INTERVIEW MIT SCHRAMMI VON HOTEL KEMPAUSKI

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Eine der interessantesten Bands, die sich in letzter Zeit in Kiel gegründet hat, ist für mich HOTEL KEMPAUSKI. Angesichts der erfrischenden Auftritte und ihres Debutalbums war ein DreMu-Interview angebracht.

Ihr nennt euch selbstironisch "Bausparpunks". Das hätte aus verschiedenen Gründen vor 20 Jahren wohl noch keine Punkband gemacht. Was hat sich verändert - bei euch, in der Punkwelt und überhaupt?

In Kurz: Punk, die Welt und wir sind alt geworden... In Lang: Ursprünglich war „Bausparpunks“ mal  ein Schmähausdruck von mir für Menschen, die eigentlich ein ziemlich gesittetes Leben führen, aber in der Öffentlichkeit das krasse Punkertum simulieren. Und wie bei allen Hotel-Kempauski-Texten finden wir uns da selber auch irgendwie drin wieder. Denn irgendwie ist das ja schon ein Widerspruch, dass wir alle brav zur Arbeit gehen, Familie haben und trotzdem Punkrock machen. Punkrock ist dahingehend wohl auch gealtert, dass es keine Jugendkultur mehr ist. Und generell gibt’s nicht mehr so einfaches „gut“ und „böse“. Der Widerspruch zwischen „Bausparen“ und „Punk“ ist eigentlich was Alltägliches.

 

HOTEL KEMPAUSKI

 

 

Du, Schrammi, bist ja schon ewig irgendwo aktiv und jede*r kennt dich. So richtig in 'ner HC/Punkband rumgeschrien hast du aber noch nie, oder? Wie ist das für dich? Was gibt es dir auf Konzerten, bei Proben, bei Aufnahmen und generell?

Ob mich jede*r kennt, wage ich mal zu bezweifeln. Wenn dann bin ich wohl eher der Typ D-Promi der in der Kieler Variante des Dschungelcamps – auf ehemaligen, verwilderten Schrebergärten – auftritt.

In der Vergangenheit hab ich mal gerappt und lange Zeit krude elektronische Musik primär für mich selbst gemacht. Auf einer CD warst Du sogar mit drauf! Rumschreien wollte ich schon immer, aber ich habe mich nie getraut. Aber da bei Hotel Kempauski fast alle neu an ihrem Instrument waren, war das für mich ein gesichertes Umfeld, in dem ich mich ausprobieren konnte. Generell gibt die wöchentliche Probe uns allen wohl etwas „Ausbrechen“ aus dem tristen Alltag. Für mich persönlich ist das Ganze aber auch einfach 'ne Ausdrucksform, für alles, was einem im Kopf rumschwirrt. Konzerte liebe und hasse ich. Ich kack mir vorher fast in die Hose, zweifle an mir, aber dann siegt das Gefühl, dass das ja eigentlich ganz geil ist, so was machen zu dürfen. Ich meine sich die Wut aus dem Bauch brüllen zu können. Und dann lernt man tolle Menschen kennen, so wie unsere Freunde von KNUD VOSS oder die sympathischen Weißwein-schlürfenden ANGORA CLUB.

 

Was machste, wenn mehrere Auftritte anstehen? Stehst du das stimmlich durch, bereitest du dich irgendwie vor?

Hahaha! Das gabs eigentlich noch nie. Nach dem RD-Rock-Auftritt wurde mir außerdem zugetragen, dass ich beim „Singen“ wohl alles falsch mache, was es falsch zu machen gibt. Seit dem ich dann im Sommer echt mal einige Woche gar keine Stimme mehr hatte, versuche ich zumindest drauf zu achten, mich warm zu machen und n bisschen aus dem Bauch raus zu singen. Naja und 4 mal die Woche Cardiotraining. Was man dann beim Auftritt nicht merkt, weil ich nach einem Song schon wieder voll im Arsch bin.... Ich bewundere bei dem Thema ja immer Ratze, den Sänger von ROTT, so wie ich die Band als Ganzes liebe.

 

Eine der Stärken vom HOTEL sind für mich die Texte. Du nimmst kein Blatt vor den Mund und nennst auch konkret Namen von Bands und Einzelpersonen. Das ist durchaus mutig und kann ja Konsequenzen haben. Gab es schon mal Reaktionen?

Danke fürs Lob! Naja, in den Texten benenne ich eigentlich niemanden konkretes, weil es da für mich eher um „Personas“, also um so Archetypen „Mensch“ geht. Und eigentlich treffen einzelne Textzeilen auch immer wieder auf einen selbst zu. Fände ich auch vermessen, mich da so als nüchtern-erhabenen Betrachter zu sehen.

Was das Thema „kein Blatt“ angeht, weiß ich worauf Du anspielst. Konkret haben wir Bands bei Konzerten benannt, die zusammen mit rechtsoffenen Bands gespielt haben und unsere Meinung dazu kund getan. Was soll ich sagen? Dank des dazugehörigen Dremu-Berichtes kam die Nachricht auch an. Und kam nicht gut an. Vor allem dachten die Angesprochenen wohl, dass wir der Meinung wären, sie seien selbst Nazis. Das war nicht unser Gedanke. Aber das ist jetzt so. Unsere Meinung zu dem Thema steht.

Im anderen Fall geht es wohl um den Sänger einer bekannten Kieler HC-Band, die gerade „on hiatus“ sind... Das war nur halbernst gemeint und eher eine Reminiszenz an deren regelmäßiges Gepöbel auf der Bühne.

Ansonsten finde ich uns eigentlich ziemlich brav.

 

Konkret fallen auf der Platte "Rechte Spießer", "Trauerkoloss" und "Metaphern, maritim" auf. Worum geht es da jeweils?

Ich las mal irgendwo, dass „Linke Spießer“ von Slime gerne von rechten Bands missverstanden und gecovert wird, deswegen kamen wir auf den Titel „Rechte Spießer“, in der Hoffnung dass der von den selben Bands gecovert würde, hahaha. Inhaltlich geht’s da eigentlich um schreckliche Pegida-Demonstrant*innen und widererstarkte Deutschtümelei. Der Songtext sollte so stumpf wie die Slogans der Hetzer sein. Der Anfang ist auch ne Verarschung vom Clowns und Helden Song „Ich liebe Dich“. Bei „Metaphern, maritim“ geht’s um gealterte Punker, die gern nochmal ins Radio wollen und deswegen pseudo-kryptische Texte schreiben, die massentauglich klingen, aber eigentlich nur Worthülsen sind. Naja und der „Trauerkoloss“ besingt Menschen in der „Szene“, die versuchen, sich zu profilieren. Auch wenn das nicht zum Gedanken von Punk passt, gibt’s das leider erstaunlich häufig. Zum Glück gibt’s auch immer wieder angenehme Leute dazwischen, wie die komplette JUST A LITTLE DANGEROUS-Crew oder halt die DREMU-Redaktion, hehehe.

 

Was kostet eigentlich 'ne Nacht im Hotel K. ? Und was für Serviceleistungen sind inbegriffen?

Hahaha, es ist Zeit für „die kreative Frage“! Frei nach Hartmut Engler kostet der Eintritt den Verstand! Und es gibt auf jeden Fall einen Liftboy oder ein Liftgirl. Das ist auch so ein Traumjob von mir.

 

Zur Bandbio: Wie habt ihr euch zusammengefunden? Herbert z.B. war ja ewig nicht mehr aktiv. Hast du den gezielt angesprochen oder habt ihr euch eher zufällig gefunden?

Mit Herbert habe ich ja vor ewig langer Zeit schonmal in einer Band gespielt, da war ich Keyboarder. Olle und Felix kennen sich aus Tequila & The Sunrise-Zeiten, da war Felix allerdings Trompeter. Zusammen mit Teller, unserem Ex-Basser-Micha und der Sängerin Jonna hatten die dann da mal eine Cover-Band. Und nach dem Ausstieg von Jonna kam eins zum anderen und ich fand mich im Proberaum wieder und wir haben von Black Flag „Police Story“ gecovert. Als Micha ausstieg, kam mir bei der Bassisten-Suche Herbert in den Sinn, mit dem ich nach Jahren wieder  Kontakt hatte. Und er hatte Bock. Zack bumms. Klingt eigentlich ganz schön langweilig. Warte, ich denke mir was Geileres aus. Mit Ufos und Aluhüten....

 

Und was haben die Bandmitglieder gemacht, bevor sie mit Anfang 40 ihre Bausparpunkkarriere gestartet haben? Was z.B. mit Anfang 20?

Naja, Olli und Felix waren ja primär bei Tequila & The Sunrise Gang beschäftigt. Herbert und ich haben mal bei THE FROODS gespielt und Herbert dann später bei den DISTURBERS. Und Teller? Der sah schon immer am besten von uns aus.

 

Wer zur Hölle ist eigentlich der "Problemstorch Ronny"?

Das ist ein ehemaliger Vorgesetzter von mir. Ein schrecklicher Mensch in der Midlife-Crisis, der der Inbegriff des widerlichen weißen Mannes war und vermutlich noch ist. Karrieregeil und dabei völlig plan- und erfolglos. Menschlich hart unangenehm und schwer zu ertragen. So eine Art Donald Trump der deutschen Mittelschicht. Als ich eines Tages von einem „Problemstorch Ronny“ las, der Autos zerkratzte , weil er in der Spiegelung potentielle Rivalen sah und einen ganzen Ort terrorisierte, fühlte ich mich erinnert... Ich glaube Felix kam dann mit dem Waldrapp an, der optisch eigentlich der Punker unter den gefiederten Freunden ist. Und ganz Vogelkundler, die wir sind, war der dann für uns der Problemstorch Ronny, der nun auch die Platte etc. ziert.

 

Die Artworks des Plattencovers und eures Beutels sind der Hammer. Wer hat die gemacht und wie lief der kreative Prozess ab?

Das Plattencover ist komplett von Denise Petersen (gern bei Facebook besuchen) gestaltet. Bis auf die Vorgabe, den Waldrapp einzubauen, hatte sie komplett freie Hand und hat einen megamäßigen Job gemacht. Wir sind ihr ewig dankbar! Sie macht übrigens ganz hervorragende Kunst und hat mittlerweile sogar Ausstellungen. Sehr abgefahrene, eigenständige Sachen! Für den Beutel hat unser Photoshop-Herbert dann den Ronny aus dem Cover extrahiert.

 

Erzähl mal was zum Aufnahmeprozess! Wo, wann, wer, was, wie?

In kurz: der großartige JOYBOY. Mit ewiger Geduld und herrlich doofen Sprüchen hat er uns zu durchaus mittelmäßigen Leistungen angestachelt. Ernsthaft: Wir sind ihm sehr dankbar, dass er in uns irgendwas gesehen hat, was wir selber noch nicht sahen... Drums hat Felix in kürzester Zeit in der Schaubude eingespielt (danke Julius!), die anderen Instrumente haben wir im Proberaum der BULLEN (danke!) aufgenommen und Vocals dann bei Micha Möller von den TYPHOON MOTOR DUDES (Danke!!). Das Ganze ging einigermaßen flott und wir hatten tolle Gäste. André von KNUD VOSS, Jule (JUME), Wolle von NOM und Olli von ROTT unter anderem. Und Jochen von KEINE ZÄHNE IM MAUL ABER LA PALOMA PFEIFFEN hat unseren großen Wunsch erfüllt und ein wenig Decline-of-Kiel-Sampler-Gesabbel als Hörspiel neu vertont.

 

Gibt es bereits Pläne für die nächste Platte?

Jein. Wir haben 4-5 neue Songs und Ideen für 1-2 weitere. Ein paar neue Songs werden wir von daher auch bei den Konzerten im Frühjahr mit KNUD VOSS und ANGORA CLUB spielen. Insgesamt sind wir uns aber noch nicht einig, wann es wieder ins Studio geht.

 

Du schreibst ja auch fürs OX und bist bestimmt ein oller Fanzinehorter. Als ich neulich mal in 80er Fanzines blätterte, fiel mir auf, dass eigentlich ALLE relevanten Themen damals schon diskutiert wurden: Rassismus, Sexismus, Macho-Verhalten, gerade auch innerhalb der HC/Punk-Szene, etc. Hat sich nichts getan in den letzten Jahrzehnten oder sind "wir" in bestimmten Bereichen doch schon einen Schritt weiter gekommen?

Meine persönliche Stammtisch-Theorie sagt: „Beides.“. Ich glaube schon, dass es eine gewisse „Awareness“ bei diesen Themen auch in den Mainstream eingesickert ist.  Aber nach meinem subjektiven Empfinden war der positive Höhepunkt der Einsicht bei Themen wie Rassismus, Sexismus etc irgendwann kurz nach der Jahrtausendwende erreicht. Seit dem entwickelt sich gefühlt alles wieder zurück. Diese ganzen Neobiedermeier-Generationen kehren total zu konservativen Geschichten zurück. Dann gibt’s halt noch diesen ganzen Populismus-Kram und  eine verbreitete Suche nach „einfachen Antworten“. Und – schwups! - sind die 80er Themen wieder brandaktuell. Kommentarspalten im Internet, Äußerungen von Politikern – das macht mich echt fertig. Moral und Empathie sind momentan echt keine angesagten Werte. Stattdessen ist alles durch „Hey, ich meine es ironisch“ weichgespült, weil alle Angst haben, sich auf irgendwas festlegen zu müssen. Oh, ich glaube, ich rege mich schon wieder auf....

 

Mir gefällt, dass ihr musikalisch nicht einem der gängigen "Trends" folgt. Ihr klingt nicht wie eine Rachut-Band, auch nicht wie eine Ironie-Punk-Band. Aber es ist auch kein Affenhardcore. Eher geiler Punkrock mit authentisch angepisster Note. Wie seht ihr selbst das? Ist das eine bewusste Entscheidung bzw. sprecht ihr darüber, wie ihr gern klingen möchtet? Oder macht ihr einfach und so klingt's halt?

Danke – es freut, glaube ich, jede Band, wenn man hört, dass man „eigenständig“ klingt. So richtig drauf angelegt haben wir es aber nicht. Eigentlich war uns nur klar, dass es aufgrund unser eingeschränkten musikalischen Fähigkeiten irgendwas Simples mit deutschen Texten sein soll. Ansonsten sind unsere Einflüsse mega unterschiedlich: Von D-Beat über Metal bis halt zu Hardcore, Indie und HipHop ist alles dabei. Konzeptionelle Denke gabs da nicht.Witzigerweise bekommen wir ganz häufig son einen TURBOSTAAT-Vergleich um die Ohren. Neben der Tatsache dass auch für mich als Nicht-Fan, klar ist, dass TURBOSTAAT deutlich versierter sind als wir, finde ich auch, das wir direkter und teilweise auch „mehr geradeaus“ sind. Aber letztlich hört jede*r raus, was er/sie möchte, und das finde ich prinzipiell auch okay. Geht einem selbst ja nicht anders

 

Was würdet ihr für Musik machen, wenn ihr eure Instrumente so richtig beherrschen würdet? Bzw. euch eine andere Stimme aussuchen könntet.

Ich habe da mal Rücksprache gehalten. Olli sagte kurz MAIDEN. Teller konnte sich nicht zwischen INSPIRAL CARPETS und INTERPOL entscheiden, war dann aber für die MOLDY PEACHES.

Herbert geht wiederum für DEATH FROM ABOVE. Felix ließ sich etwas bitten und wär bei RAISED FIST dabei. Und ich würde mega gern in einer Sludge-Band brüllen, wenn es stimmlich reichen würde. So frühe KYLESA mit ballerigen Halftime-Parts. Oder schrillen Noiserock, wie MCLUSKY.

 

Gab es schon mal die Überlegung, deinen Synthesizer irgendwie einzubauen wie bei den Froods?

Kannst Du hellsehen, oder was?? Wir haben gestern geprobt. Und ich spielte in einem neuen Song tatsächlich das erste mal seit 10 Jahren oder so wieder Synthie. Das Wirrste daran war gestern, dass dabei plötzlich Moltex (der Froods-Gitarrist, den ich seit Jahren nicht gesehen habe) bei uns im Proberaum als Gast stand, weil Herbert ihn traf. Plötzlich war es, als wäre keine Zeit seit der letzten Probe mit den Froods vergangen. Und heute fragst Du mich das!!!

Ja, es wird möglicherweise 1-2 Songs mit Synthies in Zukunft geben. Überhand soll das aber nicht nehmen. Denn wenn es was gibt, was ich noch schlechter kann, als Singen, ist das Synthie spielen!

 

Danke für das Gespräch, Herr Schramm!

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