WOLVES IN THE THRONE ROOM, WOLVENNEST / 03.07.2018 – Hamburg, Markthalle

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Philipp: Spontan ergreife ich die Gelegenheit, mir diese großartige Band noch einmal ansehen zu können. Vor Jahren hatte ich WITTR mal knapp verpasst, dann wurde es länger still um die Cascadian Black Metalchefs, sodass ich schon dachte, dass es mit uns wohl nichts mehr wird. Dann reaktivierten sie ihre Band zum Glück wieder und im April 2017 war es soweit. Den Bericht vom Auftritt im Uebel & Gefährlich hatte Steffen Frahm geschrieben: http://www.dremufuestias.de/index.php?option=com_content&view=article&id=5320:wolves-in-the-throne-room&catid=15:berichte-aus-dem-pit&Itemid=290
Der Kollege ist heute auch wieder am Start, weswegen wir die Chance für ein Doppel-Review nutzen. Let’s blast away!



Philipp: Wir betreten die Markthalle perfekterweise, als gerade das Hallenlicht ausgeht. Ich überlege noch, ob der Wolf im Namen beider Bands auf irgendeine personelle Querverbindung hindeuten könnte, als ein Intro einsetzt. Okkulte Bühnengestaltung (blaues Licht, Dodenkopp, Kerzen…) und die sinistren Vibes der ersten instrumentellen Klänge lassen stilistisch noch alles offen.

Steffen: Was is denn´n Dodenkopp? Klingt wie Dodenhof. Philipp: Mist, Platt liegt mir einfach nicht.

Philipp: Gleich geht bestimmt das Geballer los! Doch nein, WOLVENNEST überraschen mich, indem sie dann plötzlich mit eher 70ies Rock und klarem, melodiösem Gesang anknüpfen. Irgendwer spricht später von Ambient-Einflüssen, die ich so nicht ausmachen kann. Vielleicht, weil ich noch nie bewusst was in der Richtung gehört habe…

Steffen: War das vielleicht ich, später am Merchstand, als wir uns „Thrice Woven“-Tapes kauften? Nur dass ich nicht von „Ambient“ sprach (womit WLVNNSTs Musik nichts zu tun hat), sondern von „Krautrock“? Von einem „…mix of 70's sounds Krautrock and early 90's Norwegian Black Metal…“ war auf Bandcamp die Rede, was mir genügte, um mal reinzuhören. Naja. Wenn da Krautrock drinstecken soll, dann allenfalls aus der Abteilung AMON DÜÜL, was mir immer zu sehr ausschweifender Kifferrock war. Ich stehe auf CAN und NEU! Darf ich noch erwähnen, dass der ebenfalls auf WLVNNSTs Bandcamp-Seite hinterlassene Tag „psychedelic blackmetal“ für meinen Geschmack pleonastisch ist, da ich Blackmetal an sich meist schon ziemlich mindstretching finde?

Philipp: Ich muss eher an THE DEVIL’S BLOOD denken, denn auch WOLVENNNEST kreieren eine bedrohlich-psychedelische Atmosphäre, ohne Extrem Metal-Elemente zu verwenden. Das Tempo ist meist doomig schleppend, die Sängerin agiert in einem beschwörenden Stil, der mich an Jex (JEX THOTH) oder eben Farida Lemouchi erinnert, zumindest grob. Obwohl WOLVENNEST also stilistisch nicht in dieselbe Kerbe wie der heutige „Headliner“ hauen, scheinen die Belgier*innen bei den meisten Leuten gut anzukommen. Das ist nicht selbstverständlich und spricht für die Band. Auch mir gefällt die hypnotische Abfahrt.

Steffen: Kommste in die Markthalle, kommste zum Konzert, gefällt dir gleich mal der Hut des Gitarristen nicht, und dieses womöglich unbedeutende Detail wird zum Einfallstor für allerlei Mäkeleien. (Philipp: Haha!) Kennt das jemand? Der Typ sieht mir einfach zu sehr aus, als hätte er sich wie eine Mischung aus Andrew Eldritch und FIELDS OF THE NEPHILIM verkleidet. Sein Kollege linksaußen lässt mit seiner offen überm Bauch getragenen Lederjacke und der Flying V heimelige JUDAS-PRIEST-Assoziationen aufkommen. Sagt mir schon mehr zu, reisst es aber nicht raus. Jedes der ca. 5 gespielten Stücke basiert auf einem Groove und einem Riff. Die Grooves gefallen mir, die Riffs nicht so, und zur Frage der Wirkmächtigkeit stellt mein alter Freund S., mit dem ich heute hier bin und der anno Faustkeil mit dem Wolter studiert hat, fest, dass das eine Frage der Disposition sei. Die Sängerin pflegt einen bluesigen Stil, was soll sie auch sonst machen? Die immerhin 3 Gitarren kriege ich nicht auseinandergehört. Gleich, bei WOLVES IN THE THRONE ROOM wird das anders sein.

Philipp: Vom Ablauf her erinnert das nun folgende Konzert im Grunde sehr an den oben erwähnten 2017er Gig in Hamburg. Und doch überzeugen mich WITTR heute noch mehr. Das liegt vielleicht einfach an der Markthalle, in der ich persönlich mich viel wohler fühle als im etwas zu sterilen Uebel und Gefährlich. Wieder werden die Besucher*innen mit Weihrauch zugeduftet, die Bühne ist stimmungsvoll ausgeleuchtet, sodass von den Musiker*innen nur Silhouetten erkennbar sind. Der Klang ist für meine Ohren nahe an der Perfektion (Ass hatte irgendeinen Grund zum Meckern gefunden, aber die ist ja auch Mischerin und hört Dinge, die normalsterblichen Ohren fremd bleiben…). So kann uns die Naturgewalt überrollen, als die WITTR gern bezeichnet werden. Die Band schafft es geschickt, Klischees zu vermeiden. Es erzeugt diesen schwebenden, träumerischen Effekt, ohne aufgesetzt oder gar cheesy zu klingen. Es ist heavy, sehr heavy sogar, ohne auf stumpfes Gehacke zurückzugreifen. Es klingt inspiriert, gleichzeitig nicht intellektuell überfrachtet. Wenn der Schlagzeuger das irre Blastbeattempo über Minuten hält und die Gitarren in flirrende Raserei verfallen, dann kommt dieser schamanenhafte Naturverehrungseindruck zum Tragen – ich fühle, dass hier etwas ganz Archaisches erweckt wird, etwas, das vielleicht schon vor Tausenden von Jahren von Urmenschen zelebriert wurde, die Steine aufeinandergekloppt hatten und dabei rhythmisch „Ugh! Ugh!“ gegrunzt haben. Die armen Schweine hatten damals noch keine Gitarren & Keyboards, auch rochen sie sicher schlechter, aber ich bin sicher, wenn man in ‘ner Zeitmaschine zurückreiste, ‘nen Kassettenrecorder mitnähme und der Horde „Thrice Woven“ vorspielte, dann hätte man gute Chancen, einer rituellen Opferung zu entgehen. Das heutige Ritual nimmt so gefangen, dass ich nicht mit Songtiteln dienen kann. Irgendwann setzt der analytische Verstand aus, ich versinke völlig im Sound der Kommunen-Black-Metaller.

Steffen: So ist es, irgendwann lässt man die Kaskaden einfach auf sich niederprasseln. Abgesehen vom Rausschmeisser „I Will Lay Down My Bones Among The Rocks And Roots“ von der unschlagbaren „Two Hunters“ (2007) spielen sie heute ausschliesslich aktuelleres Material; wobei der grandiose Opener „Thuja Magus Imperium“ vom (den Ambient-Ausrutscher „Celestite“ mal aus der Wertung genommen) vorletzten Studioalbum „Celestial Lineage“ ja auch schon 7 Jahre auf dem Rindenbuckel hat. Das Line-Up scheint sich nicht geändert zu haben. Auch Brittany McConnell, ihres Zeichens eine Hälfte meines liebsten Doom-Duos WOLVSERPENT (noch´n Wolf!), ist wieder mit an Bord und reichert die Endmoräne-of-Sound des Gitarristentrios mit tiefen Frequenzen bzw. ätherischen Flächen an, was besonders in den dreamy In- und Out- und Inbetweentros toll zur Geltung kommt. Wie nett fände ich es, erhöbe sie ihre Stimme und steuerte die auf den Studiowerken reichlich vorhandenen weiblichen Vocals bei, tut sie aber nicht. Auch „The Old Ones Are With Us“, die Hitsingle vom neuen Album „Thrice Woven“, muß ohne Steve Von Tills trockenes Gehuste bzw. dessen Nachempfindung durch Nathan Weaver auskommen. Ansonsten werden mindestens noch zwei weitere neue Stücke gegeben. Ich brauche ja immer eine Weile, um mir neue Doom- oder Black-Alben einigermassen zu erschliessen. Und nach meinem bisherigen Eindruck hebt sich „Thrice Woven“ neben der deutlich transparenteren Produktion durch eine gewisse Kompaktheit im Songwriting vom vorherigen Back-Katalog ab. Keine Viertelstünder oder Zwanzigminüter mehr. Aber diese Schein-Nuancen verbrennen in der Verheerung dieses furiosen Auftritts. Kommt alles aus demselben fauchenden Vulkan, alles Teil einer einzigen, vernichtenden Lavafront, auch das den BPM-Schnitt gewaltig nach unten zerrende „Prayer Of Transformation“. Hätten sie darüber hinaus noch „Dia Artio“ gespielt, wär´s für mich perfekt gewesen, aber das ist nur eine unbedeutende Einzelmeinung.

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