KEEP IT TRUE XXII / 27.04.2019 – Lauda-Königshofen, Tauberfrankenhalle, Tag 2

1 Dislike0

MIDNIGHT

Teil II des Berichts von Stumpfer Fischkopp. Bilder von Florian Hille.

 

IDLE HANDS

IDLE HANDSIDLE HANDS

 

Schon witzig. Dass ein KIT-Opener direkt vor dem Festival in der eigenen Stadt (Kiel) spielt, hatte ich auch noch nicht erlebt. Aber im Falle von IDLE HANDS ist es so: Am Mittwoch konnten wir die Band noch in der lütten Schaubude (Kapazität: max, 200 Leute) sehen, heute steht sie auf der dicken Bühne. Es ist meine dritte Live-Begegnung mit der Portland-Combo und aus meiner Sicht gelingt dieser Auftritt noch besser als die bisherigen. Das Publikum ist sofort am Start und geht mit, was bei einer Mischung aus THE SISTERS OF MERCY und IRON MAIDEN nicht selbstverständlich ist. Aber jede*r merkt, dass IDLE HANDS authentisch sind und hier nicht etwa dem Metal-Underground ein „Produkt“ verkauft wird. Nein, und man muss gar nicht auf die SPELLCASTER-Vergangenheit von Gabriel Franco (v), Sebastian Silva (g) und Colin Vranizan (d) verweisen, sondern sich einfach von den mit Herzblut komponierten Songs mitreißen lassen. Franco klingt heute stimmlich etwas sicherer, wobei dieses Zerbrechliche in seiner Stimme, dieses leicht Überforderte für mich gerade den Reiz ausmacht. Auch das bewusst unterkühlte Stageacting des Sängers passt ins Bild, wobei Bassist Brandon Hill durch permanentes Ackern, Bangen und Zucken einen gelungenen Gegenpol bietet. Sowohl mit den Songs der EP als auch mit neuen Stücken wie dem flotten „Give Me To The Night“, dessen Stakatto-Riffing von einem herrlichen Refrain gekrönt wird, sowie dem postpunkigen „Nightfall“ räumen IDLE HANDS großflächig ab. Ich beobachte, wie die neue LP „Mana“ am Merch im Sekundentakt über den Tresen wandert. Verdient!

 

IDLE HANDSIDLE HANDS

 

SACRED RITE

SACRED RITESACRED RITE

 

Aaaah, als nächstes geht ein (weiterer!) Traum in Erfüllung! Nie hätte ich gedacht, die Honolulu-Freaks von SACRED RITE einmal live zu sehen. Aber da stehen sie. Ich liebe diesen beschwingten, völlig einzigartigen Heavy Metal, den Sänger/Gitarrist Mark Kaleiwahea und seine Bandkollegen auf ihren ersten drei Alben kreiert haben (die Alben Nr. 4 und 5 sind mir tatsächlich bisher durchs Schleppnetz geflutscht). Und schnell hört man: Marks Stimme klingt genau wie früher bzw. wie auf Platte und zaubert somit schnell die spezielle Magie der Band in die Tauberfrankenhalle. .Mit „Wings Of Pegasus“, „I’ve Seen The Wizard“, „1812: The Battle“, “The Blade”, “Teaser”, “Executioner” und “Revelation” stehen fast ausschließlich Klassiker auf der Setlist. Einige Besucher*innen scheint das BEATLES-Cover „Eleanor Rigby“ zu irritieren, aber das Ding steht schließlich auch auf dem 86er Album „Is Nothing Sacred?“ und passt meiner Meinung nach herrlich zum Flair und Melodieverständnis von SACRED RITE. „Ritual“ und „Take Me To The Kingdom“ hätte ich noch gern gehört, aber zack! ist die Zeit auch schon rum. Sehr kurzweilig und gleichzeitig begeisternd.

 

SACRED RITESACRED RITE

 

WITHERFALL

WITHERFALLWITHERFALL

 

Logische Entwicklung: Über die Jahre habe ich gemerkt, dass mir grundsätzlich fast jede Band, die auf einem KIT-Billing steht, gefällt. Also gehören Bands, die fürs KIT angekündigt werden und mir noch unbekannt sind, mittlerweile automatisch angecheckt, wenn nicht gleich deren Alben blind abgeerntet werden. So hab ich mir auch das „A Prelude To Sorrow“-Album von WITHERFALL geholt, wobei die Band natürlich außerdem durch den Job von Joseph Michael als Nachfolger von Warrel Dane bei SANCTUARY Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Im Vergleich zu vielen anderen Bands des Festivals sind WITHERFALL technischer und progressiver. Womit sie mich letztlich kriegen, ist die Trauer und Melancholie, die in Stücken wie „Moment Of Silence“, „End Of Time“, „Vintage“, „Shadows“ oder „Ode To Despair“ vermittelt wird. Joseph Michael klingt auf der Bühne hervorragend und lässt mir eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken schleichen. Ich habe zwei Stellen, die ich auf dem Album als besonders berührend empfinde und die gehen auch jetzt bis ins Mark: Das ist einmal der Refrain von „Shadows“, in dem es heißt „Shadows Are All That I See / Is There Anyone Left Alive / Come And Give Me Sanctuary / Shadows Are Beckoning Me / Follow Us To The End Of Time / Far Away From Tragedy“. Und dann verarbeiten WITHERFALL in „Vintage“ den Tod ihres früheren Schlagzeugers Adam Paul Sagan, was in den Zeilen „Travel On My Friend. Your Memory Will Never Die / From Nothing You Made A World Your Own / This Is Not The End, Your Music Remains Alive / The Cadence Of Life Won’t Resolve.” Überzeugend.

 

WITHERFALLWITHERFALL

 

SOLSTICE

SOLSTICESOLSTICE

 

Bereits vor dem Beginn des Konzertes merkt man, dass jetzt etwas Besonderes kommt. Alle sind gespannt, wie die Band sich ohne Paul Kearns schlagen wird, die Halle wird proppevoll. Ich mochte Kearns sowohl live als auch auf Platte, aber die heutige Darbietung toppt alles! Am Mikro steht Felipe Plaza von PROCESSION und liefert astrein ab!  Es ist überdeutlich spürbar, dass Felipe ein Fan ist, der sich tief in das Material hineinfühlen kann. „White Horse Hill“ stampft wuchtig und episch alles zu Klump, ich schmecke förmlich Erde im Maul. Rich Walker rifft sich durch die Songs und strahlt seine „Don’t fuck with me!“-Attitüde aus. „To Sol A Thane“, „The Sleeping Tyrant“ und „Death’s Crown Is Victory“ sind die nächsten Monumente, zu denen man bangen, mitsingen und die Fäuste schütteln kann, nein, MUSS. Zum Finale kommt Jake Rogers auf die Bühne und schmettert „Cimmerian Kodex“ mit Felipe im Duett. Meine x-te SOLTICE-Show und die wohl bisher beste!

 

SOLSTICESOLSTICE

 

TEXAS METAL LEGION

TEXAS METAL LEGIONTEXAS METAL LEGION

 

Drauf gefreut hatte ich mich schon, aber dass es SO GEIL wird, hatte ich nicht zu hoffen gewagt. Zu JUGGERNAUT schrieb ich ja, dass mir etwas die Wildheit und der Wahnsinn gefehlt hatten. Die TEXAS METAL LEGION hat beides! Die All-Star-Besetzung um Jason McMaster (WATCHTOWER), Mike Soliz (MILITIA) und weiteren Musikern von S.A. SLAYER, KARION, JUGGERNAUT und MILITIA zeigt sich spielpotent und beißwütig. Im Laufe des Sets steigert sich die Intensität gar noch und die Band (bzw. das Projekt) wird immer besser. Nummern von S.A. SLAYER, KARION, WATCHTOWER und MILITIA wechseln sich ab und werden von erfreulich vielen Besucher*innen abgefeiert. Mein totales Highlight sind die zappeligen WATCHTOWER-Classics „Tyrants in Distress“ und „Meltdowen“, aber alle Nummern werden durchweg super gesungen und in höchster Qualität gezockt. Mit „Breaker“ hat man sich für eine ACCEPT-Nummer entschieden, zu der Harlan Glenn (JUGGERNAUT) dazustößt, das Ding also von drei Sängern in Grund und Boden gescreamt wird. Killer!  

 

TEXAS METAL LEGIONTEXAS METAL LEGION

 

MIDNIGHT

MIDNIGHTMIDNIGHT

 

Irgendwie ist die letzte MIDNIGHT-LP an mir vorbeigegangen und fast hatte man den Eindruck, dass es um die Band etwas stiller geworden ist. Doch dieser Gedanke erweist sich als Fehleinschätzung! MIDNIGHT ziehen richtig viele Leute in die Halle – und hauen dann allen eine rein. Rotzig und spritzig donnert das Asi-Trio Volltreffer wie „Evil Like A Knife“, „No Mercy For Mayhem“, „Satanic Royalty“, „Lust, Filth And Sleeze“, “You Can’t Stop Steel” (yeah!) oder “Unholy And Rotten” in den Pit, der ordentlich in Bewegung kommt. So herrlich schmutzig, aber dabei auch tight, dass Lemmy daran seine Freude gehabt hätte und VENOM eigentlich nur neidisch sein können, denn so gut waren sie höchstens auf Platte. Athenar hat Bock auf Chaos: „Throw your beer cups on the stage!“, was zumindest kurzfristig einen Bierbecher-Hagel bewirkt (“More cups!”). Der dürre Gitarrist hat ‘ne coole Ausstrahlung und rennt trotz begrenzter Sicht durch die Sehschlitze in der Maske über die Bühne, springt in den Graben und reißt sich schließlich die Saiten von der Gitze. MIDNIGHT gehen immer.

 

MIDNIGHTMIDNIGHT

 

CULPRIT

CULPRITCULPRIT

 

Auch wenn das KIT von den Trüffelschweinen des Heavy Metal besucht wird, so merkt man doch manchmal, dass bei einzelnen Bands weniger los ist, als sie es verdient hätten. Aber nach MIDNIGHT zu spielen, das ist halt auch Pech. Dennoch lassen sich CULPRIT nicht (merklich) beirren und spielen ein überzeugendes Konzert. 2010 hatten sie das HEADBANGERS OPEN AIR als Tagesheadliner bespielt, ein super Auftritt, dessen Niveau auch heute gehalten wird. Schon damals wurde Originalsänger Jeff L’Heureux durch einen neuen Frontmann ersetzt (Steve Nations), heute steht Mino Mereu am Mikro, wenn man der Facebookseite der Band Glauben schenken darf. Der Typ macht seine Sache sehr gut und singt die Songs sehr originalgetreu. Im Mittelpunkt steht das einzige Originalmitglied, Bassist Scott Earl, ein scheinbar altersloser Rock’n’Roller mit viel Energie und gefühlt mehr in der Luft als auf dem Bühnenboden. Gespielt wird natürlich v.a. Material der genialen „Guilty As Charged“-LP, die mit dem Titelstück, „Ice In The Back“, „Steel To Blood“, „Same To You“, „Ambush“ oder „Players“ gleich diverse magische US Metal-Perlen mit origineller Gitarrenarbeit und unsterblichen Hooks aufweist. Am Ende ein „Hat er das gerade wirklich gemacht?“-Moment: Scott Earl spielt den letzten Ton, dreht sich um sich selbst und schleudert den Bass ohne Vorwarnung aus der Drehung mit Karacho ins Publikum. Ziemlich anarchistische Aktion… Wenn das jemand an die Birne bekommen hätte, hätte der/die wohl mehr als ‘ne Beule davongetragen. Aber ich treffe später den 2-Meter-Hünen, der das Ding glücklich mit sich herumschleppt: „Ich hab den Bass vor die Brust bekommen und dachte erst, ich sterbe. Aber nu geht’s wieder und das ist doch ‘ne geile Erinnerung!“    

 

CULPRITCULPRIT

 

VICIOUS RUMORS

VICIOUS RUMORSVICIOUS RUMORS

 

Den 2011er KIT-Auftritt von VICIOUS RUMORS wird wohl keiner vergessen, der dabei war! Da singt Carl Alberts (R.I.P.!) Sohn Keven Gorski und klingt genau wie sein Vater. Dass sich so etwas wiederholen lässt, ist richtig herrlich. Der heutige Auftritt sorgt erneut für herunterklappende Unterkiefer, denn Keven hat in den zurückliegenden acht Jahren nichts verlernt. Es ist unheimlich, aber wenn man die Augen schließt, denkt man wirklich, dass Carl Albert auf der Bühne steht. Keven muss die VR-Songs wie mit der Muttermilch aufgesogen haben, echt faszinierend. Was die Freude noch erhöht: Es gibt die komplette „Digital Dictator“ auf die Omme! VICIOUS RUMORS spielen die Songs in chronologischer Reihenfolge durch, was bei ähnlichen Konzeptshows auch mal antiklimatisch kommen kann. Aber natürlich nicht bei dieser Platte! Ich drehe total durch und schreie mir zu „Minute To Kill“, „Towns On Fire“ oder „Worlds And Machines“ die Kehle wund. Die Band haut die Dinger aber auch raus! Was für eine Wucht, was für eine Heaviness. Als Zugaben gibt’s noch drei Smasher von anderen Alben, nämlich „Down To The Temple“, „Hellraiser“ und „Don’t Wait For Me“,  bei dem auch der ganz neue Sänger Nick Courtney auf die Bühne kommt. Schade, dass VICIOUS RUMORS seit Jahren so ein Chaos bezüglich der Gesangsposition haben. Der neue Sänger scheint nicht schlecht zu sein, kann aber auf Anhieb nicht mit Keven mithalten. Aber mal gucken, warten wir auf erste volle Shows mit ihm. Heute jedenfalls: Pure Energie von VICIOUS RUMORS in Bestform!

 

VICIOUS RUMORSVICIOUS RUMORS

 

SATAN

SATANSATAN

 

SATAN ist wohl die Band, die ich vom diesjährigen KIT-Billing am häufigsten gesehen habe. Aber es macht immer wieder Spaß, zumal die Legende seit Jahren einen Run hat, der seinesgleichen sucht. Seit 2011 haben SATAN nun bereits drei hochklassige Alben veröffentlicht, die auf Augenhöhe mit den Bandklassikern liegen. Da können sonst nur noch RIOT mithalten, aber SATAN spielen im Line-Up der 83er LP „Court In The Act“, was wirklich konkurrenzlos ist. Auch wenn mein letztes SATAN-Konzert erst ein halbes Jahr her ist, genieße ich den Auftritt und lasse mir keinen Augenblick entgehen. Besonders Brian Ross ist gut drauf und erzählt zwischen den Songs interessante Details über die Hintergründe der Texte, z.B. sei „Doomsday Clock“ von der Serie „Doctor Who“ inspiriert, der britischen Science-Fiction-Fernsehserie, in der es um Zeitreisen gehe. Neben den großartigen Gesangsmelodien sind es natürlich auch die genialen Riffs und Licks von Steve Ramsey und Russ Tippins, die SATAN-Songs so charismatisch und wiedererkennbar machen, man höre nur mal „Incantations“, „Twenty Twenty Five“ oder „Into The Mouth Of Eternity“. Die werden folgerichtig auch genauso hart gefeiert wie „Blades Of Steel“, „Trial By Fire“, „Break Free“, „No Turning Back“ und „Alone In The Dock“.

 

SATANSATAN

 

SORTILÈGE

SORTILEGESORTILEGE

 

Es wäre natürlich schön gewesen, wenn CANDLEMASS auch noch gespielt hätten (die Absage bleibt etwas seltsam, da es sicher Alternativen zu einem Flug gegeben hätte), aber SORTILÈGE sind heute andererseits auch bereits die zehnte Band! Und sie spielen einen derart formidablen Gig, dass danach keine Wünsche mehr offen bleiben. Vor exakt zehn Jahren konnten wir bereits ZOUILLE (& HANTSON) auf dem KEEP IT TRUE sehen, von daher bin ich hinsichtlich der Stimme des Kultsängers zuversichtlich. Und in der Tat klingt Zouille immer noch brillant, teilweise wie ein junger Ian Gillan mit Speed in der Birne. Trotzdem haben SORTILÈGE noch eine Backgroundsängerin dabei, was vor allem wegen der Bühnenaction eine gute Idee ist. Denn die Musiker bewegen sich ansonsten nicht so viel (einziger Kritikpunkt), während Lynda (sonst bei FURIES, die uns Zouille sehr empfiehlt) gut Gas gibt. Neben Zouille sind drei weitere Originalmitglieder dabei, Didier DEM Demajean (G), Daniel LAPP (b) sowie Bob Snake (d). Die Songs unterstreichen fett, dass SORTILÈGE zur Speerspitze des Heavy Metal zählen, ich sage nur „D’ailleurs“, „Majesté“, „Métamorphose“, „Amazone“, „Gladiateur“, „Progéniture“ und die Hymne „Sortilège“. Letztere wird so derbe mitgeschmettert, dass dieser Moment später gern mit KIT-Stimmungshighlights wie MEDIEVAL STEEL (gleichnamige Bandhymne), ROSS THE BOSS („Battle Hymn“) und CIRITH UNGOL („King Of The Dead“) verglichen wird.

 

SORTILEGESORTILEGE

 

Insgesamt ein tolles KIT mit vielen Höhepunkten! Für nächstes Jahr hat Oliver Weinsheimer einiges in Japan klar gemacht, denn auf dem Billing stehen LOUDNESS (KIT exclusive 80s Set), METALUCIFER, SABBAT (80s Set) und GENOCIDE NIPPON (Europadebut). Außerdem zocken CIRITH UNGOL an beiden Tagen, HEATHEN bieten eine Old School Show, LEGEND feiern eine einmalige Reunion, TRESPASS kommen mit 80s Set, REALM mit ihrem Europadebut und weitere heiße Eisen lauten ELIXIR, VISIGOTH, RIOT CITY, VULTURE & SÖLICITÖR. Da geh ich wohl ma besser hin.

 

Hier geht's zu Tag 1:

http://www.dremufuestias.de/index.php?option=com_content&view=article&id=5794:keep-it-true-xxii-26-04-2018-lauda-koenigshofen-tauberfrankenhalle-tag-1&catid=15&Itemid=520

 

SATAN

Stern inaktivStern inaktivStern inaktivStern inaktivStern inaktiv