HAMMER OF DOOM XII / 18.11.2017 – Würzburg, Posthalle, Tag 2

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Am nächsten Tag rollen wir gechillt mit den Öftis zur Posthalle, die ja perfekt zentral und gut erreichbar direkt neben dem Hauptbahnhof Würzburgs liegt. Übrigens ist dies die erste Posthallen-Veranstaltung Oliver Weinsheimers, für die er ein „Ausverkauft“ melden kann – trotz METAL ASSAULT und früheren HAMMER OF DOOM-Festivals! Woran mag es liegen, dass die diesjährige Edition derart guten Zuspruch hat? Ich denke, dass das Billing sehr gelungen und sehr abwechslungsreich bzw. vielseitig ist. Das Subgenre Doom galt ja lange als gnadenlos unkommerziell, doch irgendwie sind Downtempo’n’Doom populärer geworden und das HoD XII bietet klassischen Epic Doom (BELOW, DOOMSDAY KINGDOM), 70ies Rock (LUCIFER’S FRIEND), Düsterprog (CRIPPLED BLACK PHOENIX) mit CRANIAL eine modernere, extremere Spielart und natürlich auch ein paar wirklich zugkräftige Legenden. Dazu war das KEEP IT TRUE bereits ausverkauft, als CIRITH UNGOL offiziell bestätigt wurden, sodass viele Servants Of Chaos heute zum ersten Mal die Chance auf eine Liveshow der Freaks wahrnehmen können. Sei es, wie es sei: Wir haben Bock und sind undoomig pünktlich vor Ort!


Fotos von Andreas Mrowczynski.




CRANIALCRANIAL

 
CRANIAL habe ich witzigerweise schon einmal als Opener eines Festivals sehen können – und zwar als das des stilistisch völlig anders ausgerichteten KIEL EXPLODE (-> Post Punk, DIY festival for loud noise), hier der Link zum entsprechenden Bericht: http://www.dremufuestias.de/index.php?option=com_content&view=article&id=5149:kiel-explode-vi-18-06-2016-kiel-alte-meierei&catid=15&Itemid=290 Mit einer krachenden Mischung aus ISIS, NEUROSIS und mir unbekannten Einflüssen vermögen es die Würzburger den doch bereits zahlreich erschienenen Bangern wohlwollendes Kopfschütteln zu entlocken. Der Gesang kommt heftig und könnte sehr gut auch zu einer Funeral Doom Band passen. Mir gefällt dieser Auftakt gar nicht schlecht, auch wenn ich hier echt nicht mit Sludge- und Black-Metal-Attacken gerechnet hätte. Positiv hervorzuheben ist bei CRANIAL übrigens noch der antifaschistische Background, den einige Bandmitglieder bereits bei OMEGA MASSIF vertreten haben!


CRANIALCRANIAL


BELOWBELOW
 

Yeah, Zeit für BELOW! Ich mag beide Alben der Band und bin gespannt, ob die Schweden ihre Epik auch auf der Bühne gut rüberbringen. Schnell zeigt sich, dass diese Frage positiv beantwortet wird. Sänger Zeb hat ein geiles Organ und stemmt die opulenten Gesangslinien mit Macht, sodass keine Nuance untergeht. Die Twin-Gitarren brillieren in bester CANDLEMASS-Tradition und obendrauf gibt es durch Kerzenleuchter auch noch ein Upgrade in Sachen Atmosphäre. Im Vergleich zu WARNING ist das fast schon Entertainment, zumal alle Mitglieder bangen und BELOW statt kontemplativer Versunkenheit eher auf Heavy-Metal-Action stehen. Ich mag ja beides, war gestern vom Auftritt der UK-Doomer berührt, bin jetzt aber ebenfalls angetan. Die Halle ist jetzt richtig gut gefüllt und BELOW räumen ab, werden später in Gesprächen und Online-Diskussionen folgerichtig immer wieder zu den besten Bands des Festivals gezählt.


BELOW    


NAEVUSNAEVUS

 
Eine ähnliche Begeisterung erzeugen NAEVUS, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass nach der Show ihre Tonträger an allen Ständen in der Halle inkl. ihrem Merchtisch ausverkauft sind. Die zweite LP „Heavy Burden“ (2016) ist für mich ein Doom-Meisterwerk und hat mich regelrecht weggeblasen, als ich es zum ersten Mal aufgelegt hatte. Die Stimme von Uwe Groebel ist voll mein Ding, die erinnert mich etwas an Dan Fondelius von COUNT RAVEN. Und dann dieses Songwriting! Mit „Dancing In The Summer Rain“ startet man gleich mit einem der Hits, dessen Refrain „We’re drinking beer and dancing naked in the summer rain“ textlich und von der Melodie her schlicht herrlich ist. Auch NAEVUS klingen voluminös und gut abgemischt, so dass Doom-Perlen wie „Naked“, „Future Footprints“ oder „Sky Diver“ ihre volle Wirkung erzeugen können. Total schön!


NAEVUS


CRIPPLED BLACK PHOENIXCBP

 
Die nächste Band erlebe ich eher nebenbei, während ich an den Ständen shoppe. Es ist aber eine positive Überraschung, denn ich hatte von CRIPPLED BLACK PHOENIX zwar mal den Namen gelesen, diese Band aber völlig falsch zugeordnet. Ich dachte nämlich, es handele sich um Geballer, doch tatsächlich machen CBP eher chillige PINK-FLOYD-Mucke. Auf der Bühne befinden sich acht Menschen und proggen schwer. Mal klingt es zerbrechlich und sanft, manchmal auch düster, aber stets kommt so ein schwebender Psychedelic-Touch rüber. Zumindest beim Nebenbeihören verschwimmen allerdings die Konturen der Songs, aber ich kann mir vorstellen, dass es auf Platte bei dieser Band viel zu entdecken gibt. Nur haben CBP laut Discogs bereits zehn Alben und diverse EPs veröffentlicht – wo soll man da anfangen? Tipps können gern per Kommentar oder Mail geäußert werden.


CBP


 
THE VISION BLEAK sind für mich die einzige Fehlbesetzung des Tages. Wobei mir diverse Besucher*innen sagen, dass sie die ersten Alben der Band mochten. Ich hatte bei Erscheinen dieser Platten (ab 2003) gleich das Gefühl, dass dies nicht mein Ding ist und mir nie etwas davon angehört. Auftreten und musikalische Ausrichtung gehen dann heute auch völlig an mir vorbei. Der Sänger versucht sich an einem theatralischen Habitus, der aber nicht funktioniert. Auf mich wirkt das Ganze doch sehr aufgesetzt. Der Grundgedanke ist wohl eine Kombination aus Gothic und Death Metal. Weder die Growls noch der operettenhafte Gesang gelingen jedoch überzeugend. Ich hätte ja jetzt gern geschrieben, dass ich eine Ausnahme darstelle, aber THE VISION BLEAK müssen wohl als die Pechvögel des Tages bezeichnet werden, die etwas deplatziert sind, denn die Halle leert sich schneller als ein Bordell bei ‘ner Razzia und auch ich gehe irgendwann lieber draußen Glühwein trinken.  Auch das muss ja mal sein und das macht auch nichts, denn jetzt kommen vier Must-See-Bands in Folge.


THE DOOMSDAY KINGDOMTHE DOOMSDAY KINGDOM

 
Zu THE DOOMSDAY KINGDOM bin ich natürlich wieder pünktlich zurück und es ist krass zu sehen, wie voll es schon vor Beginn des Sets wird. Im aktuellen ROCK HARD #367 widmet sich Felix Wescoli im Rahmen der „Seziertisch“-Rubrik dem Schaffen von Leif Edling – und leistet sich dabei meiner Meinung eine nicht nachvollziehbare Fehleinschätzung: In der Kategorie „Zwiespältig“ befinden sich nämlich sowohl das CANDLEMASS-Debut „Epicus Doomicus Metallicus“ als auch die THE-DOOMSDAY-KINGDOM-Platte. „Epicus…“ ZWIESPÄLTIG? Im Falle TDK hapert es auch an der Argumentation, denn Mescoli führt aus, dass „mindestens die Hälfte der Songs gut und gerne mit CANDLEMASS“ hätten veröffentlicht werden können. Na und? Das sagt doch gar nichts über die Qualität der LP aus. Ferner habe er „den Verdacht, dass er (Edling) sich mit THE DOOMSDAY KINGDOM ein unvorbelastetes Low-Key-Vehikel zur beruflichen Wiedereingliederung geschaffen“ habe. Das ist reine Spekulation und selbst wenn es stimmen sollte, ändert es doch nichts daran, dass dies ein sehr ordentliches Debut ist. Der Auftritt drückt diese Thesen dann auch in den Staub. Leid Edling ist erfreulicherweise nach dem CANDLEMASS-Auftritt in Wacken in einem relativ kurzen Zeitraum zum zweiten Mal auf der Bühne zu sehen und hat offensichtlich sehr viel Spaß daran. Die eigentliche Überraschung ist aber, wie gut sich WOLF-Mainman Niklas Stalvind als reiner Sänger macht! Häufig wirken ja Musiker, die sonst Gitarre oder Bass spielen und dabei singen, etwas steif bis unbeholfen auf der Bühne, wenn sie dann ausschließlich ein Mikro in den Händen halten. Mr. Stalvind dagegen wirkt richtig gelöst, singt klasse und scheint eher befreiter als bei WOLF agieren zu können. Highlight des Sets ist das mit einem genialen Riff ausgestattete „Never Machine“, welches regelrecht Magie versprüht. Geil!


THE DOOMSDAY KINGDOM


 
COUNT RAVENCOUNT RAVEN


Aaaah, der COUNT-RAVEN-Gig ist dann eine einzige Abfahrt! Ich bin ja Fan seit Anbeginn und habe die Band schon zu Zeiten des Debuts sehen dürfen (noch mit Ursänger Christian Linderson, der jetzt bei LORD VICAR schmettert). Was haben COUNT RAVEN nicht schon für Doom-Epen geschrieben! „The Poltergeist“, „An Ordinary Loser“, „The Madman From Waco“, „High On Infinity”, „Jen“ und “Nashira” (yeah!) gehören unbedingt dazu und erzeugen eine tiefenentspannte Wirkung. Dan Fondelius‘ Stimme hat für mich schon längst eine ureigene Färbung, auch wenn er immer mit Ozzy verglichen werden wird. Es gibt übrigens einen neuen Song zu hören, der ebenso wie die Klassiker mit immenser Spielfreude dargeboten wird. Ein weiteres Highliight!


COUNT RAVEN


 
TIME LORDTIME LORD


Aber TIME LORD schießen dann den Vogel ab! Nach dem Tod von Terry Jones (R.I.P.) hatte ich nicht mehr damit gerechnet, dass die Band reaktiviert wird. Was für eine abgefahrene und irgendwie schöne Bandgeschichte auch! Da spielt der Sohn Gitarre in der Band seines Vaters, führt diese nach dessen Tod weiter und veröffentlicht mit „The Room Of Shadows“ das Vermächtnis seines Dads. (Ich hatte übrigens immer gedacht, dass Terry und Alan Jones Brüder sind.) Und Brendan Radigan ist tatsächlich ein überragender Nachfolger für Terry Jones! Seine Gesangs-Performance haut alle aus den Puschen und die Stimmung kocht nach wenigen Titeln, wird dann geradezu ekstatisch, als Radigan verkündet, dass TIME LORD ab sofort offiziell als PAGAN ALTAR weitermachen werden und es 2018 sogar eine Tour geben werde. Songs wie „Highway Cavalier“, „Cry Of The Banshee“, „The Black Mass“, “Dance Of The Vampires”, “The Lords Of Hypocrisy”, “The Witches Pathway” oder “March Of The Dead” decken Jahrzehnte der Discografie ab und wämsen mächtig rein. Filigran, mythisch, erhaben – wer hätte das gedacht?


TIME LORDTIME LORD


CIRITH UNGOLCIRITH UNGOL


CIRITH UNGOL schaffen es, den schon sehr guten KIT-Auftritt noch zu übertreffen, womit das Festival endgültig unvergesslich wird. Die Show ist für die Band speziell, denn es ist die längste, welche CIRITH UNGOL je gespielt haben, „King Of The Dead“ wird in Gänze gezockt und alles wird für ein Livealbum mitgeschnitten. Der Sound ist perfekt, die Bühnendeko sehr stimmig und zu den Songs wird im Hintergrund das jeweils passende Cover präsentiert. Die Setlist lässt wirklich gar keine Wünsche offen und ich hätte nach der Show schon alle Alben zur Hand nehmen müssen, um sagen zu können, was überhaupt gefehlt haben könnte. Einziger Kritikpunkt: Schlagzeuger Robert Garven spielt leider nicht immer völlig tight. Aber dieses Manko wird durch die unbeschreibliche Atmosphäre mehr als wett gemacht. Vor allem fasziniert Tim Baker mit seinem einzigartigen Organ. Der Kerl kreischt alles in Grund und Boden und lässt meine Favoriten noch heavier und roher als auf Platte erstrahlen. Als da wären: „I’m Alive“, „Atom Smasher“, „The Black Machine“, „Master Of The Pit“, „Finger Of Scorn“, “King Of The Dead”, “War Eternal”, “Doomed Planet”, “Chaos Descends”, “Join The Legion” und “Chaos Rising”. Obwohl der Auftritt satte zwei Stunden dauert, wird es zu keinem Zeitpunkt langweilig, im Gegenteil, man bangt im Grunde ohne Pause durch. Sensationell!   


CIRITH UNGOLCIRITH UNGOL

 
Was für ein Festival! Fazit: Bitte Zeitmaschine erfinden und mich zurücktransportieren! DOOM ON!

Kommentare   

+2 #1 Philipp 2018-01-18 18:50
Auch der zweite Teil ist jetzt mit Fotos von Andreas Mrowczynski versehen. DoomDanke!
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