WISHBONE ASH, DORIS BRENDEL / 01.02.2018 – Hamburg, Fabrik

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„Das war nach meiner Zeit“ – diesen traurigen Satz hat neulich wieder mal jemand in meiner Gegenwart geäußert. Traurig insofern, als dass ich mich dann immer frage: „Hä, du lebst doch noch?“ Ich widerstehe mittlerweile dem Impuls, das auch laut zu äußern. Für manche Menschen scheint es demnach nur eine zeitlich beschränkte Lebensphase zu geben, in der sie aktiv sind, auf Konzerte gehen oder Neuerscheinungen verfolgen. Was die wohl danach machen? Noch bitterer ist aber vielleicht der ebenfalls nicht selten geäußerte Satz „Das war vor meiner Zeit“. Diesem Menschen ist es dann also egal, wie die Roots der Musik aussehen, die er oder sie hört? Finde ich auch schräg. Muss man mal auf Klassikkram übertragen. „Kennste Mozart?“ – „Nee, war vor meiner Zeit.“ Liegt es nicht in der Natur der Sache, dass man irgendwann ergründen will, woher IRON MAIDEN ihre Einflüsse bezogen haben? Wer das tut, entdeckt irgendwann einen Schatz und zwar das Album „Argus“ von WISHBONE ASH!



 
Ich lese allein deshalb gerne Interviews mit Musiker*innen, wenn es um deren Einflüsse geht, und stieß bei vielen Bands, deren Alben mich in den letzten Jahren begeisterten, namentlich WYTCH HAZEL, ARGUS, TAROT, aber auch THIN LIZZY und IRON MAIDEN, auf WISHBONE ASH. Lange hatte ich diese Band eher mit radiotauglicher Langweilermucke assoziiert, aber das gilt wohl eher für diverse Alben ihres Spätwerks. (Bei METALLICA würde bei ausschließlicher Kenntnis des Schrotts, den sie in den letzten Jahrzehnten verbrochen haben, ja auch niemand denken, wie gut die mal waren.) Hört man jedoch in das selbstbetitelte Debut (1970) oder eben in den ‘72er Überklassiker „Argus“ hinein, klappt einem der Unterkiefer runter: Hier wird der Hörer in eine ätherisch-mystische Welt entführt, musikalisch verzaubern Twin-Gitarren, (damals) revolutionäre Doppel-Soli und mehrstimmige Gesänge. Die Frage ist natürlich, ob die Band das heute noch so rüberbringt, aber ich habe sie noch nie gesehen und bin immer dafür, eine Lücke zu schließen.
 

Wir treffen überraschend viele Bekannte in der Fabrik und bilden so schnell eine kleine Kuttenecke. Ansonsten ist das Publikum wirklich extrem gemischt, hier versammeln sich Vertreter aus vier oder fünf Generationen. Der Hammer ist ein barfüßiger Hippie in Hotpants, der mehrfach an uns vorbeischlumbumbert! Der Support DORIS BRENDEL erweist sich als eine Art folkiger Pop-Rock mit Steampunk-Outfit. Die Sängerin hat eine kraftvolle Stimme und ein nicht zu leugnendes Charisma, insgesamt stellt sich mir diese Musik aber als zu zugänglich und fröhlich dar. Zwischendurch setzt Doris Brendel eine Blechflöte ein, was den Irish-Folk-Einfluss verstärkt. Fürs Radio sicherlich zu progressiv, für viele Anwesende einen Höflichkeitsapplaus wert.
 

Die Spannung steigt! Immerhin hab ich einfach mal 33,- Euro gelöhnt, ohne zu wissen, ob das nicht vielleicht schlicht arschlangweilig sein würde. Doch es wird SOFORT klar: Das wird geil! Denn der Sound ist unfassbar transparent, ich würde gar sagen, dass ich einen derart klaren, vollen und ja, wunderschönen Gitarrenklang sehr selten, vielleicht nie, auf einem Konzert gehört habe. Auch der eingangs beschriebene Gesang kommt herrlich akzentuiert rüber, Gitarrist und Sänger Andy Powell wird hier gesanglich von seinen Mitmusikern und der nach einem kurzen Trip zum Merchtresen zurückgekehrten Doris Brendel verstärkt. Wie bei ASHBURY strahlt die Musik eine tiefenentspannt-hippieske Magie aus, ist aber im direkten Vergleich raffinierter komponiert. Teilweise wechselt die Stimmung innerhalb eines einzigen Songs von besinnlich-pastoral anmutenden Gesängen zu rauen Riffeinsätzen. Das eben noch heterogen wirkende Publikum rastet gemeinsam aus, als mit den aufeinanderfolgend gezockten Stücken „The King Will Come“, „Warrior“, „Throw Down The Sword“ sowie „Leaf And Stream“ das Herz des „Argus“-Albums zelebriert wird. Dieses unsterbliche Riff in „The King Will Come“ muss eigentlich jeder Mensch mal gehört haben, bevor der Reaper ihn holt! Ach, eigentlich gilt das aber auch für „Phoenix“, welches in einer über zehnminütigen Version eine unfassliche Epik und Erhabenheit verkörpert, die so manche Epic Metal-Combo in den Staub drückt.

 
Unsere kleine Headbangerfraktion ist jedenfalls entzückt und beschließt, beim nächsten Mal wieder dabei zu sein. Übrigens gibt es nach dem Split der beiden kreativen Köpfe Andy Powell und Martin Turner offenbar zwei Versionen von WISBONE ASH, letzterer tourt als MARTIN TURNER EX WISHBONE ASH. Müsste man sich eigentlich auch mal angucken…

 

 

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