GHOST, CANDLEMASS / 18.02.2019 – Hamburg, Sporthalle

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Dieses Konzert wollte ich ursprünglich nicht besuchen, da ich mir am Wochenende davor bereits dat METAL ASSAULT und OZZY/JUDAS PRIEST gönnen wollte, danach lugten dann bereits U.D.O. und IDLE HANDS/UADA etc. um die Ecke. Außerdem, so dachte ich naiverweise, hätte ich GHOST ja bereits mit der „Prequelle“-Show in Wacken gesehen, da könnte ich sie ja dieses Mal auslassen. Was für ein Glück, dass ich mich letztendlich doch spontan für den Besuch entscheide! Denn der heutige GHOST-Auftritt sprengt alle bisher gewohnten Dimensionen, Forge und seine namenlosen Ghouls und Ghoulinnen setzen tatsächlich noch einen drauf und zelebrieren in einer über zweieinhalbstündigen Darbietung eine regelrechte Rock’n’Roll-Messe. Obendruff noch CANDLEMASS, die wieder mit ihrem ersten Sänger Johan Langquist am Start sind und kurz vor dem Release einer relevanten Platte stehen.

 

GHOST 

Bilder von Toni B. Gunner (das erste) und Börbel (alle weiteren), besucht https://mondkringel-photography.de/

 

Bei GHOST ist ja eh alles anders. Normalerweise verliert man häufig das Interesse an einer Band, die aus dem Underground kommt und irgendwann bekannter wird, mit steigender Popularität sinkt auch oft der künstlerische Anspruch. Mein erstes GHOST-Konzert fand im Marx (!) statt, aber ich freute mich diebisch, dass man die Band danach in steig größeren Hütten (Markthalle -> Docks -> Sporthalle) sehen konnte. Es ist in diesem Falle eben genial mitzuerleben, wie ein Plan aufgeht, denn so war das Projekt ja von Anfang an konzipiert, nämlich für die großen Bühnen mit spektakulärer Show. Dennoch sind wir überrascht, dass es mit „Prequelle“ gelungen ist, Schichten zu erreichen, die weit über das durchschnittliche Metalpublikum hinausgehen. Auch sind zahlreiche Besucher*innen im GHOST-Stil geschminkt und/oder gekleidet, was nicht das einzige Detail ist, was an eine KISS-Show erinnert.

 

CANDLEMASS 

 

Aber erst mal öffnet sich „the door to doom“. Leif Edling ist wie erhofft mit auf der Bühne und lasst die Sporthalle mit mächtigen Bassläufen erzittern. Wobei es ruhig etwas lauter sein könnte. Schnell zeigt sich, dass Johan Langquist 33 Jahre nach „Epicus Doomicus Metallicus“ stimmlich topfit abliefert, man hatte es nach dem gelungenen Gastauftritt auf der DEAD KOSMONAUT-Scheibe gehofft. „The Well Of Souls“ und „Dark Reflections“ sind zwei erhabene Düstergroover, die von den Leuten sehr gut aufgenommen werden (es dürfte ja nicht jeder GHOST-Fan mit CANDLEMASS vertraut sein). Der nun folgende neue Song (Titel nicht mitgekriegt) klingt auf Anhieb sehr, sehr stark und besitzt die Vibes der großen Bandklassiker. Mit „Mirror, Mirror“ hat man einen meiner Faves ausgewählt – geniales Riff, tolle Gesangslinien und Killer-Refrain. Getoppt wird das von den beiden „Epicus..“-Perlen „A Sorcerer’s Pledge“ sowie „Solitude“. Letzterer dürfte wohl eine der gelungensten musikalischen und textlichen Beschreibung einer Depression sein. Gern hätte man mehr gehört, KEEP IT TRUE-Besucher*innen werden genau das bald bekommen.

 

GHOSTGHOST

 

Die Spannung steigt und als es dann endlich soweit ist (Kabuki-Drop!), kreischen die Leute wie weiland ihre Omma bei den BEATLES! Das Setting mit den Treppen und Kathedralen-Ornamenten sieht gigantisch aus, Sound und Licht sind atemberaubend gut. „Ashes“/“Rats“ ist der Einstieg in eine üppig bestücke Setlist, bei der ich immer wieder denke, dass ja nun wohl langsam jeder Hit gespielt sein dürfte, aber wiederholt überrascht werde. Cardinal Copia hält sich zunächst mit Ansagen zurück, um später dann aber einen kessen Spruch nach dem anderen rauszuhauen, er hat die Menge eh von Anbeginn an um den kleinen Finger gewickelt. „Meliora“ und „Prequelle“ werden jeweils fast gänzlich gezockt, aber auch „Infestissumam“, „Opus Eponymous“ und diverse EP-Songs sind vertreten. Durch die Erweiterung der Ghouls auf sieben, z.T. acht Mitglieder gelingt ein dichter Sound, der übrigens komplett ohne Einspieler aus der Dose auskommt. Ich gewinne den Eindruck, dass es auch für GHOST ein besonderer Auftritt zu sein scheint, auf dem alles gelingt und eine gute Interaktion zwischen Band und Publikum herrscht. Die Musiker verbeugen sich nach immer wieder aufbrandendem Szenenappalaus, den sie sich für tolle Soli und kleinere Jams mehr als verdient haben. Das wird ja gerne in Bezug auf die Band unterschätzt: Die Stücke sind nicht einfach „nur“ eingängig, sondern es passiert immer irgendwas Abgefahrenes im Hintergrund.

 

GHOSTGHOST 

 

Zu „Cirice“ gibt’s ein irres Riff Off zwischen den beiden Gitarren-Ghouls, die aberwitzige Schweinereien zocken. Und anders als in Wacken ist das Konzert in zwei Hälften mit ‘ner Pause dazwischen geteilt. Find ich witzig, und es erhöht die Parallelen zum Theater oder – würg! – Musical natürlich noch. Es fällt mir schwer, Höhepunkte zu nennen, denn das ganze Konzert flasht nachhaltig. Aber gut: „Absolution“, „Ritual“, „Miasma“ (wieder mit Papa Nihil am Saxofon), „He Is“, „Mummy Dust“, das superb umgesetzte ROKY ERICKSON-Cover „If You Have Ghosts“, „Square Hammer“ und die Huldigung des weiblichen Orgasmus „Monstrance Clock“ nenne ich dann doch mal. In vielen Aspekten greifen GHOST Elemente großer Siebziger Arenenbands auf, Forge ist aber viel zu clever, um plump zu kopieren, eher zitiert er augenzwinkernd und meidet gekonnt Klischees, auch sexistische Plattitüden, die im Classic Rock leider viel häufiger die Norm waren und sind, gibt’s bei GHOST nicht – denn wenn es um Sex geht, kennt der Kardinal kein Lookism, er stellt uns gar vor die Wahl, uns alle zu beglücken oder eine Zugabe zu wählen. Gut, dass ein GHOST-Konzert keine Demokratie darstellt, denn die Besucherschaft zeigt in der Mehrheit Interesse an Angebot A, aber Cardinal Copia entscheidet, dass dies viel zu lange dauern würde („and it would be embarassing and people would catch a cold“). Nee, herrlich, und ich höre beim Rausgehen wirklich ausnahmslos begeisterte Stimmen. Beim nächsten Hamburger Gastspiel also Barcleycarddingens?

 

GHOSTGHOST

 

IF YOU HAVE GHOST THEN YOU HAVE EVERYTHING

 

GHOSTGHOST

 

GHOST

Kommentare   

+1 #3 Philipp 2019-02-24 19:21
Stimmt "Yero Zero" hätte ich auch noch nennen können. Ich hab auch schon gesagt, dass es eines der besten Konzerte überhaupt war. Man hält sich ja mit derartigen Superlativen etwas zurück, aber hier lag Magie in der Luft.
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+3 #2 Tom GoStereo 2019-02-24 17:48
Geile Fotos übrigens!!!
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+3 #1 Tom GoStereo 2019-02-24 17:47
Unterschreib ich. Tagelang noch völlig hin und weg gewesen. Definitiv eines der besten Konzerte, die ich jemals erleben durfte.
Mein Highlight: YEAR ZERO.
Und noch mindestens 10 weitere.
Sound, Lichtshow, Setlist... perfekt!
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