METAL HAMMER PARADISE VI / 02.11.2018 – Weissenhäuser Strand, Ferienpark, Tag 1

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Ich finde das Konzept von Metal-Kreuzfahrten und Komfort-Festivals zwar immer noch etwas merkwürdig und vom ursprünglichen Spirit des Rock’n’Roll entfernt, aber was soll man lamentieren. Die Ansprüche vieler Besucher*innen haben sich verändert, Sachen wie das Metal Hammer Paradise sind ausverkauft, bevor überhaupt ein Billing feststeht. Vorletztes Jahr hat sich gezeigt, dass die Bedingungen vor Ort durchaus den Rahmen für hervorragende Konzerte bieten, siehe Bericht 2016 (Teil 1 und Teil 2). Und wenn Bands wie ARMORED SAINT, DEAD LORD, BULLET, KADAVER oder NIGHT DEMON eine 40-minütige Autofahrt von Kiel entfernt spielen, dann braucht man auch nicht lange zu überlegen. Witzig finde ich übrigens, dass Bands wie die genannten oder auch SKULL FIST, PORTRAIT, ROSS THE BOSS etc. noch vor wenigen Jahren als Randthemen für Undergroundfestivals (KEEP IT TRUE, HEADBANGERS OPEN AIR) galten und nun auf, naja, Mainstreamveranstaltungen gebucht werden. Anyway, let’s rock:

 

 
Fotos von Jan ML folgen.

 


Wir quartieren uns sehr günstig auf einem Bauernhof um die Ecke ein (gibt sogar frisch gelegte Eier von glücklichen Hühnern) und treffen uns nach reibungslos erfolgter Akkreditierung mit dem Lobeck-Clan. Erste Station sind DEAD LORD, die das Festival eröffnen. Leider gibt es ein Problem: Jan wird nicht in den Fotograben gelassen. Erst heißt es, dass die Band nicht wolle, dass sie fotografiert wird. Tatsächlich stellt sich später heraus, dass DEAD LORD es lediglich verschusselt haben, den entsprechenden Datenschutzzettel auszufüllen, der das geregelt hätte. Somit gibt es von den Schweden halt nur Smartphone-Fotos aus der dritten Reihe. Erst hält Torsten Zahn vom Metal Hammer eine kurze Rede, in der er uns begrüßt und viel Freude wünscht. Dann legen die THIN LIZZY-Addicts los, und zwar unter großem Jubel, was sehr für den Geschmack der Besucher*innen spricht. „It’s the electric guitar!“, ruft Hakim Krim mehrfach und zeigt wild grimassierend auf seine Klampfe. Die Truppe ist also mal wieder bestens gelaunt und kann sich auch von dem Fakt nicht die Laune verderben lassen, dass ihr Bassist kurzfristig an der KISS-Cruise teilnimmt, somit dieses Wochenende verhindert ist. Ist ja auch ein Grund. Der Ersatzbassist kommt mir total bekannt vor. Weiß jemand, wo der sonst spielt? DEAD LORD bringen ihre Instrumente und alle Gehirne zum Qualmen. Wie entspannt die Kollegen sind, zeigt sich u.a. in der Tatsache, dass Olle (g) Hakim nach dem zweiten Stück übers Mikro zuruft: „Hey, tune your guitar!“ Yeah, die Setlist bietet eine gelungene Mischung aus den besten Songs der drei Alben, z.B. „Kill Them All“, „Because Of Spite“, „Onkalo“, „No Regrets“, „Hank“, „Reruns“ oder „Hammer To The Heart“. Spätestens als „When History Repeats Itself“ um den Solopart von KISS‘ „Detroit Rock City“ aufgepeppt wird, weiß man, dass hier eine der besten Rockbands unserer Zeit auf der Bühne steht. It’s the electric guitar!



Hui, nun müssen wir schnell rüber zur Riff Alm, denn diese Bühne ist deutlich kleiner als die Maximum Metal Stage und der Baltic Ballroom. Wer da nicht pünktlich ansteht, kommt halt nicht mehr rein, das ist wie beim Roadburn oder beim Hell Over Hammaburg. Bei DEAD LORD war es gerade so heiß, dass die kurze Abkühlung beim Warten sogar ganz gut tut. SKULL FIST legen dann gewohnt mit irrer Spielfreude und Uptempo los, dass kein*e Anwesende*r sich ein Grinsen verkneifen kann. Geil: Endlich singt Jackie „Zach Schotter“ Slaughter wieder selbst, nachdem er ja bekanntlich zwei Stimmband-OPs über sich ergehen lassen musste und auf den letzten beiden Touren jeweils von einem Extra-Sänger vertreten wurde. Seine Stimme klingt wieder richtig gut, vielleicht etwas nasaler als früher. Befürchtungen, dass er sich mittlerweile etwas zurückhält, zerstreuen sich schnell – der Mann gibt alles und packt bei „Ride The Beast“, „Bad For Good“, „Head Öf The Pack“ oder „Get Fisted“ gern mal die Kopfstimme aus. Auch die neuen Stücke vom „Way Of The Road“-Album flutschen gut rein. Mir fallen „You Belong To Me“, „No More Running“ und „I Am A Slave“ auf Anhieb positiv auf, obwohl ich die Platte erst am nächsten Tag abernte. Sie enthält vielleicht etwas mehr Midtempo, aber sehr gelungene Gesangslinien, Refrains und Gitarrenarbeit. Alle vier Bandmitglieder headbangen und ackern permanent, sodass die Riff Alm schnell saunaartige Verhältnisse erreicht und zum Heavy-Metal-Hexenkessel wird. Super!



Schwierige Entscheidung: PORTRAIT oder THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA? Ich entscheide mich für letztere, da ich PORTRAIT gerade erst vor zwei Tagen in Hamburg gesehen habe, die AOR-Liebhaber hingegen sowieso erst einmal erleben konnte (ROCK HARD FESTIVAL 2017). Am Auftritt scheiden sich die Geister, denn nicht jede*r versteht oder mag die Idee hinter der Band. Ich habe zur Hochzeit von AOR 1983 – 1988 Bands wie ASIA, TOTO oder HEART auch nicht als relevant empfunden, das war mir zu mainstreamig und halt eher was für Arenen. Aber mittlerweile kann ich einigen AOR-Bands doch etwas abgewinnen, da viele handwerklich astrein agiert und kompakte Hits geschrieben haben. Beim NIGHT FLIGHT ORCHESTRA kommt positiv hinzu, dass hier alles mit einem Augenzwinkern präsentiert wird und sehr liebevoll umgesetzt ist. Die beiden Backgroundsängerinnen im Stewardessen-Look, die nach jedem Song wnke-winke machen, sind ein cooles Element. Und dass hier acht Musiker*innen auf der Bühne stehen, die Wert darauf legen, dass jedes Detail live gespielt wird, ist ja auch ungewöhnlich. Björn Strids Stimme liegt dieser Stil sehr gut, er klingt hier richtig schön voluminös und im Grunde natürlicher als bei SOILWORK. Im magentafarbenen Sakko mimt Strid den Profi-Stadiondominator, es gibt zusätzliche Percussion, satte Synthies, Mitklatschpassagen und übergroße Refrains. Alles natürlich mit einer Extraladung Zuckerguss. Ich bleibe bis zum Schluss und trällere Plüschperlen wie „Sometimes The World Ain’t Enough“, „Lovers In The Rain“ oder „Speedwagon“ volle Kanne mit.

 


Und wieder heißt es schnell sein, denn BULLET wollen wir natürlich nicht verpassen. Dafür lassen wir sogar ROSS THE BOSS sausen. Das Anstehen für die Riff Alm soll sich lohnen, denn BULLET ziehen auch auf der kleinen Bühne und ohne die gewohnten Show-Elemente voll durch. Der Mob explodiert förmlich, vorne geht es während der ersten fünf Songs fast schon aggressiv zu. Man muss auch sagen, dass viele Besucher zu dieser Uhrzeit randvoll sind, weil die halt zwischen den Bands Schnaps auf ihren Hotelzimmern trinken. Klar, auch auf Open Air Festivals wird derbe gebechert, aber in Wacken sind die Wege ja so weit, dass die Leute sich zwischendurch wieder halbwegs nüchtern laufen. Nun, aber auch ohne 1,5 Promille kommen BULLET natürlich unwiderstehlich. Hell Hofer schiebt sich zwischen seinen headbangenden Kollegen hindurch und kreischt die Alm in Grund und Boden. Hampus Klang, Alex Lyrbo und Gustav Hector (geile Frise und Nietenhalsband) posieren meisterlich und kreieren beste AC/DC-, ACCEPT-, aber auch KISS- und SAXON-Momente. Ich habe „Speed And Attack“, „Turn It Up Loud“, „“Rolling Home“, „Dusk To Dawn“, „Stay Wild“ oder natürlich „Bite The Bullet” noch vom HEAVY HAMBURG HALLOWEEN als Ohrwürmer im Kopf, da werden sie bereits wieder aufgefrischt, um dort weiter drin zu bleiben. In der Nachbetrachtung von vielen immer wieder als eine der besten Bands des Wochenendes genannt.



ACCEPT
spielen bereits, als wir uns heute erstmals ins große Zelt (Maximum Metal Stage) begeben. Jetzt fällt mir erst auf, wie viele Leute auf diesem Festival sind, haha! Nach dem Konzert behaupten viele Besucher*innen, dass der Sound bei ACCEPT mies gewesen sein solle. Witzigerweise empfinde ich das überhaupt nicht so und beurteile die klanglichen Verhältnisse geradezu als brillant. Wolf Hoffmanns Gitarre klingt exquisit, da hörst du jedes Detail. Möglicherweise liegt es daran, dass wir den Anfang verpasst haben und der Mixer den Sound erst beim dritten Song in den Griff bekommen hat? Es ist ja häufig so, dass Konzertbesucher sich nach zwei Stücken eine Meinung gebildet haben und eine etwaige spätere Verbesserung gar nicht registrieren. ACCEPT spielen eine Setlist, die mittlerweile neue und alte Stücke gleichberechtigt nebeneinanderstellt. Das ist okay, denn „Pandemic“, „Stalingrad“, „Teutonic Terror“, „Analog Man“, „Final Journey“ (genialer Schlussteil!) oder „Koolaid“ stellen eine würdige Fortsetzung der Bandvergangenheit dar. Die Stimmung schnellt natürlich hoch, als Klassiker wie „Metal Heart“, „Balls To The Wall“, „Princess Of The Dawn“ oder „I’m A Rebel“ gezockt werden. An der Setlist könnte man höchstens kritisieren, dass sie keine wirklichen Überraschungen enthält. Hier wurde offenbar fürs Festivalpublikum auf Nummer sicher gesetzt. Nicht verschweigen möchte ich aber, dass Wolf Hoffmann einen großen Fan durch fragwürdiges Verhalten tief enttäuscht hat. Hier das Online-Statement des 14-jährigen Max: „Die, die mich kennen, wissen, dass ich ein Autogrammsammler bin und fast bei jeder Gelegenheit versuche, etwas bei der Band abzustauben. Seit ca. 3 Jahren war Accept meine Lieblingsband. Leider Betonung auf war, denn mir ist leider der Satz ‘Treffe nie deine Helden‘ in die Quere gekommen. Folgendes Ereignis hat dazu geführt, dass ich hier schreibe: Ich bin zum Meet and greet von Accept auf dem Metal Hammer Paradise 2018 gegangen und wollte mir meine Accept, die von meinem Onkel und zwei Wolf Hoffmann-LP's unterschreiben lassen. Wolf Hoffmann hat eine Accept und eine Wolf Hoffmann Platte unterschrieben (manch andere hatten eine ganze Plattensammlung von 8-11 Platten mit). Er beendete das Treffen mit den Worten ‘So und jetzt verpiss dich!‘.Meine Meinung dazu ist, dass man das als Person des öffentlichen Lebens nicht machen sollte. Dieses Erlebnis hat mich zu dem Entschluss gebracht, dass ich mir, solange Wolf Hoffmann Leadgitarrist bei Accept ist, ich mir keine weiteren Konzerte von Accept mehr ansehen werde!“ So ein Rockstar-Arschloch-Verhalten dürfte für einen jungen Fan eine herbe Enttäuschung und wahrscheinlich schwer vom Schaffen/Auftreten der Band zu trennen sein. Was dahintersteckt? Darüber kann man nur spekulieren. Ist der Hoffmann in diesem erfolgreichen Karriereabschnitt arrogant geworden? Er steht seit einigen Jahren schon sehr im Mittelpunkt der Show, das ist mir schon auf den letzten Konzerten aufgefallen. Lässt sich natürlich so nicht klären, wäre aber interessant zu erfahren, ob andere Leute ähnliche Erfahrungen gemacht haben.



Ein sehr guter Festivaltag endet mit ‘ner kleinen Party im Lobeck’schen Großfamilienhotelzimmer. Und am nächsten Tag: NIGHT DEMON, ARMORED SAINT, KADAVAR, AXEL RUDI PELL, HAMMERFALL etc. TBC!

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