JUDAS PRIEST, URIAH HEEP / 08.08.2018 – Dortmund, Westfalenhalle

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„Und was machst du so in den Sommerferien?“

„Joah, hauptsächlich zwei Mal JUDAS PRIEST gucken gehen.“

„Super! BREAKING THE LAW! BREAKING LAW!“

(Einstiegszitat für Leute, die schon immer mal wissen wollten, was für Gespräche in deutschen Lehrerzimmern so gehalten werden.)

Ganz schön was los bei JUDAS PRIEST. Erst bringen sie mit „Firepower“ ein überraschend starkes Album heraus, dann verkündet Glenn Tipton leider, dass ihn eine Parkinson-Erkrankung zum Ausstieg aus dem Tourleben zwinge. Er bleibe weiterhin gern Bandmitglied, könne aber aufgrund des fortgeschrittenen Stadiums der Krankheit nicht mehr so spielen wie gewohnt. In seinem offiziellen Statement hat Tipton angekündigt, dass er sich vorstellen könne, die Bühne zu betreten, wenn er sich fit genug fühle. Das ist dann tatsächlich offenbar sehr häufig auf dieser laufenden Welttour geschehen. Es scheint so, dass Tipton die gesamte Tour mitfährt und in der Regel bei den Zugaben auf die Bühne kommt. Sehr schöner Zug von der Band! Wir sind also gleich auf mehrere Dinge gespannt: Wie wird sich Ersatzgitarrist Andy Sneap (SABBAT, HELL, natürlich auch Produzent unzähliger Metalbands) auf der Bühne machen? Welche Setlist werden PRIEST auf dieser Tour präsentieren? Wie gut ist Halford in Form?


JUDAS PRIEST



Bilder von Maja von Lobeck, zum Teil auch geklaut von Rob Halfords Facebookprofil.




Viele dieser Fragen werden für mich natürlich bereits in Wacken beantwortet. Da der W:O:A-Bericht noch etwas Zeit braucht, reviewe ich schon mal das Dortmunder Konzert.


URIAH HEEP


Richtig cool ist schon mal, dass in Dortmund URIAH HEEP als „Vorband“ fungieren! Da steigt die Vorfreude mal richtig. Die gute Laune kann auch eine Sperrung der A1 nicht trüben. Nach diversen Staus wird es allerdings langsam knapp, zumal wir ja noch im Hotel einchecken müssen, wo bereits die Lobecks auf uns warten. Nun, ein gemeinsames Vorglühen und der geplante Besuch bei IDIOTS RECORDS fallen dann zwar ins Wasser, aber mittels eines findigen Taxifahrers schaffen wir es, gerade in der Halle zu stehen, als das Licht aus- und das URIAH-HEEP-Intro angeht!


URIAH HEEPURIAH HEEP


Die Halle ist schon gut gefüllt, aber zum Glück so aufgebaut, dass sie nach vorne etwas abschüssig verläuft und wir so trotz der Entfernung einen recht guten Blick auf die Bühne haben. Und es gibt hier sogar Bierboys! Das Bier ist zwar mit 5,- Euro schon frech teuer, aber ohne ist ja auch doof. URIAH HEEP werden von vielen Besucher*innen als fast schon gleichberechtigt mit PRIEST angesehen und kommen dementsprechend gut an. Die Orgel klingt wuchtig schwer und überhaupt ist der Gesamtsound heavier als so manche*r denken mag. Der Gesang Bernie Shaws (seit 1986 dabei) klingt frisch und klar, könnte nur im Mix manchmal etwas präsenter sein. Mr. Shaw weist uns darauf hin, dass er gerade mit Rob Halford gesprochen habe: „He reminded me that between the two bands URIAH HEEP and JUDAS PRIEST you’ll get a 100 years of Rock’n’Roll!” Yeah, beide Bands haben jeweils ein Riesenwerk geschaffen, wofür sie Megarespekt verdient haben, finde ich. Die überwiegend weißhaarigen URIAH HEEP kredenzen uns die erhofften Klassiker – u.a. kommen „Gypsy“, „Look At Yourself“, „The Wizard“ (Gänsehaut!), „July Morning“ und „Easy Livin‘“ zum Einsatz. Aber auch ein Song aus den Neunzigern gefällt mir richtig gut, hier muss also plattentechnisch mal nachgerüstet werden! Mick Box‘ Gitarre ergänzt sich hervorragend mit dem Georgel von Phil Lanzon (ebenfalls seit 1986 in der Band), und auch die beiden jüngsten Bandmitglieder Davey Rimmer (b, seit 2013) und Russell Gilbrook (d, seit 2007) fucken nix ab. Keine von uns fünf hat URIAH HEEP bisher live können, alle fünf sagen danach, dass sie Bock auf ein weiteres Konzert hätten. Die Lady in Schwarz fehlt übrigens in der Setlist, die somit sympathischerweise auf den größten Hit verzichtet.


JUDAS PRIESTJUDAS PRIEST


Nun werden die „PRIEST! PRIEST! PRIEST!“-Chöre lauter, in der Halle wird es enger. Wie auf der gesamten Tour scheint die Nachfrage riesig, die Westfalenhalle scheint nur noch ein paar Sitzplätze hinter der Bühne frei zu haben – sehr erfreulich. Leider langen PRIEST aber beim Merch ordentlich zu, ein Shirt kostet 35,- Euro, und sogar für einen Jutebeutel nimmt man 20,- Euro. Da trink ich doch lieber noch ein überteuertes Bier. Schon beim Intro (BLACK SABBATHs „War Pigs“) wird ein Unterschied zu Wacken deutlich: Die Leute singen lauter mit, wirken insgesamt fokussierter. Noch deutlicher wird dies beim ersten Song „Firepower“, den JUDAS PRIEST angriffslustig in die Halle feuern. Alle Augen richten sich auf Rob Halford, der in einer silbernen Fransenlederjacke steilgeht. Schon der Anblick peitscht rein, aber noch nachhaltiger begeistert sein Gesang. Vor ca. zehn Jahren hatte Halford ja mal ein Formtief, aus dem er sich schon lange herausgesungen hat. Heute stemmt er im Grunde alles, was das PRIEST-Universum verlangt (nur Erbsenzähler können monieren, dass er heute nicht mehr so klinge wie in den siebziger Jahren). Aber für JUDAS PRIEST ist natürlich nicht nur Halfords Gesang essentiell, sondern der typisch hämmernde Doppelgitarrengroove, mit dem Tipton und Downing ein ganzes Genre geprägt haben. Ritchie Faulkner interpretiert diesen Sound hervorragend und kann für seinen Einsatz in den letzten Jahren gar nicht hoch gelobt werden. Der Mann zockt mit Stil und reißt zudem einen großen Teil der Show, indem er sich unentwegt in Posen wirft. Andy Sneap, der übrigens 1988 mit SABBAT in der Kieler Traumfabrik gezockt hat, somit im Grunde auch ein erfahrener Recke ist, hält sich eher zurück, spielt aber absolut solide. Man mag darüber lamentieren, ob die beiden 100%ig den Old School-Gitarrensound von PRIEST treffen, es ist aber in jedem Fall zu merken, dass beide dem so nah wie möglich kommen wollen und sicher endlose Equipment/Sound-Debatten hinter sich haben. Ian Hill scheint sich seit 40 Jahren nicht verändert zu haben, er steht wie immer gern hinten und bangt den gesamten Auftritt über durch. Scott Travis‘ Spiel ist schon lange nicht mehr wegzudenken, er spielt die alten Songs mit dem nötigen Gefühl, besitz gleichzeitig einen charismatischen Punch. Auf „Firepower“ folgt gleich ein geniales Old School-Triple, nämlich erst „Grinder“, gefolgt von „Sinner“ und „The Ripper“. Großer Jubel beim krassen Scream am Ende vom letzteren Song, der per Leinwand durch atmosphärische Bilder und Zeitungsauschnitte aus dem London des späten 19. Jahrhunderts unterstützt wird. Ich beschäftige mich ja grundsätzlich vor Konzerten bewusst nicht mit der Setlist, sondern will gerade überrascht werden. Nun kenne ich (fast…) die ganze Setlist vom Wacken-Auftritt, freue mich daher über das genial ballernde „Lightning Strike“, das gerne auf kommenden Touren weiter gespielt werden darf. Nun folgen zwei Überraschungen, mit denen vor der Tour wohl wenige gerechnet hätten, nämlich „Bloodstone“ (mega!) und als einer der absoluten Höhepunkte „Saints In Hell“. Dieser stammt bekanntlich von der 78er Scheibe „Stained Class“ und besitzt ein derart geiles Riffing und eine so krass dichte Atmosphäre, dass ich mir vor Begeisterung in die Hose scheißen könnte (die Toiletten sind ja auch gerade weit weg – ich widerstehe dennoch). Mit „Turbo Lover“ zieht man das Tempo wieder an, während auf der Leinwand Maschinen stampfen und kopulieren. Mit „Tyrant“ (!), „Night Comes Down“ und einer Superversion von „Freewheel Burning“ (Halford singt die schnellen Parts mühelos) unterstreichen PRIEST, dass sie aus jeder Phase ihrer Existenz Klassiker aus dem Hut zaubern können. Geniale Setlist also, welche die Zuschauer gar nicht Atem schöpfen lässt und die auch sehr viel Dynamik besitzt. Mit „Rising From Ruins“ wird das Tempo etwas zurückgenommen, bevor „You’ve Got Another Thing Comin‘“, „Hell Bent For Leather“ (samt Rob auffem Krad und mit Bullenpeitsche im Maul) sowie der „Painkiller“ das Publikum in sämtlichen Belangen fordern. „Painkiller“ ist für Halford natürlich eine fiese Herausforderung, eine Umsetzung wie auf Platte ist ihm kaum möglich (war es aber live auch nie), er scheut sich jedoch nicht und bringt die härtesten Passagen mit schrillen Screams. Es wird Zeit für die Zugaben… und Zeit für Glenn Tipton! Ein emotionaler Höhepunkt, als dieser auf der Bühne erscheint und nun mit drei Gitarren gezockt wird! Gleichzeitig ist es erschreckend zu sehen, wie schnell die Krankheit seit der letzten Tour fortgeschritten ist. Der Zugabenblock besteht aus vier Songs, „Metal Gods“, „Breaking The Law“ (die Leinwand zeigt Polizeigewalt und Straßenkämpfe…) , „No Surrender“ (der war in Wacken nicht dabei) und schließlich „Living After Midnight“. Zum Schluss zeigt die Leinwand in riesengroßen Lettern die Botschaft „THE PRIEST WILL BE BACK“. In dieser Form ist das wünschenswert!


JUDAS PRIESTJUDAS PRIEST


Fazit: PRIEST waren noch besser als erwartet und haben ihren Status ein weiteres Mal nachdrücklich untermauert. Ich bin danach total heiser, führe jedoch mit vielen Bekannten noch Gespräche über das Erlebte. Es überwiegt überall die Begeisterung. Wie lange die Band noch auf diesem Niveau weitermachen können wird, bleibt abzuwarten. PRIEST! PRIEST! PRIEST!

Kommentare   

+5 #1 DoctorJoyBoyLove 2018-08-13 12:53
Danke für den Bericht. Ich bin begeistert, ohne da gewesen zu sein.
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