WELTTURBOJUGENDTAGE: SODOM, ASPHYX, TRAITOR, SMOKE BLOW, HARD ACTION, THE BOATSMEN, ALIEN WEAPONRY / 31.08. + 01.09.2018 – Hamburg, Große Freiheit 36

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Es klingt ein wenig wie der alte „Führer ohne Führerschein“-Witz, wenn man hört, dass die diesjährigen WELTTURBOJUGENDTAGE ohne die Teilnahme von TURBONEGRO stattfinden. Die Qualität des Billings ist indes derart hoch, dass niemand meckert und sich zahllose Mitglieder der Turbojugend zum gemeinsamen Feiern einfinden. Natürlich aus „Chaptern“ aller Herren Länder… und Dörfer, wie man praktischerweise auf den Rücken der Turbokutten lesen kann (u.a. gesehen: Ursa Minor, Bottrop und Dollerup).



TRAITOR eröffnen den Reigen mit einem furiosen Thrash-Gewitter. Zunächst herrscht Verwirrung im Publikum: Kommt der Gesang etwa vom Band? Mitnichten, Schlagzeuger Andreas Mozer schmettert die Lead Vocals in bester Dan-Beehler-Manier. Und das mit ordentlich Power, Aggression und unter Einsatz hoher Screams, wie man sie etwa von Schmier oder dem jungen Tom Araya kennt. Mit einer Ansage gegen die AfD gewinnt man zusätzliche Sympathiepunkte. Auch das RAMONES-Cover „Blitzkrieg Bop“ unterstreicht die Punk-Affinität des Vierers, hier singt Mozer anfänglich sogar recht melodisch, bevor die Version Tempo aufnimmt und thrashiger wird. Gute Band, deren bisherige drei Alben empfehlenswert sind!


Die Niederländer ASPHYX haben den Mob dann fest im Griff. Walzend, mahlend und dann wieder wüst nach vorne galoppierend ist dieser Death-Metal-Prügelorgie schlicht nicht zu widerstehen. Martin van Drunen röchelt so eindringlich wie ein Kehlkopfkrebskranker auf dem Totenbett, der seine missratenen Nachkommen enterben will. Husky spielt ja mittlerweile auch bei SODOM und absolviert somit heute zwei direkt aufeinanderfolgende Konzerte. Ich kann nicht sagen, ob ich mich über die alten Klassiker „The Rack“ und „M.S. Bismarck“ oder über neuere Stücke wie „Death The Brutal Way“, „Scorbutics“ oder „Deathhammer“ mehr freue. Brutal.


Husky und vor allem sein Schlagzeug können wie gesagt an Ort und Stelle bleiben, was die Umbaupause und den Linecheck wesentlich verkürzt. Das neue SODOM-Line-Up haben bisher nur wenige der Anwesenden sehen können. Diese Version - Angelripper, Blackfire, Husky und Yorck - atmet den Spirit früher Tage und setzt konsequent auf eine Old School-Setlist. Hier regiert der grobe Knüppel! Der neueste Song heißt „Silence Is Consent“ vom 1994er „Get What You Deserve“-Album! Angesichts von rabiat dargebotenen Klassikern wie „Sodomy And Lust“, „Blasphemer“ oder „Agent Orange“ kann nur von einem Totalabriss gesprochen werden. Amüsant finde ich das Selbstvertrauen Frank Blackfires, der mit Lederjacke überm nackten Oberkörper post und die Gitarre gen Hallendecke reckt (es gibt sogar FRANK-BLACKFIRE-T-Shirts am Merch)… Übrigens setzen sich SODOM ansonsten lichttechnisch schon fast Black Metal-artig in Szene – ganz selten Frontlicht, alles sehr dunkel und eher von hinten ausgeleuchtet, sodass meist nur die Silhouetten zu sehen sind. Die Fotografen fluchen, der Mob tobt. „Bombenhagel“ wird komplett mit der Melodie der Deutschlandhymne gezockt, was „Nie, nie. Nie wieder Deutschland!“-Chöre hervorruft. Ob SODOM diese Reaktion erzeugen woll(t)en? Zeilen wie „vernichtet eure Waffen! / Lernt aus der Vergangenheit!“ zeigen zumindest einen reflektierten Ansatz.


An diesem stark besetzten ersten Tag gibt es aus meiner Sicht nur die etwas zu geringe Lautstärke zu kritisieren. Das hätte ruhig etwas mehr ballern dürfen.



Der zweite Tag bringt mit den neuseeländischen Groovern ALIEN WEAPONRY zunächst Abwechslung ins Spiel. Einige vergleichen die Band mit SEPULTURA zu „Roots“-Zeiten und dieser Tribal-Rhythmus und 90er Thrash ist in der Tat auszumachen, wobei ich auch an RAGE AGAINST THE MACHINE denken muss. Die sehr jungen Musiker ernten auch durch ihre Maori-Texte über soziale Missstände Respekt. Diese werden mehrfach in den Ansagen kurz erläutert, was dem wütenden Auftreten einen Unterbau verleiht. Überflüssig ist allerdings der Versuch, zu derart früher Uhrzeit bereits eine Wall Of Death starten zu wollen.


Eskalation ist angesagt, als es nun von gleich zwei Bands nacheinander besten Rock’n’Roll auf die Ohren gibt – THE BOATSMEN setzen musikalisch um, was ein Titel wie „I Cum Fast“ bereits andeutet und bieten eine herrlich aus dem Ruder laufende Show. Immer wieder springt der Bassist auf die Bassdrum, während wiederum der Schlagzeuger jegliche sich ihm bietende Pause nutzt, um an den Bühnenrand zu rennen und dort Quatsch zu machen. Wenn mich meine verschmierten Kontaktlinsen nicht trügen, bedient eine der Klampfen übrigens AMON AMARTH-Sechssaiter Johan Söderberg. Mit einer TURBONEGRO-Coverversion („Selfdestructo Bust“) kommen THE BOATSMEN hier natürlich super an. Das Ding könnte als ZU berechnend kritisiert werden, ist aber perfekt gespielt und vom Original kaum zu unterscheiden.


HARD ACTION besitzen fein auskomponierte Songs und versetzen viele Denim Demons mit ihrer Mischung aus HELLACOPTERS und Turboriffs in Verzückung. Gitarrist Ville Valavuo und Drummer Markus Hietamies waren früher auch bei den leider aufgelösten SPEEDTRAP, die ich immer noch vermisse. Beide Bands weisen Punkwurzeln auf, was sich auch an den Preisen für die HARD ACTION-LPs festmachen lässt, denn beide Alben werden am Merch für jeweils ‘nen Zehner verkauft. Voll der Punkrockpreis und schon ein Statement, wenn man das mal mit anderen Bands vergleicht, die dafür locker das Doppelte verlangen. Die Finnen spielen sich in alle Herzen und überstehen auch den mehrminütigen Ausfall des Basses mit purer Willenskraft und einem spontan eingelegten AC/DC-Jam. Für viele die beste Band des Wochenendes.


Es duftet nach Kutte, Schweiß und Bier, als SMOKE BLOW dem Irrsinn die Krone aufsetzen. Die Gitarren braten feist, während Jack Letten und MC Straßenköter über die Bühne toben und fliegenden Bierbechern ausweichen (Letten: „Besser als diese vollen Astrapullen mal in Göttingen!“). Mit TURBONEGRO haben SMOKE BLOW die Anzahl an Hits gemeinsam, was sie nachdrücklich mit „Dark Angel“, „777 Bloodrock“ oder „Sick Kid ‘85“ unterstreichen. Nach einer krankheitsbedingten Auszeit, in der Drum Nils ausgeholfen hatte, ist Fabrizio heute wieder dabei. Er verzichtet auf das Drum-Podest und baut sein Kit lieber auf dem Boden auf, was dem Ganzen gleich mehr Underground-Charme verleiht. Die Spielzeit erscheint mir großzügig bemessen, aber vielleicht haben die Smokes Bonus-Zeit bekommen, um den Ausfall von IMPERIAL STATE ELECTRIC (schade!) zu kompensieren. Den Schluss markiert „West Virginia“ mit Feedbackorgien, Geschrei und fast schon sludgemäßigen Sounds.


Der absolute Untergang ist das Mutantengewühl auf der Reeperbahn am Wochenende. Natürlich war das schon immer unschön, aber es hat sich in den letzten fünf Jahren noch verschlimmert. Nur noch Asis, Flatrate-Sauf-Touris, Junggesell*innen-Abschiede. Irgendwie schaffen wir es aber, uns bis zum Hbf durchzukämpfen und genießen noch eine herrliche Zugfahrt. Jan ist sich zwar sicher, dass ihm ein Jutebeutel mit „sechs Rückfahrbieren“ gestohlen worden sei, ich hingegen halte dies für einen klaren Fall von Bier-Demenz und bin sicher, dass der Kerl die Biester schlicht schon getrunken hat.

Kommentare   

+4 #2 Sodomitin 2018-09-27 12:45
Geil fand ich bei SODOM auch das MOTÖRHEAD-Cover "Iron Fist" und Angelrippers Ansage, dass er immer noch nicht über lemmys Tod hinweg sei.
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+2 #1 Philipp 2018-09-18 19:55
SMOKE BLOW live im Studio:

https://eu.kingsroadmerch.com/smoke-blow/view/?id=14191&cid=1597
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