEL so wenige Stücke von ihren stärksten Alben spielen. Vom Debut kommen gerade mal „Voracious Souls“ und ein angespieltes „Ultra-Violence“, von der „Frolic…“ wie immer nichts und von der „Act III“, die ja nun qualitativ auf Augenhöhe mit „Master Of Puppets“ steht, gerade mal „Seemingly Endless Time“. Zum Glück beißen die Todesengel zu wie die Wölfe auf ihren Covern und na klar sind „Thrown To The Wolves“, „The Dream Calls For Blood“ sowie „Claws In So Deep“ gute Songs, sonst wäre die Band nicht mit Sprechchören verabschiedet worden. Aber es hätte noch geiler sein können!

 

Philipp: EXODUS sind’s, die heute einfach alles richtig machen und dazu noch einen dicken emotionalen Bonus auf der Habenseite präsentieren können: Gary Holt ist endlich, endlich zurück! Die schier endlose SLAYER-Abschiedstour ist beendet und der fies grinsende Gitarrero kann wieder die Riffs zocken, die er auch selbst geschrieben hat. Mit „Body Harvest“ und „Blood In, Blood Out“ stehen die beiden besten Stücke der letzten Scheibe auf der Setlist, ansonsten gibt es einen Ausflug in die Dukes-Phase („Deathamphetamine“), aber vor allem eben Klassiker! Tom Hunting gibt alles und erweist sich erneut als einer der besten Thrash-Schlagzeuger überhaupt. „Deliver Us To Evil“ drückt mächtig, „Bonded By Blood“, „Fabulous Desaster“, “The Toxic Waltz”, “Blacklist” oder das alles vernichtende “Strike Of The Beast” lösen Massenpits aus und begeistern durch Präzision und Brutalität. Zetro singt den Scheiß hervorragend und besitzt bei aller Garstigkeit immer diesen Bon-Scott-Vibe in der Stimme. Geil ohne Einschränkung!

 

Philipp: Erstaunlicherweise begehen TESTAMENT dann einen Kardinalfehler, den ich bei einer so erfahrenen Band nicht erwartet hätte. Sie spielen fast ausschließlich eher unbekanntere Stücke und verzichten auf eine Menge Klassiker! Das drückt mit der Zeit auf die Stimmung. Und die Leute haben anfangs eigentlich richtig Bock, starten unaufgefordert mehrfach eine Wall Of Death. Als aber einfach kein „Raging Waters“, kein „Preacher“ oder kein „C.O.T.L.O.D.“ kommen will, spürt man im Publikum eine regelrechte Verzweiflung. Sachen wie „The Persecuted Won’t Forget“, „The Pale King“ oder „Careful What You Wish For“ kann man mal bringen, aber nicht in dieser Ballung. Dazu kommt, dass viele dieser Stücke (noch) nicht gut sitzen und Chuck Billy aus Unsicherheit Einsätze verpasst und sich die Musiker mehrfach verwirrt angucken. Ein schwacher Monitorsound mag Mitschuld tragen, aber insgesamt bleiben TESTAMENT selbstverschuldet weit unter ihren Möglichkeiten. Was wohl als Geste für Fans gedacht war, die gerne mal den einen oder anderen Sleeper hören wollen, geht leider nach hinten los. Natürlich: Musikern wie Gene Hoglan und Alex Skolnick guckt und hört man immer gern zu und so gibt es auch viele tolle Momente beim TESTAMENT-Auftritt. Aber erst am Ende spielt die Band „Into The Pit“, „Practice What You Preach“, „Over The Wall“ und „Disciples Of The Watch“. Da ist locker ein Drittel der Gäste bereits gegangen. Gerade nach einer Band wie EXODUS hätten TESTAMENT den SAXON-Move machen müssen - Hit an Hit reihen, bis alle durchdrehen. Schade!  

 

Torsten: Ich finde, dass, wenn die Bands schon so ein kultiges Paket zusammenstellen (und jede Band das auch während ihrer Show betont); hätte es dann nicht jede dieser stilprägenden Bands verdient gehabt, gleich behandelt zu werden bzw. einen gleichartigen Set zu spielen? Der Umstand, dass DEATH ANGEL eher wie eine Vorgruppe rüberkommen (Licht, Sound, Spielzeit) und TESTAMENT dagegen eine übergroße Bühnenshow auffahren, lässt die Unterschiede deutlich erkennen. DEATH ANGEL fahren zwar enthusiastische Reaktionen ein, holen mich aber nicht vollends ab. Das liegt nicht zuletzt an der sträflich übergangen "Act III" Großtat, sondern auch an zu vielen neueren Songs (bei der relativ kurzen Spielzeit eher unpassend). EXODUS sind, in der Tat, irgendwie dazwischen (etwas mehr Licht, besserer Sound, mehr Spielzeit). Sympathieträger und Rückkehrer Gary Holt und seine Mannen (Tom Hunting kesselt aaalles wech, Alter!), kommen super rüber und sind die heimlichen Headliner.

Ich denke, mir hätte es besser gefallen, wenn alle Bands gleich gute Bedingungen gehabt hätten: gleiche Spielzeit, alle tolles Licht und prima Sound, vllt. auch mehr so ein "Old – School - Programm". Das war aber bei weitem nicht so. Schade. Da wäre sicher mehr drin gewesen. Von einer Band wie TESTAMENT würde ich gar nicht so eine Riesenshow erwarten. Scheiß auf die ganzen Riser, die auf der Bühne stehen. Man könnte glatt auf die Idee kommen, dass all der ganze Pomp (Riser, Nebel, Lichttechnik, Banner) von der Musik ablenken soll. Mir hätte ‘ne volle Schippe TESTAMENT – THRASH gereicht, so war es vllt. grade mal ne (halbvolle) Kelle. Gewinner des Abends waren für mich EXODUS. Die haben nämlich ihre Thrash – Keule oberamtlich geschwungen und schön ab – violentet! So muss das!

Allgemein fiel bei jeder Band auf, dass deren neueren Songs zwar gut sind, aber einfach weniger auf den Punkt kommen. Die alten Granaten treffen dagegen immer!

Das der Merchstand geteilt ist (Testament/Exodus zusammen; Death Angel inner anderen Ecke) liegt vermutlich an den Platzverhältnissen im Docks (war übrigens schön, nach Jahren mal wieder dort zu sein), wirkt aber auch irgendwie uneinheitlich und nicht gerade "united". Auch hier schießen Testament den Vogel mit Unmengen an Merch ab. DA und EX haben deutlich weniger Zeug ... Preislich nehmen sich aber alle drei Bands nix: 30 Euro für'n Shirt und 10 Euro für'n Patch ... - für jemanden, der nur zu ein paar Konzerten im Jahr geht, ist das vllt. ok. Für andere, die gerne viele Konzerte besuchen und dort mit Merchkäufen (vor allem kleinere) Bands unterstützen, isses eher kacke.

Fazit: tolles Paket, tolle Musik, prächtige Stimmung – das aber mit Nebenwirkungen.

THRASH TIL' DEATH!!!

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