COVEN, DEMON HEAD / 02.08.2019 – Hamburg, im kleinen MarX der Markthalle

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Der Tag steht unter keinem guten Stern. Die mysteriösen und gleichzeitig legendären (hier passen diese inflationär benutzten Adjektive ausnahmsweise einmal) Coven geben eines ihrer seltenen Konzerte und das auch noch in Hamburg. Meine persönliche Hellseherin und Wahrsagerin Madame Xu rät mir mittels Telefonats von einem Besuch ab. In dem heutigen Datum steckt der Teufel!, flüstert sie mir zu und legt sofort entsprechende Beweise vor.

 

COVEN

 

 

20 multipliziert mit 19 – aus dem Jahr – ergeben 380. Widmen wir uns nun den verbliebenen Zahlen. Übrig aus dem Tag und dem Monat bleiben die 2, die 8 und zwei mal die 0. Die beiden letztgenannten Ziffern verwerfen wir sofort, da sie keinen Wert besitzen. Nur die 2 und die 8 ist nach. Da die 2 kleiner ist, kommt diese an die erste Stelle, die 8 dahinter und nach den Regeln der Katharer wird nun noch von der größeren Zahl die kleinere subtrahiert und diese als letzte angehängt – wir erhalten 286. Diese addieren wir zu den 380 und erhalten: 666! Die Zahl des Tieres! Hier waren die fünfzig Euro Honorar mehr als gut investiert, nur warum habe ich nicht auf sie gehört und verließ das beschauliche Kiel? Unheimliche Dinge sind geschehen und ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Rezension jemals zu Ende schreiben werde – womöglich kriecht schon etwas Finsteres die Treppe zu mir empor.

Die Anreise mit der Bahn verläuft seltsamerweise ohne größere Schwierigkeiten und besorgt stelle ich in Hamburg fest, dass wir gerade mal 15 Minuten nach Plan unser Ziel erreichen. Ist dies nicht merkwürdig? Die Quersumme davon ist zudem 6 und 3 Uhren hintereinander zeigen am Bahnsteig diese Verspätung an. Zitternd greife ich in meinen Mühlheim-Asozial Beutel und mit kaltem Schauer stelle ich fest, dass er leer ist. Saß etwa jemand oder irgendwas neben uns im Abteil, hat mein Bier getrunken und wir haben diese Kreatur nicht einmal bemerkt? Nur einen Träger hatte ich - vermutlich - bisher getrunken – genau wie gestern und vorgestern. Noch schlimmer wird es nur, als wir den Bahnhof in Hamburg durch den Haupteingang verlassen und dort den Pfad zu unser linken Hand einschlagen.

19:00 Einlass und 20:00 Beginn – knappe Kiste, doch seltsamerweise erreicht unsere kleine Reisegruppe das MarX noch rechtzeitig. Fast war es, als hätte irgendwer oder irgendwas nur auf unsere Ankunft gewartet. Das anwesende Publikum ist bunt gemischt – Wicca und Wicce, Hexen und deren -jäger, Klima-Aktivisten*innen, ein mir bekannter Gebrauchtwagenhändler aus Ottensen und zudem coole Doomrocker. Der Altersdurchschnitt ist unerwartet niedrig, aber jene, die zu Covens Zeiten auf Konzerten waren, sitzen heute sicherlich mit Bierbauch im Altenheim oder sind längst dem Wahinsinn verfallen.

Ausverkauft ist nicht, aber dies ist ausnahmsweise kaum verwunderlich:

Gleichzeitig findet ja dieses unsägliche Open Air in fast unmittelbarer Nähe statt, dessen Name hier nicht einmal genannt werden soll. Kleiner Tip: An jenem Ort treibt seit 40 Jahren die nur 28 cm „große“ Doro Pesch ihr Unwesen und terrorisiert die Anwesenden mit ständigen „All we are“-Rufen.

Schlamm drüber! Ein bisschen Spaß muss sein, das wusste schon ein Schlager-Barde, der sich genau dort auch für nichts zu schade war.

Die Vorband hat noch nicht angefangen, also schnell noch mal auf die Toilette, denke ich mir. Ein Blick in den langgezogenen Raum lässt mich zusammenzucken. Keine Menschenseele ist dort! Das habe ich doch noch nie erlebt! Leere Toiletten in der Markthalle! Nicht mal das Aufbrausen einer Spülung verkündet mir, dass hinter einer der halboffenen Türen Leben ist. Lautlos mache ich kehrt und schleiche in das MarX.

 

COVEN

 

Dort ist mehr Nebel als auf einem Sisters Konzert (da gehört schon was zu...) und der süße Duft von verglühendem Patschuli erfüllt den Raum. Gezackte und gehörnte Gestalten bewegen sich bereits ekstatisch zu dem höllischen Lärm, der aus den Boxen kommt, derweil direkt vor der Bühne ein kleiner Dicker mit der Birne nickt. Warum zum Teufel kenne ich Demon Head bisher nicht?, frage ich mich.

Das Ganze ist richtig geiler Scheiß. Schlagzeuger, Bassist und 2 Gitarristen sorgen für den Unterbau, darüber liegt die leidende, emotionale Stimme des charismatischen Sängers. Alles nicht zu brachial metallisch, aber trotzdem mit Wumms und Finesse. Ein leichter Gothic Einfluss ist nicht zu leugnen und mich erinnert die ganze Chose an die grandiosen Idlehands - JanML gar nicht. Ist das nicht seltsam?

Dazu gibt es mal richtig fettes Gepose der beiden Gitarristen. Oder eines Gitarristen und des Bassisten – es ist wirklich geil viel Nebel in dem kleinen Bums und Einzelheiten lassen sich nicht erkennen. Entweder zeigen die Instrumente steil nach oben (oder steil nach unten...je nach Sichtweise), oder es ist gerade die kurze Pause zwischen den Liedern angebrochen.

 

DEMON HEAD

 

Zum Ende des Sets nimmt der Sänger selber auch noch eine Gitarre in die Hand und etwas ruhiger klingt es aus. Viel zu früh beendet die Band ein leider viel zu kurzes Set. Eine Support Band, die tatsächlich mal gut ist?, wundere ich mich. Was stimmt hier nicht?

Der letzte gute Support, an den ich mich erinnern kann, waren Hell and High Water in der Bude, aber auch dieser Bandname trägt teuflisches in sich. Da Demon Head aus Kopenhagen kommen, bleibt nur zu hoffen, dass sie früher oder später auch mal einen Stop in Kiel einlegen.

Die Umbaupause beginnt und mich packt das kalte Grauen: Steht dort oben auf der Treppe, in dem engen Gang zu jenen Räumen, die kein Sterblicher je betreten hat, etwa ein Sarg? Nur wenige Minuten später tragen zwei bucklige und deformierte Gestalten diesen bereits auf die Bühne.

 

Arsch im Sarge

 

Was ist das hier bloß für ein schrecklicher Ort? Mein Herz schlägt schneller bei der grausigen Vorstellung, was jenem schwarzen Etwas wohl bald entsteigen wird – und das bei meinem Bluthochdruck. „Da kommt gleich die Sängerin raus“, beruhigt mich JanML. Aber weiß er, was ich alles bereits in den fernen Ländern Chinas und Japans gesehen habe? Das Grauen und den Schrecken? K- und J-Pop Bands?

Die Zeit vergeht und wir rätseln, ob diese wirklich so lange in der Kiste wartet – immerhin liegt zusätzlich noch ein schwarzes Leichentuch darüber und wir beide schwitzen auch so schon wie die Ochsen.

 

COVEN

 

Endlich kommt die Band auf die Bühne, das Licht geht aus und unbheilvoll öffnet sich der Deckel des Sarges! Da steht sie vor uns! Mighty Jinx Dawson von almighty Coven! Wie geil ist das denn?!? Fuckin´Coven in diesem kleinen Bums! Und sofort....ja!!!!sofort!!!....aber der ersten Sekunde!!! ist mal so richtig Stimmung. Hier sind nur echte Fans, die der Zeremonie beiwohnen wollen! Nein, hier wurde keiner einfach so mitgeschleppt oder unter der falschen Versprechung, heute Abend gäbe es so schönen Metal - mit Orchester und Opernsängerin und so - ins MarX gelotst.

 

COVEN

 

 

 

COVEN

 

Ein mir bekannter Gebrauchtwagenhändler aus Ottensen stellt später die wahnwitzige These auf, dass Jinx kurz vor Beginn mit Pressluft durch den Bühnenboden in den Sarg geschossen wurde - manche seiner Erklärungsversuche waren noch wahnwitziger – aber ich glaube, den Trick durchschaut zu haben. Diesen verrate ich hier aber nicht, sondern werde ihn – so ich noch jemals die Möglichkeit dazu habe – dafür benutzen, um ohne den Eintritt blechen zu müssen, in die Bude zu kommen.

 

COVEN

 

War am Anfang das Licht oder das Wort? Es war Black Sabbath!, so klärte mich einmal ein Souvenirverkäufer und Heavy Metal Maniac in Jerusalem auf. Das kann aber bezweifelt werden. Die Frage ist, ob Black Sabbath das erste Album von Coven kannten.  Die aus Chicago, IL, stammende Band veröffentlichte ihr Debut-Album „Wichtcraft destroys Minds and reaps Souls“ nämlich bereits 1969. Sie waren in Zeiten von Hippie und Flower Power (vermutlich fanden sie das einfach sch..ße) die erste Band, die all jenes auf die Bühne brachten, mit dem noch 50 Jahre später 95% der heutigen Metal oder 100% der Occult Rock Bands kokettieren. Schwarze Messen, umgedrehte Kreuze, etc (ok...Bandnamen in unlesbarer Schrift haben glaube ich Venom erfunden...). Selbst die sogenannte Doro-Pesch-Pranke - oder auf besonders lustig: Pommesgabel - hat Jinx Dawson bereits 1968 vor allen anderen einem geschockten Publikum gezeigt. Das erste Lied auf ihrem Debut heißt übrigens Black Sabbath und mit diesem Oberkracher wird auch das Konzert eröffnet. Kann auch sein, dass es das zweite oder dritte war....egal.

 

COVEN

 

Die Soundqualität ist heute im Marx bei beiden Bands teuflisch gut und Coven besteht aus der klassischen Besetzung Schlagzeug, Bass, E-Gitarre, Tastenmann und Jinx Dawson. Im Internet gibt es Mitschnitte, wo das Keyboard durch eine zweite E-Gitarre ersetzt wurde. Das fand ich nicht so prall, die gespenstische Orgel passt da viel besser rein. Die Musiker sind erstklassig und passen optisch perfekt in den Rahmen. Dauerwellen, Oberlippenbärte, freie Oberkörper und Umhänge – erinnert vielleicht ein wenig an Savage Master, aber auch hier bei Coven schießen Photografen ihre Kameras leer, derweil die Band um ihr Leben spielt. Das Ganze klingt einerseits wie aus den 60ern oder 70ern – andererseits ist es dazu aber völlig zeitgemäß. Wer auch immer hinter dem Mischpult an den Reglern sitzt, hat für diesen Sound seine Seele verkauft.

 

COVEN

 

Das soll aber uns egal sein, immerhin haben wir Eintritt bezahlt und der ist mit 28 Euro als mehr als fair anzusehen. Geboten wird gaaaaaaanz großes Kino. Sarg, Kerzen, Masken, Totenschädel und eine Jinx Dawson, die trotz ihres Alters von geschätzten 160 Jahren figurtechnisch die meisten heutigen 20-jährigen locker abhängt. Das ist jetzt nicht sexistisch, sondern ein Vergleich, der jeder Betrachtung standhält. Dazu ist sie immer noch absolut top bei Stimme und verzückt das Publikum mit okkulten wie geheimnisvollen Gesten. Dementsprechend geht das Publikum steil und tosender Applaus hallt durch das finstere MarX zurück auf die Bühne. Da werden aus Dank dann auch mal die hochgereckten Hände der Fans in der ersten Reihe abgeklatscht und die extrem sympathisch wirkende Oberhexe des okkulten Rock demonstriert Fan-Nähe. Klasse! „Jinx ist ja eine richtige Gilf!“, entfährt es einem Halbstarken neben mir. Ich kenne diese Bezeichnung natürlich nicht, werde sie aber später nachschlagen und die Bedeutung hier ergänzen.

 

COVEN

(Hier berichtet uns Jinx gerade, dass sich Iron Maiden nach der nächsten Tour auflösen werden)

 

„The White Witch of Rose Hall“, „Wicked Woman“, „Choke, Thirst, Die“ - ich bin mir ziemlich sicher, dass kein Lied der „Witchcraft destroys Minds and reaps Souls“ ausgelassen wurde. Dazu kommen noch einige andere Kracher wie der Hammer „Blood on the Snow“ von dem gleichnamigen Album. „They are Seven, they are Seven, Seven they are“, heißt es „Coven in Charing Cross“, doch hier werden zahlenmäßig mehr Lieder gespielt. Aber auch dieses eben genannte ist darunter und wird perfekt umgesetzt.

 

COVEN

(Bertram „Bertram“ Abdul-Alhazred – einer der schönsten Basser überhaupt)

 

Irgendwann muss aber auch die dunkelste Hexenmesse vorbei sein und während die Musiker ihre Instrumente abbauen, buckelt Jinx Dawson ihren Sarg die Treppe hoch. JanML treffe ich am Merch-Stand wieder, wo er gerade für 800 Euro Platten und Aufnäher gekauft hat. Die Stimmen, sie haben es mir doch befohlen!, kreischt er mit weit aufgerissenen Augen. Seltsam, oder?

 

COVEN

 

Noch bizarrer ist die Rückfahrt. Obwohl der Zug voller St. Pauli Fans ist, verbreiten sie keine Stimmung oder saufen ausgelassen. Wissen sie, dass sie statt eines Jahrhundert-Konzertes nur ein einfaches Fussballspiel gesehen haben? Sind es etwa andere, finstere Mächte, die eben erst im MarX entfesselt wurden und nun ihnen auf das Gemüt drücken?

Doch auch an mir ging dieser Hexen Sabbat nicht spurlos vorbei. Nach dem heutigen Frühstück litt ich unter Appetitlosigkeit. Darauf ging ich unter die Dusche und fragte mich anschließend - mit gekühltem Kopf - , ob jener gestrige Abend wirklich so geschehen ist. Ich blickte auf den Rücken meiner Hand – der dortige Stempel sollte all jenes bestätigen, was hier geschrieben steht. Welch Teufelei! – kein Stempel zeigte sich mir mehr!

Wenn es alles so war, kann ich nur sagen: Das war der Oberhammer! Eines der besten Konzerte, auf dem ich je gewesen bin! Eine ausführliche Berwertung werde ich hier später ergänzen, doch jetzt sehe ich besser nach der Treppe. Es ächzt und krächzt dort unheimlich. Hail Satanas! Hail!

 

 

 

Bewertung: 5 / 5

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