PRIMAL FEAR, RIOT, EXISTANCE / 16.10.2018 – Hamburg, Markthalle

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Wie lautet noch dieses Trinkerzitat? „Wenn mich jemand anruft und will, dass ich einen saufen komm‘, dann mach ich das!“ Mir geht das ähnlich, nur mit Heavy-Metal-Konzerten. RIOT? Äh, eigentlich keine Zeit. Ach, egal, bin dabei!

Wie wichtig es ist, ein stimmiges Tourbilling zu erstellen, zeigt sich am Beispiel der PRIMAL FEAR-Tour: Mit RIOT ist eine alte Legende dabei, die neu erstarkt ist und in der jetzigen Besetzung auf allen relevanten Festivals abgeräumt hat. Dazu stoßen die gierigen Franzosen EXISTANCE, die auf dem diesjährigen HEADBANGERS OPEN AIR eine der größten Überraschungen waren. Beide Bands ziehen ohne Frage zusätzliche Leute. Dass die Markthalle dann derart voll wird (800 Leute?), hätte ich allerdings auch nicht gedacht. Aber PRIMAL FEAR ackern sich auch schon seit 20 Jahren durch die Heavy-Metal-Landschaft, insofern ist der Erfolg dieses Abends und dieser Tour absolut verdient.


Flyer_PRIMAL FEAR_RIOT_EXISTANCE



Wo ist Rick bloß hin? Eben war er doch noch vor uns? Wir finden ihn schließlich in der ersten Reihe, war eigentlich klar. Die Halle ist zwar noch total leer, aber wenn man schon eine Kutte mit DEM Metal-Maskottchen schlechthin trägt (Johnny, die RIOT-Robbe), dann möchte man natürlich auch von der Band wahrgenommen werden. Im Falle von Rick sind es sogar ZWEI Robben, die je eine Kuttenschulter in Form eines aufgenähten Stofftieres zieren, „Johnny Sword Right“ und „Johnny Tequila Left“…


EXISTANCE gewinnen heute eine Menge neuer Fans, das wird eigentlich bereits nach zwei, drei Songs klar. Ich habe in der Markthalle schon ausverkaufte Konzerte erlebt, bei denen sich aber nur ganz wenige Besucher*innen auch die Opening Band angesehen haben. Das ist heute erfreulicherweise überhaupt nicht so. Im Gegenteil: Die Markthalle füllt sich amtlich, um mich herum stehen alle möglichen Hamburger Metalheads wie Warp Michi oder Onkel Klocki. Und es dauert nicht lange, da ertönen anfeuernde Sprechchöre und überall wird geheadbangt. EXISTANCE sind aber auch zu geil. Junge Twentysomethings, die klassischen Heavy Metal mit geilen Hooks und höllischen Riffs zocken und dazu die entsprechenden Posen in die Wiege gelegt bekommen haben. Letzteres ist kein Spruch, sondern wörtlich gemeint: Bei Sänger/Gitarrist Julian Izard handelt es sich nämlich um den Sohn des H-BOMB-Sängers Didier Izard (R.I.P.!). Nummern wie „Heavy Metal Fury“, „We Are Restless“ oder „Dead Or Alive” knallen voll rein. Für viele steht jetzt schon fest, dass sich der Besuch gelohnt hat und nach diesem Abriss brummt es den ganzen restlichen Abend über am Merchstand der Franzosen.


RIOT bekommen die volle Bühne und müssen ihr Drumset auch nicht vor dem von PRIMAL FEAR aufbauen. Sehr sympathisch, das mutet eher nach Gleichberechtigung an als nach dummen Hauptband/Vorband-Spielchen. Don Van Stavern kann noch gerade die Schnapspulle schwingen, de brennt sich auch schon der „Armor Of Light“-Opener „Victory“ in die versammelten Gehirne. Aaah, wie immer kann man nur niederknien angesichts der exquisiten Gitarrenarbeit von Mike Flyntz und Nick Lee, die traumwandlerisch harmonieren. Angesichts der begrenzten Spielzeit hat die Band sich für eine Setlist ohne Experimente entschieden: Es gibt erst mal drei Speed-Hämmer zwischen die Augen, denn auch „Flight Of The Warrior“ und „On Your Knees“ stehen für atemberaubendes Tempo, unfassliche Melodien und Gänsehautgesang (Todd Michael Hall klingt wie immer super). Erst „Johnny‘s Back“ schraubt das Zocktempo etwas herunter, dafür zwingt der geniale Refrain zum Fistraisen und Mitträllern. RIOT schaffen es, den gesamten Auftritt über das Energielevel bzw. das Niveau zu halten („Bloodstreets“, „Take Me Back“, „Angel’s Thunder, Devil’s Reign“ folgen), ja, am Schluss sogar nochmal anzuziehen. Falls es Anwesende gibt, welche die Band noch nie gesehen haben, dürften sie spätestens bei „Swords And Tequila“, „Warrior“ und „Thundersteel“ zu Konvertiten geworden sein. Ach ja, Ricks Seehunde werden natürlich erfreut zur Kenntnis genommen, Mr. Hall steigt sogar mitten im Song in den Graben hinunter, um dem Dauerfan die Hand zu schütteln. Klasse!


Über PRIMAL FEAR hört oder liest man ja auch mal abschätzige Äußerungen. Auch ich hatte die Band nach den ersten Alben aus den Augen verloren und sie als zu berechenbar eingestuft. Wer sich aber derart gute Bands wie EXISTANCE und RIOT mit auf Tour nimmt, der sammelt bei mir ganz dicke Sympathiepunkte. Und letztlich finde ich den Auftritt dann auch besser als erwartet. Viele Songs bewegen sich halt in einem stampfenden Midtempobeat, der nicht sonderlich spektakulär wirkt. Aber Ralf Scheepers singt super, der Kerl hat seit den frühen Achtzigern (TYRAN‘ PACE und später bekanntlich GAMMA RAY) nicht abgebaut. Mir gefallen die flotteren Songs zwar am besten (unter anderem kommen „Chainbreaker“ und „Nuclear Fire“ zum Einsatz), aber insgesamt macht die Darbietung Spaß. Nach den zwei vorangegangenen Bands kann eh nichts mehr schiefgehen, die Stimmung bleibt gut und die meisten Besucher*innen bleiben in der Halle und schmettern textsicher mit.


Das Ding hat sich mal richtig gelohnt, Rick zieht es sich folgerichtig am nächsten Tag gleich noch mal in Rostock rein.
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