WILWARIN 2017, 02./03.06.2017 - Ellerdorf, am Arsch der Heide

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Tag 1

2017 wage ich erstmals das Experiment und reise schon am Donnerstag an. Schon vor Ankunft stelle ich fest, dass ich die Leute nicht verstehe, für die Konzerte auf Festivals eher ein Begleitprogramm darstellen. Außer Zeltaufbauen, Zelten und unausgefüllter Wartezeit passiert nicht viel. Außerdem ist es nachts ma echt arschkalt und ich habe Blasen an den Füßen von meinen am selben Tag erworbenen 15 €-Billigchucks. Mimimi, alles Scheiße!



Besser wird es am Freitag Mittag, als ich es zum ersten Mal schaffe, diesen See zu besuchen, über den ich seit Jahren das Gerücht höre, dass er tatsächlich in Wilwarinnähe existiert. Auf dem Weg dorthin verkaufen freundliche Menschen formidable Steinofenpizza und kaltes Bier. Dazu feinstes Sommerwetter – geht schon eher klar.

Als erste Band sehe ich endlich mal die MUTANT REAVERS. Schön, dass die Sparte „im weitesten Sinne Horropunk“ wieder lokal besetzt ist. Die Urteile in meinem Umfeld reichen von „eher scheiße“ bis „ganz geil“, ich selbst merke mir „Kammanmachn“.

Dann spielen wir selbst. Schockt.


Nach M.D.A. direkt die Dremu-Award-Winner STUMBLING PINS, die ihren Ruf als sehr gute Liveband bestätigen. Ich bin noch so im langsam aber sicher entnüchterten Post-Auftritts-Entspannungsmodus, dass mir nicht viel in Erinnerung bleibt, außer, dass es wie gesagt sehr gut war.
Der „Pins/Fire & Flames“-Bus fährt übrigens wieder und wir dürfen netterweise auch ein paar Teile unseres Equipments rein tun. Also lädt nach dem Auftritt die geballte Kompetenz aus Teilen von F&F, M.D.A. und S.P. ein – nicht ohne Folgen. Am Sonntag in Gaarden lade ich als einzige grade zu aufrechtem Gang fähige Person meiner Band nicht nur verschiedene, etwas unüberlegt verstaute Teile unserer Backline wieder aus den Untiefen des Vehikels aus. Nein, irgendwie steht auch plötzlich eine große Metallbox auf dem Asphalt, die zur gegenseitigen Überraschung aller auch der jeweiligen Gegenseite nicht gehört. Zur Aufklärung wird der mysteriöse Gegenstand geöffnet. Inhalt: viel freier Stauraum und ein Bühnenscheinwerfer. Ähäm… ja, sorry dafür, liebe Bühnencrew.

Den Programmhöhepunkt des ersten Tages bilden für mich ganz klar SCHEISSE MINNELLI, bei denen heute mal wieder der unvergleichliche Dudel an den Drums sitzt. Er wollte wohl nicht mehr und dann doch und hilft jetzt manchmal aus. Tatsächlich klingen der Qualitäten des Nachfolgers ungeachtet SCHEISSE MINNELLI mit Dudel noch etwas mehr nach SCHEISSE MINNELLI als sonst. Gibt es eigentlich eine Band, die häufiger auf dem Wilwarin gespielt hat? Die ROCKAWAY BEACHBOYS vielleicht. Auf jeden Fall haben die Abrisse hier eine schöne Tradition. Die Schadensquote bei Eigen- und Fremdmenschen, die SCHEISSE MINNELLI insbesondere hier vorweisen können ist bekanntermaßen beachtlich. Diesmal erwischt es nicht zuletzt Menschen aus meinem Camp. Der interne Krankenbericht weist am nächsten Tag nicht nur die üblichen Hämatome, sondern auch blutige Wunden und ausgeschlagene Zähne aus. War halt gut.

Später bei den wie immer grandiosen TROTTELBRÜDERn ist SM-Sänger Sam überrascht und erfreut, als er erfährt, dass wir mit M.D.A. am darauffolgenden Wochenende in seiner Wahlheimat Frankfurt zu Gast sind und bietet uns freundlicherweise an, bei ihm zu gastieren. Rein zufällig taucht er tatsächlich eine Woche später bei unserem Konzert auf. Er ist überrascht und erfreut und bietet uns freundlicherweise an, bei ihm zu gastieren.
Nach ausgiebigem Schwoof zu charmant-vertrottelt präsentierter Musik falle ich ins Zelt.


Tag 2

Mein zweiter Festivaltag beginnt um die Mittagszeit mit, Kaffee, Bier und der Hoffnung bei ZERSTEIGERN & VERSTÖREN – wie immer äußerst souverän moderiert von Rainer Heartbeat – günstig ein paar 7“-Raritäten abzustauben. Leider habe ich diesmal keine Chance. Bei Kleinodien, wie der Single von NEUMÜNSTER (Ja, scheinbar wirklich ein Bandname einer 80s-Kapelle, die es wirklich gegeben hat!), überbieten sich die Konkurrent*innen im wörtlichen Sinne. Nur ein augenscheinlich nicht ganz zurechnungsfähiger Mensch im Jogginganzug wird sehr zu seiner Empörung vom Moderator im Affekt für nicht geschäftsfähig erklärt. Die Idee, das auf dem Wilwarin stattfinden zu lassen, ist brilliant. Auch die Zeit ist ausgezeichnet gewählt. Nur etwas länger hätte es von mir aus gerne noch sein dürfen.


Später ein ätzender Pflichttermin bei KEVIN PASCAL, die nicht nur eine passable Platte gemacht haben, sondern auch neuerdings auch das optisch vielleicht ungleichste Gitarristenduo aufbieten, dass ich je auf einer Bühne sah. In meiner Erinnerung sieht der neue Konterpart von Flenspunklegende Knott aus, wie ein Hobo-Stoner-Waldschrat im Rentenalter. Aber das Konzert ist schon eine Weile her und vielleicht hatte ich auch was getrunken. In echt war‘s eventuell nicht ganz so krass. Das Konzert an sich gefällt mir dagegen noch etwas besser als das Konzert in der Meierei – kommt halt irgendwie noch etwas runder rüber. Mein Lieblingssong von KP heißt übrigens „Backpfeifenchrischan“ - na sowas. „Bunkerschelle“ schockt auch hart, klingt nur irgendwie nach CINDY & BERT.

Mein nächster Programmpunkt, ebenfalls auf der Skate Ramp Stage, sind die Speed/Thrasher (dank Deaf Forever kann ich mittlerweile auf Nachfrage sogar Unterschiede zwischen diesen Spielarten ausmachen und teilweise benennen) REZET aus Schleswig. Ich glaube, es ist insgesamt das dritte Mal, dass ich die Band sehe, nach einem Konzert in der Schaubude, als grade die erste Platte draußen war und dann dem Wilwarinauftritt vor ein paar Jahren. In meinem Ranking liegt der heutige Auftritt mindestens auf Platz 2. Insgesamt scheint sich das Set wieder etwas gradliniger und weniger experimentell entwickelt zu haben, was ich gut finde, und was möglicherweise auch mit den dargebotenen Coverversionen von den DEAD KENNEDYS, MOTÖRHEAD und VIOLENT FORCE zusammenhängt.
Meine Aufmerksamkeit verfängt sich dennoch immer wieder bei einem Konzertbesucher in der ersten Reihe – sofern hier von Reihen gesprochen werden kann – der nicht nur sehr viel Schnaps trinkt, sondern auch sonst aussieht, wie der Vatti von Hans Albers an Christi Himmelfahrt (wichtige Hintergrundinformation an dieser Stelle: Ich stelle mir den Vatti von Hans Albers an Christi Himmelfahrt in sehr knappen Sportshorts, mit einer Kapitänsmützenattrappe und natürlich besoffen vor).
Ihm gefällt das Konzert sehr gut. Seine Tanzschritte werden zusehends ausschweifender. In seiner Wahrnehmung bedeutet das offenbar: imposanter. Als Höhepunkt seiner Performance reißt er sich die Buxe zur Seite und zeigt uns seinen Sack. Da, nochmal. Und nochmal. Dabei macht er so ein verkniffenes Gesicht, als wäre exakt das der für alle verständliche Code für „Rock“.
Der Handgriff sitzt. Vermutlich handelt es sich um eine Art Signature-Move des Protagonisten, der immer mal wieder zum Tragen kommt, wenn es grade so richtig schockt (bzw. „rockt“). Bisher hat es eben nur bei Apfel-, Schuster- und Shantyfesten so richtig geschockt – jetzt in Ellerdorf.
Ist es gerechtfertigt, ihm für diese Darbietung mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, als dem bekleidungsmäßig ausreichend bedeckten Auftritt von REZET? Weiß ich nicht, aber die Zwangsgedanken haben an dieser Stelle längst die Kontrolle über meine Erinnerungsvermögen übernommen – Sack, Sack, Sack. Ihhh, Sack! ...Echt mal ihh.

Ging der gestrige Abend schon in Form von SCHEISSE MINNELLI mit einem meiner diesjährigen Highlights zu Ende, hat der zweite Abend gleich zwei davon auf Lager.
Zunächst VITAMIN X, die ich zum ersten Mal sehe, und die mich vielleicht auch deswegen wesentlich mehr weghauen als die schwerer zu beeindruckende Konkurrenz von Bierschinken.net. Diese – im besten Sinne – Hardcorepunk-Show ist ein ähnlich intensives Erlebnis wie SM am Abend zuvor. Zu Beginn wird aus unerfindlichen Gründen versucht, durch Security-Personal an der Bühnenkante das Betreten der Bühne zu verhindern. Das ist für alle Beteiligten nervig und unangenehm, ausgenommen jene, für die sich hieraus ein trefflicher Anlass für „Fang mich doch!“-Spielchen mit den Secu-Menschen ergibt. Nach etwa vier Songs wird die seltsame Idee, auf diese Art für Ordnung zu sorgen, ersatzlos fallengelassen, was der Sache sehr gut tut.

Und schließlich SMOKE BLOW. Über diese Buchung bin ich sehr froh, schließlich habe ich die Band zum einen seit Jahren nicht gesehen und zum anderen war ausgerechnet meine bis hierhin letzte SMOKE BLOW Show – nämlich jene auf dem Wilwarin vor der „Auflösung“ – die einzige, die ich in schlechter Erinnerung habe. Irgendwie hatten die damals überhaupt keinen Bock, oder zumindest sah es so aus. Ich fordere also vehement Wiedergutmachung ein und bekomme sie. SMOKE BLOW liefern. Diese Feststellung allein taugt im Grunde schon als Zusammenfassung des Konzerts. Sie liefern zwar „nur“, was denen, die diese Band mögen, seit Jahren bekannt ist, aber das ist eben einiges. Der Sound ist hervorragend, die Setlist top, der gereichte Vodka ebenfalls und der Greif grinst ununterbrochen.
Ich verlasse das Gelände mit dem Gefühl, erneut auf meine Kosten und mehr gekommen zu sein.

Bis 2018, so hoffe ich, Wilwarin.

Kommentare   

+1 #2 JoyBoy 2018-05-04 15:08
Wenn irgendwer den noch, darf der natürlich gerne mit rein. Der Grund, warum ich den Bericht nicht zeitnah eingestellt hab ist ja, dass ich auf andere Flicken gewartet habe. Bei der Weitergabe ist wohl leider irgendwas schief gelaufen.
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+2 #1 Ingo.K 2018-05-04 14:25
Ah, der Wilwarin-Patchwork-Bericht! :-*
Wenn ich mich recht erinnere hatte ich im Juni/Juli 2017 ebenfalls einen WilwarinBericht eingereicht. Gibt's den noch liebes DreMu???
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