HELL OVER HAMMABURG VII / 02.03.2019 – Hamburg, Markthalle, Tag 2

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Philipp: Der Morgen kommt unsanft und lässt die Entscheidung zur gestrigen Verminzung in einem schlechten Licht stehen. Aber es nützt ja nichts, rufen heute doch unter anderem NIGHT DEMON, GATEKEEPER, MEGA COLOSSUS, CHAPEL OF DISEASE, SANHEDRIN, DEAD CONGEGATION oder MATTERHORN! Bei der Aussicht heilt der Körper wie von selbst und das Frühstück flutscht gut runter. Dennoch slacken wir zu lange herum, verlieren uns beim Genuss neuer und alter Scheiben im Heavy-Metal-Smalltalk, sodass wir den ersten Song von MALOKARPATAN verpassen.

Torsten: Wenn man in Hamburg übernachtet, hat das sicher auch seine Vorteile, besonders, wenn es darum geht, ausschlafen zu können ... In Kiel kennt die innere Uhr wiedermal keine Gnade und weckt mich viel zu früh – na gut, dann muss Kaffee helfen ...

Aber dafür geht es in Hamburg ja auch schon früher los; will heißen auch die Anreise soll ja pünktlich erfolgen. Heute hat unsere kleine Gruppe eine feine Mitfahrgelegenheit und so geht es kurz nach Eins zurück zum HoH.

Heute ist die Banddichte höher, diesmal schepperts auch im kleinen MarX (am Vortag wurde nur in der großen Halle musiziert) und ich hab den Anspruch von jeder Band wenigstens ein bißchen was mitzukriegen. Da es aber Überschneidungen gibt und ins MarX wesentlich weniger Leute reinpassen, wird das durchaus sportlich ...

Unser Grüppchen kommt auch pünktlich an der Markthalle an, der eine Teil entert schonmal den Fotograben, während wir anderen diverse Bekannte begrüßen und uns vor der Bühne in Stellung bringen. Heute, am Samstag, ist es schon zu Beginn noch besser gefüllt als am Vortag; klar, ist ja auch endlich Wochenende. Heavy Metal und Bier! Besser kanns nicht werden :-)

 

Doppelreview von Torsten und Philipp.

 

Philipp: MALOKARPATAN zählen später zu den Bands, die immer wieder als Highlight genannt werden. Die Slowaken punkten nicht nur mit einem gehörigen Kauz-Faktor  - der Sänger und einer der Gitarristen tragen Dracula-artige Capes und Sonnenbrillen – die Macht des Riffs ist mit ihnen! Die Mischung aus HELLHAMMER’scher Primitivität und MERCYFUL FATE-Theatralik erinnert mich an mehreren Stellen an MASTER’S HAMMER, stellt sich insgesamt aber nicht so over the top wie die Tschechen dar. Die Basis besteht aus Black Metal, der ursprünglichen Heavy Metal atmet und Raum für einen experimentellen Touch lässt. Es ist anzunehmen, dass die Band nicht übermäßig viel Live-Erfahrung sammeln konnte, wodurch einige Parts noch stärker rumpeln als ohnehin geplant, der bereits erwähnte Gitarrist hat dazu echt die Ruhe weg, spielt er doch weiter, obwohl seine Gitarre mehrfach nicht zu hören ist. Ein Stück muss sogar abgebrochen werden, aber das bringt der Band nur mehr Sympathien ein. Letztendlich lag das Gitarrenproblem offenbar an einem kaputten Effektgerät. Macht nichts, dat ist schließlich Rock’n’Roll und Fehler gehören dazu! Ich hole mir gleich danach mal das Debut „Stridžie dni“ und erwische laut Mercher auch das letzte Exemplar (das sagen die doch zu jedem…).    

Torsten: Mit MALOKARPATAN geht's los. Die Jungs sind in ihren Umhängen mal eben aus der Slowakei eingeflogen und "kauzmetaln" sich sogleich in die Herzen der Headbanger. Empfohlen wurde die Band von Darktrone-Fenriz; und ja, man ahnt auch, warum. Denn MALOKARPATAN klingen tatsächlich so ungestüm räudig wie einige Darkthrone – VÖ's. Zwischendrin gibt's mal Maiden und Motörhead Versatzstücke oder doomiges Geschredder, also durchaus abwechslungsreiche Kost. Kleiner Wermutstropfen ist die Gitarre auf der linken Seite – die ist mal zu hören, mal bleibt sie stumm. Da scheint die Technik nicht gut auf die okkulte Ausstrahlung der Band zu sprechen zu sein ... ;-) Trotzdem gut und unterhaltsam.

 

Philipp: Ob ich es wohl mal schaffe, einen vollständigen MATTERHORN-Auftritt zu sehen? Beim Erstkontakt in meiner Homebase Kiel (Alte Meierei) spielten die Schweizer gerade den letzten Song, als ich eintrudelte. Immerhin: Eine Steigerung ist drin im Verhältnis MATTERHORN & me, denn heute sind es immerhin anderthalb Stücke, die ich noch genießen kann. Ich stehe auf ihr sympathischerweise in Eigenregie veröffentlichtes Debut „Crass Cleansing“, welches perfekt zwischen CELTIC FROST und HELLHAMMER pendelt. Oder wie ein ein Hörer begeistert auf Bandcamp kommentiert: „Crushingly heavy!“ Das gilt auch für die heutige Performance, die von zahlreichen Besucher*innen im Marx besucht wird. MATTERHORN räumen mit ihrem punkigen Mix aus Black und Speed Metal ziemlich ab und werden den restlichen Abend lang an ihrem Merchstand belagert.

Torsten: Ab jetzt geht's auch im kleinen MarX los. Und es wird gleich kuschelig, denn alle wollen Hellhammers Erben sehen. Gemeint sind die schweizerrischen Jungspunde von MATTERHORN, die ja in aller Munde sind. In Kiel konnte man die Band ja schon bestaunen und bejubeln. In Hamburg isses heute genauso. Die Jungs gehen mit ihrem Hellhammer/-early Celtic Frost – Sound gleich in die Vollen (voll doof ist auch das Death In June-Shirt des Sängers mit SS-Totenkopf-lookalike :-( und lassen die Anwesenden mit offenen Mündern dastehen. Ob die Mäulchen auch wieder zugeklappt sind, weiß ich nicht, denn nach zwei Songs zieht es uns in die große Halle ...

 

Philipp: Wenn man nach dem Live-Erstkontakt mit einer Band, die einem bis dahin noch vollständig unbekannt war, gleich drei Scheiben aberntet, muss einem diese wohl gefallen haben… Dat ist bei THE NEPTUNE POWER FEDERATION der Fall. Die Australier*innen konnten wohl noch nicht (so häufig) in Europa touren, sonst wären sie schon deutlich bekannter. Die Band fährt einen kuriosen Stil aus punkigem Garage, Stoner, 70er Hardrock und Melodien, welche mich an die besten Momente von 90er Crossover erinnern. Das mag sich in der Theorie zerfahren lesen, rockt aber tatsächlich wie Sau und klingt trotz aller Craziness nachvollziehbar und griffig. Dazu kommt ein schrilles Erscheinungsbild – die Sängerin trägt eine Art weißes Märchenbrautkleid und auf ihrer Birne türmt sich eine Geweihkrone. Nach zwei Stücken knipst sie plötzlich eine Lichterkette an, die sich in der Kopfbedeckung versteckt hatte und hat damit die Lacher der gesamten Markthalle auf ihrer Seite. Ab und zu gibt es gesprochene Passagen, die etwas nach ANNE CLARK klingen, dann zieht die Combo hart das Tempo an und brät mit Riffs herum, bis der Horizont glüht. Die Stimme von Loz Sutch steigert sich von betörend-beschwörendem Flüstern in markerschütternde Schreie, wobei es ebenso drauf hat, schlicht tolle Melodien kraftvoll zu stemmen. MOTÖRHEADS „Killed By Death“ rennt die letzten Türen ein und THE NEPTUNE POWER FEDERATION haben nun mit Sicherheit einige Fans dazugewonnen.          

Torsten: ... wo die Australier THE NEPTUNE POWER FEDERATION zum Tanze bitten. Auch diese Truppe wird derzeit hochgelobt; es soll ja ganz was besonderes sein ... Musikalisch isses erstmal purer, guter Rotz'n Roll der da erklingt. Blickfang, Dreh-und Angelpunkt aber ist die Frontfrau der Band. Anscheinend als Botschafterin der Venus zur Erde herniedergekommen, dürfen wir niederen Erdenwürmer jetzt ihrem Gesang lauschen bzw.ihre Garderobe bestaunen. Umhüllt mit Tüll und Tüchern, Umhängen und anderem Tüddel schwebt die Holde auf die Bühne. Ihr Haupt wird gekrönt von einer Monstranz, die sie wie eine orthodoxe Ikone erscheinen lässt. Gemessenen Schrittes vollzieht diese Erscheinung eine Messe, trinkt aus einem Kelch Blut(?) und überschüttet sich damit. Untermalt wird das mit geiler Rock – Mugge, so Alice-Cooper-mäßig, würde ich mal sagen. Höhepunkt ist: DAS LICHT! Dramaturgisch etwas unglücklich, setzt in einem zu ruhigem Moment die Beleuchtung der Venusgöttin ein. Ich höre quasi das klicken des Schalters – und die Monstranz sowie ein gr0ße Kette auf ihrer Brust fangen an zu leuchten. Tja, irgendwie blöder Zeitpunkt, denn beim Einschalten lacht, vernehmlich hörbar, die ganze Halle. (Genau diese Reaktion war doch gewollt. Das war dramaturgisch sehr geschickt und ein gelungener Gag. Anm. Red) Es sieht eben eher aus wie ne Weihnachtsbeleuchtung, als daß irgendwie die Verlockung des Abendsterns hervorgerufen wird. Doch zum Glück lassen sich weder die Band oder die Venustante davon beeindrucken und rocken die Halle! Und das wirklich gut! Die Musiker können was und die Songs sind gelungen. Am Ende wird die (heilige???) Messe auch ins Publikum getragen, wo einige Worshipper in den Genuß(?) einer Salbung kommen (könnte aber auch die letzte Ölung sein – wer weiß das schon so genau ...) . Die Australier werden auf jeden Fall komplett abgefeiert (und am Merchstand ausverkauft!), was sie sich auch redlich verdient haben. Ich glaub die kommen wieder ... 

           

Philipp: „Wie wunderbar! Und die kamen aus dem Nichts!“, schwärmt meine ehemalige Heavy-Metal-Brieffreundin Taina. Und Recht hat sie. „A Funeral For The World“, das Debut des US-Trios mit dem hebräischen Namen, krachte 2017 wie eine Bombe in den Echt-Metall-Untergrund und der „Poisoner“ legte unlängst formidabel nach. Man kann das schon als symptomatisch fürs HELL OVER HAMMABURG bezeichnen, denn nicht wenige der Bands auf dem Billing sind erst bei ihrer zweiten Platte. SANHEDRIN freuen sich, dass ihr Heavy Metal / Doom derart positiv aufgenommen wird: „Hamburg, we’ve waited for you!“ Das Songwriting ist das eine schlagkräftige Argument, die angenehm unaufgeregte Präsentation ein weiteres. Mit drei Leuten auf der Bühne gibt es halt kein großes Gewese, da müssen einfach Songs und Zusammenspiel gut sein, um den Mob mitzureißen. Erica Stoltz‘ Stimme klingt ganz ohne Background-Unterstützung souverän, sie meistert die tollen Melodiebögen von Epic-Gänsehäutern wie „The Poisoner“, „The Gateway“ oder „Die Trying“. Ganz groß – und man spürt förmlich, dass diese Band noch lange nicht am Limit agiert!

Torsten: SANHEDRIN haben ebenfalls eine Frontfrau in ihren Reihen, diesmal ohne Getüddel, dafür aber mit Kick-Ass-Atitude. Von Anfang an wird gut ausgeteilt. Schöner schnörkelloser Hardrock/Heavy Metal mit feinen Gitarrenläufen. Ich kenn die Engländer bislang nur von diversen (wohlmeinenden) Interviews. Da dort auch von dooomigen Einschüben berichtet wird, sind meine Lauscher gaaanz weit offen. Und siehe da, gleich mit dem zweiten Song "A Funeral For The World" hat mich das Trio bei den Eiern! Kraftvoll Trouble-esk drückt sich der Song in meine Ohren. Echt ne geile Angelegenheit; kurze, knackige Rocker wechseln sich ab mit schleppenden Riffs. Und auch wenn man denkt "das hab ich schonmal irgendwie gehört", kontern SANHEDRIN altbekannte Rhythmen mit überraschenden Wendungen, Riffs, Soli und generell geilen Songideen. Was mich etwas "stört" ist der schwache (zu leise) Gitarrensound – selbst auf Platte drückt der mehr ...

           

Philipp: Von LORD VIGO bekomme ich danach natürlich nur noch wenig mit. Schade, denn der Epic Doom Metal der Pfälzer gefällt mir besonders auf dem 2017er Album „Blackborne Souls“. Neulich fragte mich jemand, was Doom Metal eigentlich sei. Mir fiel bei der Erklärung selbst auf, wie facettenreich dieses Subgenre eigentlich tönen kann. Man denke nur mal an so unterschiedliche Klamotten wie SAINT VITUS, WARNING oder CANDLEMASS. LORD VIGO setzen auf Epik mit Hang zur großen Geste, nennen wir ruhig ATLANTEAN KODEX oder MANOWAR als Einflüsse. Ich mag den etwas knödeligen Gesang und die Atmosphäre, welche LORD VIGO im Marx erzeugen. Hätte ich gern länger genossen.    

Torsten: ... jetzt aber mal ins MarX gucken – da is noch mehr Doom – LORD VIGO zocken da. Aber, was ist das? Das haut mich ja gar nicht vom Hocker! Zwar sind die Riffs feinste Old-School-Doom-Kost, jedoch fügt sich da die Stimme des Frontmanns so gar nicht ein. Ich versuche mich reinzuhören, aber da ist kein Funken, der überspringt; er glüht, ja, aber es reicht nicht zur Flamme. Und obwohl hier mal mehr Ansagen zu hören sind, als bei manch anderen Bands dieses Festivals, entlocken mir diese nur ein müdes Lächeln. Klingt alles zu gewollt (transylvanisch, vampirisch) und die Sonnenbrille geht auch mal nicht. Schade, hätte ich mögen wollen ...

... noch ein paar Takte SANHEDRIN – da klingt jetzt auch die Klampfe fetter, genauso fett wie der abschließende Applaus. Geile Band! Absolutes Highlight!

 

Philipp: MAGIC CIRCLE machten mich im Vorfeld mit zwei Namen neugierig – es singt dort kein Geringerer als Brendan Radigan, der mittlerweile als Nachfolger von Terry Jones (R.I.P.) bei PAGAN ALTAR schmettert, auf dem HAMMER OF DOOM 2017 mit dem TIME LORD-Auftritt restlos begeistert hat und zusammen mit Gitarrist Chris Corry spielt er auch noch bei den genialen STONE DAGGER. Aufgrund der begeisterten Reviews für das neue Album „Departed Souls“ und – ich gebe es zu – auch wegen der Beteiligten hole ich mir das Teil noch vor dem Auftritt. Die ganzen Vorschusslorbeeren wurden zu Recht verteilt, denn MAGIC CIRCLE spürst du zu jeder Sekunde an, dass es positiv Musikverrückte sind, welche ursprünglich aus der Hardcore/Punk-Szene kommen und die Band als PAGAN-ALTAR-Fans gestartet haben und daraus ein eigenes Monster gebastelt haben. Brandan singt äußerst gefühlvoll, die Songs klingen mythisch, filigran und erhaben. Die Intensität des über fünfminütigen „I’ve Found My Way To Die“ packt mich an der Kehle. Überaus schwere Riffs rollen durch die Markthalle, gekrönt von süchtig machenden Gesangslinien. Es tut mir schon körperlich weh, mich mitten im Gig von dieser abartig geilen Combo zu lösen, aber MEGA COLOSSUS darf ich ja auch nicht verpassen! Diese Überschneidung ist definitiv die härteste des Wochenendes.

 

Torsten: Ihr Ruf eilt der nächsten Band schon meilenweit voraus; irgendwie wolle ALLE MAGIC CIRCLE sehen (und Merch kaufen...)! Ich kenne wieder mal nur den Namen; hab gehört da finden sich viele Sabbath-Riffs ... - aha, kann ja schonmal nicht schlecht sein. Und es stimmt auch: trotz eines flotteren Beginns, zeigen sich alsbald Lava-Riffs und Doomdance-Passagen. Ja, verstehe, das hier ist die Hohe Schule des Niederkniens und Füsse küssen. Ich verstehe allerdings nicht, warum mir diese Band bisher entgangen ist. Auch wenn mir die Stimme des sehr enthusiastischen Sängers ein kleines bißchen auf den Zeiger geht, muß ich neidlos anerkennen, daß hier ein schickes (langsames) Juwel am leuchten ist. Heavy Metal meets Black Sabbath on the Pagan Altar. So muss das! Ach ja, der eine Gitarrist sieht sooo verdammt jung aus, daß er glatt als Enkel von ollen Iommi oder Ozzy durchgehen könnte – da hat ihm "Opa" aber richtig gute Riffs "vererbt" ... ;-)

 

Philipp: MEGA COLOSSUS haben mit „Hyperglaive“ eines der stärksten Alben 2016 veröffentlicht („Behold The Worm“ thematisiert übrigens einen bestimmten SciFi-Roman…). Mich wurmte es daher total, dass ich ihren ersten Auftritt in Hamburg in der Bar 227 verpasst habe. Mir wurde darüber nur Gutes erzählt und umso gespannter bin ich nun. Nach drei eher doomigen Combos kommen MEGA COLOSSUS wie ein Eimer Eiswasser mitten ins Gesicht! Der aufgekratzte Fünfer schießt mit spritzigen Riffs und Licks nur so um sich – konsequenterweise zappelt der Marxmob auch bereits bis in die hinteren Reihen. Genosse Chris steht mehr auf Songs, die von DEM EINEN Riff getragen werden (siehe: TANK, SAXON, MOTÖRHEAD…), ihm sind MEGA COLOSSUS daher zu verspielt. Mich erinnern die Amis an eine gut gelaunte Version von PROPAGANDHI, die Art, wie sich hier Licks und abgefahrene Gitarrenschweinereien aufeinandertürmen und vom kraftvollen melodiösen Gesang zusammengehalten werden, ist jedenfalls durchaus vergleichbar. Die neue EP „V“ steckt bereits in meinem Jutebeutel, was mich gerade sehr freut, als „Navigator“ gespielt wird, denn das Ding stammt von „V“ und bringt den Laden durch seine herrliche Eingängigkeit zum Ausrasten! Am Schlusssteil steigert  sich der Refrain in ein mehrstimmiges Melodiegemetzel – „No time to spare / We’ll get you there / These human ways are ours to dare / Navigatooooooor“! Eine Band, die sich von COLOSSUS in MEGA COLOSSUS umbenennt, um noch mächtiger zu klingen, kann man ja auch wirklich nur lieben.  

 

Torsten: ... irgendwie gut, dass die Vokills von MAGIC CIRCLE mich noch ins MarX treiben; ich hätte wohl sonst echt was verpaßt! Hier zocken nämlich Iron Maiden .... - ääähhh, neeee, doch nicht... Muss am Sound liegen: schon wieder Twin Guitars und flotte Hoppelrhythmik – so wie früher halt... Aber gespielt jetzt und hier und zwar ganz, ganz famos. Das reißt gleich richtig mit! Unglaublich! Die Spielfreude der Amis, die das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht kriegen, ist förmlich zu spüren. Achso, fast vergessen vor Begeisterung: die Jungs nennen sich MEGA COLOSSUS. Merkt euch den Namen. Unbedingt! (ich hätte hinter diesem Namen eher ne Megaschwere Doomkapelle erwartet ... - wie gut, daß der Coloss meine Erwartungshaltung so gekonnt über Bord gehen läßt!)

Das war doch mal erfrischend. Alte Schule jung und dynamisch. Herrlich, oder Philipp? (Aber so richtig herrlich! Behold the worm, Junge! Anm. Philipp)

 

Philipp: Auf dem 2015er HELL OVER HAMMABURG II hatten CHAPEL OF DISEASE noch parallel zu MIDNIGHT im Marx gespielt, weswegen ich nur einen kurzen Teil des Auftritts sehen konnte. Ich hatte mich schon damals darauf gefreut, die Band mal in voller Länge genießen können. Mittlerweile ist ja das dritte Album „As We Have Seen The Storm, We Have Embraced The Eye“ erschienen, welchem ich mit dem ersten Kontakt der Nadel mit dem Vinyl verfallen bin. Wie kann eine derart junge Band so krass inspiriert klingen? Das Schöne: Live gelingt es CHAPEL OF DISEASE, die Intensität des Albums komplett freizusetzen. Fast jede*r Anwesende wird von dieser Mischung aus Death Metal und Hardrock in den Bann gezogen, die große Markthalle ist proppevoll. Der exquisite Sound setzt die von THE DEVIL’S BLOOD beeinflusste Gitarrenarbeit hervorragend in Szene. Dem Vierer gelingt es mindestens, eine originelle Stilmixtur erfunden zu haben (einen grob ähnlichen Ansatz verfolgten meiner Ansicht nach Anfang der Neunziger DARK MILLENNIUM, die letztendlich aber doch ziemlich anders klangen; seit 2016 übrigens wieder aktiv). Jedenfalls verschmelzen Ballerparts, Growls und gefühlvolle Blues-beeinflusste Soli miteinander und erzeugen einen Sog, der sich in ekstatischer Stimmung entlädt. Super!

Torsten: Eine kleine Verschnaufpause und ein Bier später ist es wieder Zeit für Death Metal. CHAPEL OF DISEASE gehen ja mit ihrem aktuellen Album grade durch die Decke. Sieht man auch an der proppevollen Halle. Und dickem Backdrop und so. Wiird richtig groß. Ich hab einige Songs gehört und die Interviews gelesen aber es hat mich nie gereizt ne Platte zu kaufen. Ich will mich mal live überzeugen lassen ... - naja, klappt nur nicht. Glaube, ich bin hier der einzige, der mit dem, was die Jungs da machen nichts anfangen kann. Stehe selber etwas ratlos vor den Klängen, die mich doch eigentlich abholen sollten. Ich lass die anderen feiern und huldigen ...

 

Philipp: Eigentlich hätten TRUPPENSTURM nun noch gute zwanzig Minuten spielen sollen. Doch das Black-Metal-Prügeltrio um Alexander von Meilenwald (THE RUINS OF BEVERAST, NAGELFAR) beendet seinen Gig eine Viertelstunde früher als angekündigt. Daher bekomme ich nur die letzten fünf Minuten mit, die aber immerhin den Eindruck restloser Zerstörung transportieren. Trotz der hohen Bpm-Zahl kommt die Band heavy und es lassen sich durchaus Riffs ausmachen (im Gegensatz zum reinen Geräusch, ihr wisst schon). Aus dem Mikro natürlich blanker Hass im BLASPHEMY-Stil. Ich hatte gehofft, dass die Jungs irgendwo einen Stand haben, an dem „Salute To The Iron Emporers“ feilgeboten wird, aber offenbar fahren TRUPPENSTURM nicht nur beim Thema Spielzeit die Schiene der Verweigerung. Eigentlich auch witzig – sich TRUPPENSTURM nennen, aber auf Totalverweigerung gehen. Drückeberger-approved! 

Torsten: ... und schleiche grübelnd rüber ins MarX. Da macht mich der Bandname skeptisch neugierig: TRUPPENSTURM. Was das denn? Militärisch, brachial, martialisch. Faschistisch? Nee, zum Glück nicht. Hier ist einfach "nur" Krieg. Die Umsetzung der Brutalität mit musikalischen Mitteln. Ganz rabiat, ohne Verschnaufen oder Pause oder gar Ansagen. Voll auf's Maul! Aber so richtig! Erinnert mich an Marduk zu Panzerdivision-Zeiten, nur das hier noch Death Metal dabei ist. Was für ein Bastard! Nicht schön, nicht konform, einfach hässlich und derb. Und kurz; der kürzeste Gig dieses Festivals; nach 20min ist der Alarm vorbei. Ich brauch erstmal n' Bier ...

 

Philipp: Bisschen bitter: Da spielen DEAD CONGEGATION schon mal eine ihrer seltenen Shows und man kann sich nur einen Teil davon gönnen. Zumindest wenn einem wie mir GATEKEEPER wichtiger sind. Mit 15 Jahren Bandkarriere zählen die legendären Griechen zu den älteren Bands des Festivalbillings. Ihr Death Metal klingt dick und mächtig, setzt den Fokus weniger auf technische Raffinesse, sondern auf Ursuppen-Atmosphäre. Das erinnert auf beste Weise an frühe INCANTANTION, frühe IMMOLATION oder GRAVE MIASMA, um auch mal etwas Aktuelles zu nennen. Leider dauert es durch das (natürlich angebrachte) Intro, bis die Chose so richtig in Gang kommt und ich muss schon wieder gehen, als die Nackenwirbel so richtig zu knirschen beginnen. Die neue EP wird aber zur Beruhigung meines schlechten Gewissens abgeerntet und ich kann sie unbedingt empfehlen.

Torsten: Denn es geht ja gleich weiter mit Geballer. Nochmal Death Metal. Diesmal von den Griechen DEAD CONGREGATION. Ihr Album "Promulgation of the Fall" schlug bei Veröffentlichung in der Szene ein wie das Hackebeil in den Schlachter und hinterließ bleibenden Eindruck. Da, wo Morbid Angel mal Könige waren, krönen nun DEAD CONGREGATION ihr Haupt. Ich sah sie letzten Sommer beim PARTYSAN. Allerdings nur kurz, denn ein rasant aufkommender Sturm unterbrach den Gig von DC auf recht dramatische Weise. Gut, dass ich jetzt die Gelegenheit habe, sie nochmal zu erleben. Unheilvoll wabern die Stimmen eines orthodoxen Mönchschors durch den Saal. Es dauert ein Weilchen bis es wirklich losgeht. Doch dann gibt es kein Erbarmen! Die Griechen knüppeln und ballern das einem Hören und Sehen vergeht. Bei aller Geschwindigkeit gibts durchaus atmosphärisch dunkle Pausen bzw. verschleppte Parts. Doch der Blast ist hier heilig und wird vehement zelebriert. Die Stimmung ist nicht ganz so ausgelassen wie sonst und es ist auch nicht mehr soo voll, was daran liegen mag, dass es für einige vielleicht ne Spur zu heftig ist. Macht aber nichts, DEAD CONGREGATION müssen eben so klingen (und "sanftere" Klänge gibt's ja auch gleich wieder ...) Wenn DG und Truppensturm eins gemeinsam haben, dann dieses: "Only Ashes Remain".

 

Philipp: Yeah, nach dem starken KIT-Auftritt und der tollen „Grey Maiden“-EP ist die Vorfeude auf Nachschlag von den gierigen GATEKEEPER groß. Das erste, was mir auffällt, ist, dass Jean-Pierre Abboud als Frontmann mittlerweile deutlich souveräner agiert. Stimmlich ist er ja eh top, der Kerl singt schließlich nicht umsonst auch bei den transzendentalen TRAVELER. „Grey Maiden“, „Bell Of Tarantia“, „Blade Of Cimmeria“ und „Swan Road Saga“ klopfen das Marx mit herrlichen Twin-Gitarren weich, gerade bei den neueren Songs erweist es sich live als günstig, dass sie etwas eingängiger ausfallen. GATEKEEPER haben offenbar Bock, den Mob so richtig zum Mitsingen zu bewegen und feuern ein astrein gezocktes OMEN-Cover hinterher, welches jede*r Anwesende im Schlaf mitschmettern kann, den „Death Rider“. Die Fäuste bleiben oben, als „Tale Of Twins“, „East Of Sun“, „Ninefold Muse“ und „Warrior Without Fear“ durch die PA galoppiert kommen. Doch das ist noch nicht alles, denn die Jungs erweisen sich äußerst geschmackssicher, wählen mit „Chains Of Fire“ einen der besten Songs von VIRGIN STEELE als weitere Coverkeule und man wird mal wieder daran erinnert, wie unfasslich gut diese Combo doch mal war.  

Torsten: Mit GATEKEEPER aus Kanada folgt der nächste Tradmetal- Geheim(?)-Tipp aus Nordamerika. Dort blüht die Szene ja gradezu und spült eine um die andere (tolle!) Band nach oben. Ich les das ganze immer "nur" im Deaf Forever und staune schon dabei, was das so abgeht derzeit. Man kommt ja mit dem Hören nicht nach. Daher ist wunderbar beim HoH gleich ne ganze Schiffsladung dieser Bands um die Ohren gehauen zu bekommen. Yeah! Jetzt also Canadian Steel. Und auch hier bei diesen Jungs allerbeste Laune, eine enorme Spielfreude und ein riesen Enthusiasmus; und alles seeehr ansteckend! Geile Heavy-/Epicmetal-Hymnen mit Gesang und Text, der sooo an die Achtziger erinnert – aber, sooo gut, quasi ganz natürlich. Da wirkt nix gekünstelt oder affektiert. ("Warrior without fear ") GATEKEEPER lieben den Scheiß, den sie machen und das kriegste hier hautnah mit! Ach ja, die Jungs freuen sich nen Ast, in der Stadt spielen zu können, aus der Helloween kommen; find ich witzig, da kann ich mir ein freundliches Grinsen nicht verkneifen. Am Schluss gibt die Frontröhre jedem Banger vor der Bühne persönlich die Hand und verabschiedet sich euphorisiert, nicht ohne zu versprechen wiederzukommen. Wer weiß – nächstes Jahr auf der großen Bühne?

 

Philipp: Jarvis und seine Bande wissen genau, was jetzt zu tun ist: Take no prisoners! Als Headliner eines solchen Festivals solltest du besser nicht rumeiern. Dennoch überrascht die Power, mit der NIGHT DEMON zu Werke gehen, und zwar selbst dann, wenn man die Band schon ca. zwanzig Mal gesehen hat. Der Sound ist brillant, die Band spielt gefühlt alles noch einen Tucken schneller als sonst, ohne dabei schludrig zu werden. Das permanente Touren hat das Trio ja eh schon einiger Zeit extrem tight werden lassen. Nach „Welcome To The Night“ und „Full Speed Ahead“ spielen NIGHT DEMON wieder „Overkill” bis zum ersten Chorus an, welches dann in “Dawn Rider” übergeht. Ohne Ansagen jagt ein Kracher den anderen, es wird nicht einen Moment auch nur ansatzweise langweilig, sondern lässt die Banger atemlos fistbangen und mitschmettern. Es fällt schwer, Highlights zu nennen, weil eigentlich alles geil ist. Aber gut: Zu „Maiden Hell“, „Heavy Metal Heat“, „Curse Of The Damned“, “Black Widow”, dem genialen Instrumental “Flight Of The Manticore” und “Screams In The Night” geh ich am steilsten ab. Oder doch bei den Zugaben…? Denn jetzt geschieht ein magischer Moment, der Heavy-Metal-Musikgeschichte schreibt: Uli Jon fuckin‘ Roth kommt, nein schwebt auf die Bühne und zockt zusammen mit NIGHT DEMON das SCORPIONS-Cover „In Trance“, welches Jarvis gewohnt super singt. Ganzkörper-Gänsehaut! Danach folgt noch „Top Of The Bill“, welches natürlich nicht zufällig ausgewählt worden ist, denn wenn man überlegt, wie sich NIGHT DEMON in den letzten Jahren vom kleinsten Kellerloch bis auf die Spitzenposition des HOH hochgezockt haben, dann kann man nur gratulieren. Mr. Roth entschwebt entrückt lächelnd und mit „Night Demon“ endet ein spektakuläres Konzert. Dritte Platte jetzt!          

Torsten: Auf eben jener macht sich jetzt, zu guter Letzt, eine Band startklar, die sich mit ganz viel Arschabspielen und ner Menge Klotzerei (Frontmann Jarvis kleckert nicht!) in die Herzen der Metaller gespielt hat. NIGHT DEMON lassen sich wohl getrost als eine der Vorreiterbands für die derzeitige Trad-Metal-Welle aus Nordamerika bezeichnen. Und Sänger und Sprachrohr Jarvis lässt eh nix anbrennen und tanzt auf mehreren metallischen Hochzeiten. Heute hier in der Markthalle als Headliner. Ich war mir anfangs nicht sicher, ob diese Position gerechtfertigt ist. Aber, soviel schon vorweg, NIGHT DEMON liefern! Ohne wenn und aber! Vom ersten Ton an wird dir klargemacht wer hier das Sagen hat. Dem HoH isses Recht. Die volle Halle feiert, bangt, mosht, singt und frisst den Amis aus der Hand! Wiedermal ein unzweifelhaft einmütiges Bekenntnis zwischen Band und Publikum. NIGHT DEMON haben mittlerweile etliche Hits parat und können aus den Vollen schöpfen. Vor gut einem Jahr war das Powertrio in Kiels Alter Meierei zu Gast. Schon da wurde eine äußerst mitreißende Show geliefert (obwohl kaum jemand glaubte, dass es so ein Erfolg werden würde...) NIGHT DEMON kämpften und gewannen etliche neue Fans hinzu. Viele von denen stehen auch heute vor der Markthallenbühne und reiben sich die Augen. Die Band legt echt jedes Mal noch'n paar Schippen drauf und verdient sich den Titel als Headliner mehr als redlich! Band und Publikum feiern sich frenetisch ab und alle sind glücklich! Eigentlich könnten jetzt alle seeeehr zufrieden nach Hause gehen, doch es gibt noch eine faustdicke Überraschung! Weiß gar nicht, wie man es schafft, so'n Ding scheinbar so spontan aus dem Hut zu zaubern?! Auf jeden Fall könnte das Staunen nicht größer sein, als Uli Jon Roth mit seiner Skyguitar die Bühne betritt. Ein Moment zum Innehalten – nein! Zum Ausrasten! Was die gesamte Halle denn auch tut. Gemeinsam werden "In Trance" und "Top of the Bill" von den Scorpions zelebriert. Für mich in der Tat das erste Mal, daß ich Uli Jon Roth live höre. Vielleicht sollte Jarvis auch noch ne early-Scorpions-Coverband gründen ... ;-) Besser als ollen Klaus Meine singt er allemal. Krönender Abschluss! Mehr kann man echt nicht sagen. Muss man auch nicht. Außer: nächstes Jahr wieder zum HELL OVER HAMMABURG!!! Definitiv!

Philipp: Allerdings! Das war wieder ein Top-Festival. Zwei Tage Vollgas – fürs Review haben wir jetzt auch fast drei Wochen gebraucht. Im nächsten Jahr gibbet u.a. VISIGOTH, NIFELHEIM, HAUNT, ARGUS und TRAVELER, dat Ticket kann man sich also eigentlich jetzt schon snatchen.

 

Kommentare   

+1 #1 Philipp 2020-03-04 09:52
Boah, Hammerbilder! Auch hier Dank an Jan ML.
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